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Mehr Phrasen als Wirklichkeit

Daniel Scheschkewitz, Washington DC21. Januar 2005

Bushs markige Antrittsrede muss vielen unterdrückten Menschen weltweit wie Hohn in den Ohren klingen, meint Daniel Scheschkewitz in seinem Kommentar. Zweifel an seiner demokratischen Weltmission seien angebracht.

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Daniel Scheschkewitz

Mit viel Prunk und noch mehr Polizei ist George W. Bush zum zweiten Mal in das Präsidentenamt der USA eingeführt worden. Dabei hat er einige hehre Versprechungen gemacht. Bush will die Macht und den Einfluss Amerikas einsetzen, um weltweit der Freiheit zum Durchmarsch zu verhelfen. Tyrannen, gleich welcher Couleur, sollen sich in Zukunft nicht mehr sicher fühlen können. Und der eigenen Bevölkerung suggerierte er, nur wenn die Amerikaner der Demokratie weltweit zum Durchbruch verhelfen, können sie Zuhause weiterhin in Frieden und Freiheit leben.

Es war eine markige und wohlklingende Rede, die allerdings vielen unterdrückten Menschen auf dieser Welt wie Hohn in den Ohren klingen muss. Von Ägypten bis China, von Usbekistan bis Pakistan werden die Menschrechte mit den Füßen getreten, ohne dass Bush dagegen bisher lautstark protestiert hätte.

Härtetest im Irak

In Wirklichkeit arrangieren sich die USA nach wie vor mit Unrechtsregimes rund um den Globus, wenn dies mit ihren strategischen Interessen im Einklang steht. Der Feldzug für Freiheit und Menschenrechte ist bislang wenig mehr als eine moralische Fassade für die Ausdehnung der US-amerikanischen Einflusssphäre vom Hindukusch bis an den Persischen Golf. Dort, im Irak, wird die Fähigkeit Amerikas, eine Diktatur durch ein demokratisches System zu ersetzen, bei den geplanten Wahlen Ende Januar einem echten Härtetest unterzogen.

Noch ist es für ein abschließendes Urteil zu früh. Die Geschichte wird den Irak-Feldzug Bushs rückwirkend nach dem Erfolg der Mission beurteilen. Gelingt es im Irak mittelfristig wenigstens halbwegs stabile Verhältnisse einzuführen mit einem ansatzweise demokratischen System, müssen sich die Mullahs im Iran und andere Despoten in der Region tatsächlich Sorgen machen. Stirbt das gewagte und mit militärischer Macht durchgeführte Experiment dagegen in einem Blutbad, dürfte auch das Urteil der Geschichte über Bush negativ ausfallen. Schlimmer noch: Zuhause wird der Druck auf Bush zunehmen, die amerikanischen Soldaten aus dem Irak abzuziehen. Dann werden Bushs Phrasen von einem weltweiten Engagement für die Freiheit ungehört verhallen.

Diplomatie der Gesten

Dies müsste nicht so sein. Denn würde Amerika nur halb so viel für das friedliche Werben zugunsten von Demokratie und Menschenrechten ausgeben, wie es für sein Militär und Kriege übrig hat, könnte die Welt den Vereinigten Staaten tatsächlich dankbar sein. Die beeindruckende Hilfe, die dieses Land - wie andere auch - den Opfern der Tsunami-Katastrophe geleistet hat, war der richtige Weg. So gewinnt man Menschen für die Ideale einer fremden Gesellschaft. Dies ist die viel beschworene Diplomatie der Gesten, mit der sich die Herzen von Menschen erobern lassen.

Bushs Rede zur Amtseinführung war dem Idealismus Amerikas und der Tradition geschuldet. Die politische Realität wird bestimmt von der weiteren Entwicklung im Irak, im palästinensisch-israelischen Konflikt und in den Verhandlungen mit dem Iran über sein Atomprogramm. Hier muss Bush die Qualitäten eines Weltenlenkers unter Beweis stellen, die er bisher vermissen lassen hat. Dann, und nur dann, kann die demokratische Weltmission Amerikas langfristig von Erfolg gekrönt sein. Zweifel sind durchaus angebracht.