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Mehr private Vorsorge für Krankheit und Alter

Monika Lohmüller7. Oktober 2003

Die Bundesregierung und die Opposition streiten um Reformen bei den traditionellen deutschen Sozialversicherungen. Das System krankt und wird wohl nur gesunden, wenn die Reformer beider Seiten Einigkeit erzielen.

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Ein Streitpunkt der Reformer: das kränkelnde Gesundheitssystem in DeutschlandBild: BilderBox

Die Deutschen hören derzeit fast täglich, dass die über 100 Jahre alten Sozialsysteme dringend reformiert werden müssen. Die immer älter werdende Bevölkerung und die hohe Arbeitslosigkeit belasten Gesundheits-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Und damit steigen auch die Lohnnebenkosten, was wiederum die Chancen vermindert, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Professor Bert Rürup
Professor Bert RürupBild: AP

Mehrere Reformkommissionen wollen diesen Teufelskreis durchbrechen: Auf der einen Seite die von der Bundesregierung eingesetzte Rürup-Kommission unter Leitung des Ökonomen Bert Rürup. Auf der anderen Seite die Herzog-Kommission, eine von der CDU beauftragte Runde um den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog.

"Wir müssen die sozialen Sicherungssysteme neu justieren, nicht um sie abzuschaffen oder gewaltig einzuschränken, sondern um sie bei veränderten wirtschaftlichen Bedingungen erhalten zu können", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder, als er im Frühjahr seine Reform-Agenda 2010 präsentierte. Dieses Ziel hatten beide, die Rürup- wie auch die Herzog-Kommission, als sie sich an Reformvorschläge für die Sozialversicherungen machten.

Unbezahlbar

Roman Herzog Kommission und Angela Merkel
Alt Bundespräsident Roman Herzog, rechts, überreicht der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel einen Bericht "Zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme" in Berlin am Dienstag, 30. September 2003. Die sogenannte Herzog-Kommission entwarf parallel zur Rürupp-Kommission ein Modell zur Renten- und Gesundheitsreformierung. (AP Photo/Jan Bauer)Bild: AP

Das große Problem ist, dass die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen immer weiter auseinander klafft. Die Systeme sind in ihrer derzeitigen Form nicht mehr bezahlbar. Und so wundert es nicht, dass sich beide Kommissionen bei der Altersvorsorge einig sind und das Renteneintrittsalter anheben wollen. In einigen Jahren solle die volle Rente anstatt mit 65 erst mit 67 Jahren ausgezahlt werden. Die Herzog-Runde will allerdings, dass diejenigen, die 45 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse gezahlt haben, schon mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen können - die Rürup-Kommission will dies nur mit Abschlägen zulassen.

Die Einführung eines so genannten "Demographie-" oder "Nachhaltigkeitsfaktors" steht dagegen in beiden Konzepten. Damit sollen die jährlichen Rentenerhöhungen reduziert werden, weil immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner versorgen müssen. Herzog- wie Rürup-Kommission wollen das umlagefinanzierte System aber erhalten. Das heißt: Was von den Arbeitenden eingezahlt wird, geht direkt an die Rentner, ohne dass ein Kapitalstock aufgebaut wird.

Krankenversicherung

Die bislang von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzierte Krankenversicherung will die Herzog-Kommission allerdings aufgeben. Die Bürger sollen die Beiträge aus eigener Tasche zahlen, ein begrenzter Arbeitgeberanteil soll dem Lohn zugeschlagen werden. Nach Vorstellungen der Herzog-Kommission sollen die Bürger etwa 260 Euro monatlich für ihre Krankenversicherung aufbringen. Beamte und Selbständige will die Runde um Alt-Bundespräsident Herzog im Gegensatz zur Rürup-Kommission nicht in die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen. Die Rürup-Kommission hatte sich bis zuletzt nicht auf ein Modell für die künftige Krankenversicherung einigen können.

Die Pflegeversicherung in ihrer jetzigen Form - Beiträge der Versicherten decken die laufenden Pflegekosten - will die Herzog-Runde abschaffen. Langfristig will sie die Pflegeversicherung privatisieren, die Menschen sollen selbst für ihr Alter vorsorgen. Das lehnen die Rürup-Experten ab. Sie wollen aber wie die Herzog-Kommission in Zukunft die Rentner stärker zur Pflegekasse bitten. Familien mit Kindern sollen dagegen entlastet werden. Beide Kommissionen fordern, dass Kinderziehungszeiten bei der Berechnung der Beiträge stärker anerkannt werden.

Beim Arbeitslosengeld plädieren beide Kommissionen für kürzere Laufzeiten. Und auch das Vorhaben der Bundesregierung, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzulegen, wird einhellig befürwortet.