Mehr Schubkraft für den Netzausbau
25. April 201327 Gigawatt Stromleistung aus erneuerbaren Energien werden in den nächsten sieben Jahren in den norddeutschen Bundesländern aufgebaut. Vor der Küste entstehen neue Windparks, an Land werden bestehende Windräder aufgerüstet und neue dazugebaut. 27 Gigawatt, das entspricht einem Fünftel der bisherigen Kapazität in ganz Deutschland.
Während im Norden mehr Strom produziert wird, werden im Süden des Landes allerdings eine Reihe von Atomkraftwerken sukzessiv vom Netz gehen und die Gesamtleistung damit um zehn Gigawatt verringern. Das ist problematisch, weil die stromintensiven Industriezentren in Deutschland im Süden und Westen des Landes liegen.
Stromautobahnen in den Süden
Die Aufgabe, die sich daraus ergibt, ist schnell umrissen: In Zukunft muss der Strom aus dem Norden in den Süden transportiert werden. Mehr als 2800 Kilometer neue Übertragungsleitungen sind dafür nötig, weitere mehr als 2000 Kilometer bestehende Stromleitungen müssen ausgebaut und umgerüstet werden. Drei Stromautobahnen, die vom Norden in den Süden reichen, sind geplant, die Kosten sind mit zehn Milliarden Euro veranschlagt. Ein Mammutprojekt, das der energiepolitische Koordinator der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Bareiß, das "größte Infrastrukturprojekt seit der Wiedervereinigung" nennt.
Die Energiewende sei mehr als nur der Aufbau von Solar- und Windenergie, mehr als Energieeffizienz und der Aufbau von Speichern. "Die Infrastruktur darum herum ist der entscheidende Baustein für das Gelingen der Energiewende", so Bareiß im Deutschen Bundestag.
Parlamentarier geben grünes Licht
Am Donnerstag wurde im Plenum das sogenannte Bedarfsplangesetz für den beschleunigten Ausbau der Elektrizitätsnetze in Deutschland in zweiter und dritter Lesung debattiert und anschließend mit den Stimmen der Regierungskoalition und der SPD verabschiedet. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler erhofft sich viel von dem neuen Gesetz. Bisher belaufen sich die Planungs- und Bauzeiträume für Stromtrassen auf zehn Jahre. "Mit diesem Gesetz und der dazu passenden Verordnung wird es gelingen, von derzeit zehn Jahren auf vier Jahre zu kommen", so Rösler.
Der Weg zu dem jetzt beschlossenen Bedarfsplan war steinig. Schon 2009 hatten Bundestag und Bundesrat das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG) verabschiedet. Daraus ergab sich ein Ausbaubedarf von rund 1.900 Kilometern Höchstspannungsnetz, auf denen die noch zusätzlich notwendigen 2.800 Kilometer Übertragungsleitungen aufbauen sollen. Von den EnLAG-Leitungen sind bislang aber lediglich 268 Kilometer und damit knapp fünfzehn Prozent der erforderlichen Leitungskilometer realisiert worden. Das 2011 erlassene Netzausbau- und Beschleunigungsgesetz konnte daran nichts ändern.
Die Bundesnetzagentur soll es richten
Es haperte vor allem an der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Erstreckte sich eine Trasse über die Grenzen eines Bundeslandes hinweg, kam es regelmäßig zu Verzögerungen. So gab es für die Trasse zwischen Schwerin und Hamburg ein Jahr lang keine Genehmigung. Bund und Länder haben sich daher darauf geeinigt, die Verantwortung für den Netzausbau auf die Bundesnetzagentur zu übertragen.
Ob damit alle Probleme gelöst sind, bleibt abzuwarten. Gegen den Bedarfsplan für den Netzausbau gab es bisher mehr als 3000 Eingaben aus der Bevölkerung. Zwar ist das Bewusstsein, dass es einen Netzausbau geben muss, vorhanden, doch kaum jemand will die Trasse vor der eigenen Haustür akzeptieren. Bei zwei der drei Nord-Süd-Trassen sind daher in dicht besiedelten Gebieten Erdverkabelungen geplant. Auch wenn sie technisch schwierig sind und fünfmal so teuer wie sichtbare Verkabelungen, plädiert die SPD dafür, noch mehr Leitungen unter der Erde zu verlegen. Der Bundeswirtschaftsminister widerspricht. "Wir haben nur in den wenigsten Bereichen noch die finanziellen Möglichkeiten für eine Erdverkabelung", so Rösler im Bundestag. "Jeder, der etwas anderes verspricht oder gar fordert, der schummelt."
Verkürzter Rechtsweg
Um zu verhindern, dass die absehbaren Klagen von Bürgern gegen den Trassenbau die Realisierung weiter verzögern, reduziert das Gesetz den Rechtsweg zukünftig auf eine Instanz. Allein das Bundesverwaltungsgericht wird sich in Zukunft mit den Klagen befassen. Die Stadt Meerbusch hat aber schon angekündigt, gegen das neue Gesetz Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen. "Der Gesetzentwurf enthält den Webfehler, dass dort die genauen Netzverknüpfungspunkte der geplanten Stromautobahnen bereits benannt sind, ohne dass im Vorfeld Alternativen geprüft wurden", sagte Bürgermeister Dieter Spindler in einem Zeitungsinterview. Die 55.000 Einwohner-Gemeinde Meerbusch wehrt sich dagegen, dass die größte Stromkonverter-Anlage Europas ans Umspannwerk in Meerbusch-Osterath angebunden werden soll.