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Mehr Investitionen, tieferes Misstrauen

Danhong Zhang10. Oktober 2014

Auf dem China-Gipfel in Hamburg sind deutliche Worte zu hören. Obwohl die wirtschaftlichen Verflechtungen immer enger werden, fremdeln der europäische Bulle und der chinesische Drache immer stärker.

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6. Hamburg Summit 2014
Bild: DW/D. Zhang

"Wir sind nur ein kleines Unternehmen. Aber wir sind so oft in China, dass wir uns schon als Insider fühlen", sagt Jørn Jørgensen, ärztlicher Leiter der EuroEyes Klinikgruppe. 2013 schaffte er es als erster Europäer, in China eine Augenklinik zu eröffnen.

Der Augenchirurg ist einer der 600 Teilnehmer des am Freitag (10.10.2014) eröffneten Hamburg Summit, der alle zwei Jahre stattfindet. "Seit der Implementierung im Jahre 2004 hat sich der 'Hamburg Summit' zum wichtigsten sino-europäischen Gipfeltreffen in Europa entwickelt", sagt Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg gegenüber der Deutschen Welle. Von Anfang an sollte er eine Art "Davos im Kleinen" sein, das heißt: hochrangig und inoffiziell. So wird der chinesische Premierminister Li Keqiang für den Samstag erwartet.

"Dem Aufruf des Premierministers, stärker in Europa zu investieren, bin ich gefolgt", sagt Chen Jianzhong, CEO der Yueyanning Group. Deswegen ist er hier in Hamburg wie über hundert andere chinesische Unternehmer auch. Seine Firma hat es sich zum Ziel gesetzt, die Landwirtschaft zu modernisieren. In Deutschland ist er auf der Suche nach Getränke- und Fleischverarbeitungsanlagen.

Deutsche Weltmarktführer besonders begehrt

Im Visier der chinesischen Investoren stehen aber nicht nur Anlagen, sondern inzwischen auch ganze Unternehmen. Deutsche Weltmarktführer stehen auf ihrer Kaufliste ganz oben. Der bekannteste Fall ist wohl die Übernahme von Putzmeister durch den chinesischen Baumaschinenhersteller Sany. Mit 700 Millionen Euro ist der Kauf des Gabelstaplerproduzenten Kion durch den chinesischen Konzern Weichai Power die bisher größte Einzelinvestition eines chinesischen Unternehmens in Deutschland.

Die Chinesen hätten Deutschland und Europa aber nicht plötzlich entdeckt, sagt Sun Yi, Partnerin von Ernst & Young. Bereits seit fünf, sechs Jahren suchten sie nach passenden Sparten, um auf der technologischen Leiter nach oben zu klettern. Schließlich wollten sie nicht ewig Schuhe oder Socken herstellen.

In der Staatsschuldenkrise in Europa hätten die chinesischen Investoren eine Chance gesehen, um günstig bewertete europäische Unternehmen aufzukaufen. Das hat dazu geführt, dass 2013 über 120 europäische Firmen in chinesische Hände übergingen, das entspricht einer Vervierfachung im Vergleich zu 2004.

Misstrauen ist gestiegen

Mehr Investitionen haben aber nicht zu einem besseren Verständnis beigetragen. "Dass Misstrauen, wenn man es im Zehnjahreszeitraum betrachtet, ist sogar gewachsen", sagt Reinhard Bütikofer, Grünen-Politiker im Europaparlament. Das liege vor allem daran, dass in China in wesentlichen Reformbereichen zu wenig geschehen sei, so Bütikofer weiter. Damit meint er vor allem politische Reformen und Rechtsstaatsreformen.

Für das schlechte Image Chinas in Europa macht Liu Mingming, Asien-Chefin des deutschen Technologiekonzerns Voith, vor allem die Medien verantwortlich. Da über die Hälfte der Europäer keine Gelegenheit haben, nach China zu reisen, seien sie auf die Medien angewiesen. An die Journalisten appelliert Liu Mingming, ausgewogener über China zu berichten.

"Man soll den Boten nicht für die Botschaft verantwortlich machen", sagt Bütikofer. Aber die Europäer müssten sich mehr Wissen über China aneignen, so Bütikofer. "Wenn Sie einen gut gebildeten Chinesen nach europäischen Philosophen fragen, werden Sie mehr Namen hören, als wenn Sie gut gebildete Europäer nach chinesischen Philosophen fragen."

Reinhard Bütikofer (Foto: Jens Büttner)
Das Misstrauen ist gewachsen, sagt Reinhard BütikoferBild: picture-alliance/dpa

Der Grünen-Politiker gibt die Hoffnung nicht auf, dass mehr Investitionen doch zu einem besseren Verständnis zwischen beiden Seiten führen könnte. Dass sich die Chinesen noch stärker in Europa engagieren, davon kann man ausgehen. Vor Kurzem wurden die Regelungen für Investitionen im Ausland gelockert. Das heißt, dass Investitionen bis zu einer Milliarde Dollar nur beim Handelsministerium angemeldet werden müssen. Bisher lag die Hürde bei 100 Millionen Dollar.

Öffnung des chinesischen Marktes

Umgekehrt erhoffen sich europäische Unternehmen, von der neuen Politik eines nachhaltigeren und umweltverträglicheren Wirtschaftens zu profitieren. Dabei wünschten sich Europäer von China eine weitere Öffnung des Marktes, zum Beispiel im Dienstleistungsbereich und dort insbesondere in der Gesundheitswirtschaft, sagt Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg.

Genau darauf setzt der Arzt und Unternehmer Jørgensen. Lockerungen gebe es bereits. So brauche er für die neue Augenklinik, die er demnächst in Beijing eröffnen werde, keinen Joint-venture-Partner mehr. Er habe dennoch einen chinesischen Partner ins Boot geholt, weil dessen Kontakte dem Geschäfte zugute kommen würden. "Der Gesundheitsmarkt wird der Wachstumsmarkt schlechthin", sagt der Augenarzt.. Am liebsten würde er den Premierminister Li Keqiang einer OP unterziehen, denn wie achtzig Prozent der Chinesen trägt auch Li eine Brille.