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Kampf der Preistreiberei

13. März 2012

Ob Kupfer, Wolfram oder Erdöl: Rohstoffe werden knapper und immer teurer. Preistreiber sind die wachsende Nachfrage, aber auch die Spekulation auf den Anlagemärkten.

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Blick auf den Rohölhandel an der New Yorker Börse ddp images/AP Photo/Stephen Chernin
Bild: AP

Thomas Bartelt arbeitet für den Volkswagen-Konzern und leitet dort das globale Finanz-Risikocontrolling. Was so sperrig klingt, ist für den Konzern überlebenswichtig: Bartelt muss dafür sorgen, dass sich der Automobilbauer jederzeit kostengünstig mit Kupfer, Aluminium, Platin, Palladium und Rhodium versorgen kann.

Planungssicherheit sei für sein Unternehmen ungemein wichtig, so Bartelt. "Durch den Gebrauch der Terminmärkte können wir uns heute bereits einen Preis für eine Tonne Aluminium sichern, den wir in fünf Jahren zu bezahlen haben. Das machen wir in Form von Finanzkontrakten, also sogenannten Derivaten." Das betrifft die Käufe von Aluminium und Kupfer. Edelmetalle kauft der Konzern physisch und lagert sie ein.

Produzieren oder Gewinne erzielen?

Bartelt arbeitet mit Banken und Rohstoffhändlern zusammen, macht Geschäfte an und außerhalb der Börse. Das machen Kapitalanleger auch, allerdings nicht mit der Absicht zu produzieren, sondern um Gewinne zu erzielen. Waren Ende der Neunzigerjahre noch etwa zwanzig Prozent des Rohstoffhandels spekulative Finanzgeschäfte, so sind es inzwischen satte 80 Prozent. Raimund Rösler, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Bankenaufsicht zuständig, findet das alarmierend.

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Spekulative Geschäfte mit Rohstoffen versprechen satte GewinneBild: DW

Das verwaltete Vermögen in Rohstofffinanzprodukten sei in den letzten Jahren drastisch gestiegen, von 26 Milliarden US-Dollar im Jahr 2003 auf heute mehr als 400 Milliarden US-Dollar. Treiber dieser Entwicklung seien nicht nur die Banken, sie reagierten hier auch auf die steigende Nachfrage privater und institutioneller Investoren, sagt Röseler: "Indexfonds, Zertifikate auf Rohstoffe haben einen massiven Zulauf erfahren und begleitet wurde das Ganze durch einen massiven Anstieg des Rohstoffterminmarktes." 

Wetten auf die Zukunft

Das Volumen der ausstehenden Rohstoff-Derivate beziffert der Bankenexperte auf aktuell 3200 Milliarden US-Dollar. Dabei handelt es sich um nichts anderes als Wetten darauf, wie viel Kupfer, Aluminium, Weizen oder Öl wann und zu welchem Preis zur Verfügung stehen wird. Mit den tatsächlich weltweit  zur Verfügung stehenden Rohstoffen hat das nichts mehr zu tun, es beeinflusst jedoch massiv ihren Preis. Geht es um Agrar-Rohstoffe, dann sind Hunger und Armut die Folge. Geht es um Kupfer oder Seltene Erden, dann ist die Produktionssicherheit gefährdet.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellt daher den gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Rohstoffhandels in dieser Form in Frage. Wenn sich die Entwicklung fortsetze, sei die nächste Finanzkrise praktisch vorprogrammiert. Schäuble unterstützt daher die Bemühungen der G20, der Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die Rohstoffmärkte regulieren zu wollen. Vorgesehen seien eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung von Marktmissbrauch und Verbesserung der Transparenz im Waren- und Termingeschäft, so der CDU-Politiker. "Wir brauchen regelmäßige Berichte über die eingegangenen Marktpositionen aller Akteure. Das heißt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden der G20-Staaten ihre Kompetenzen entsprechend ausgestaltet erhalten."

10 massive Kupferstangen, sogenannte Billets, liegen übereinandergestapelt. Foto: Axel Heimken/dapd
Eine Tonne Kupfer kostet aktuell rund 8300 US-DollarBild: dapd

Wer handelt womit?

Die Aufsichtsbehörden sollen neben anderen Eingriffsmöglichkeiten auch die Kompetenz erhalten, Positionen einzelner Händler an einer Terminbörse zu begrenzen. Dabei hat Schäuble vor allem die Hochfrequenzhändler im Visier, deren Computer innerhalb von Millisekunden den Kauf und Verkauf von Wertpapieren auf der Basis von elektronisch erhaltenen Informationen über den Markt auslösen. Ein Melderegister für den außerbörslichen Handel soll Aufschluss darüber geben, wer womit und in welcher Menge handelt.

Mitarbeiter der Volkswagen AG inspizieren im VW-Werk in Wolfsburg die Fahrzeuge Tiguan und Touran in der Endkontrolle. Foto: Jochen Lübke dpa/lni
Automobilbauer könnten ohne Aluminium nicht arbeitenBild: picture-alliance/dpa

In der Wirtschaft wächst allerdings die Sorge, dass der politische Regulierungseifer für die Industrie teuer werden könnte. Thomas Bartelt fürchtet, dass der außerbörsliche Handel verboten werden könnte. "Wenn wir das Geschäft über die Börse machen würden, müssten wir Barmittel hinterlegen. Das fällt uns als Industrie sehr, sehr schwer, denn damit nehmen wir uns Liquidität, die wir für Investitionen brauchen, sei es in neue Werke oder neue Technologien."

Industrie fürchtet steigende Kosten

Bartelt plädiert dafür, die Rohstoffmärkte differenzierter zu behandeln. Weitaus sensibler als der metallische Rohstoffmarkt sei doch definitiv der Bereich Agrarprodukte. Wenn dort die strengsten Regeln eingeführt würden, dann könne er das durchaus nachvollziehen. In seinem Bereich jedoch müsse immer auch bedacht werden, welche Folgen eine Regulierung für die Realwirtschaft habe.

Das Problem ist in der Politik durchaus präsent. Es sei aber schwierig, die Grenze so zu ziehen, dass die Wirtschaft nicht leide, sagt Finanzminister Schäuble. Er drängt darauf, endlich konkrete Schritte bei der Regulierung einzuleiten und betont, er sei in dieser Angelegenheit "ziemlich ungeduldig". Im Vergleich zu den Problemen auf den internationalen Finanzmärkten stecke die Entwicklung auf den Rohstoffmärkten noch in den Kinderschuhen und daher müssten jetzt schnell Grenzen eingezogen werden.

Allianz zur Rohstoffsicherung

Gleichzeitig macht sich die Bundesregierung aber durchaus auch Gedanken darüber, wie deutsche Unternehmen besser und verlässlicher mit Rohstoffen versorgt werden können. Mit der Mongolei und mit Kasachstan wurden vor kurzem Rohstoffpartnerschaften abgeschlossen, die auf dem Grundsatz "Rohstoffe gegen Industriehilfe" basieren. Erkundung, Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe sollen gemeinsam erfolgen, die dafür notwendige technische Infrastruktur kommt aus Deutschland.

Ein Stück des Metalls Tellur Foto: Roberto Pfeil/dapd
Födert die Korrosionsbeständigkeit von Stahl: Das selten vorkommende Metall TellurBild: dapd

Doch auch die Industrie, die die Rohstoffversorgung als eine der derzeit größten Herausforderungen bezeichnet, ruht nicht. Ende Januar hob der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein Bündnis zur Rohstoffsicherung aus der Taufe. Gründungsmitglieder sind Unternehmen wie BASF, Daimler, Evonik und ThyssenKrupp. Die Allianz will sich künftig an Bergbauprojekten im Ausland beteiligen, um die Versorgungssicherheit der Industrie gerade bei "kritischen" Rohstoffen zu verbessern. Bei Metallen, wozu auch die "Seltenen Erden" gehören, ist Deutschland fast komplett importabhängig.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Henrik Böhme