1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Mehr Gemeinsamkeiten zwischen EU und China

Hans Spross
30. Mai 2017

Trumps neue Europa-Politik könnte neue Anstöße für den 19. EU-China-Gipfel liefern, zu dem Premier Li Keqiang in Brüssel erwartet wird. Aber Differenzen bleiben, wie China-Experte Jan Gaspers erläutert.

https://p.dw.com/p/2dr6Q
China EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Li Keqiang im April in Peking
Bild: Reuters/K. Fukuhara

Deutsche Welle: Kommt nach dem Kälteeinbruch durch den Besuch von US-Präsident Donald Trump in Brüssel jetzt wärmender Sonnenschein aus China durch den Besuch von Ministerpräsident Li Keqiang diesen Donnerstag? Mit anderen Worten: Könnte eine stärkere Annäherung der EU an China eine Folge der Enttäuschung über Trump sein?

Jan Gaspers: Europa und China haben derzeit in einigen Politikbereichen mehr Gemeinsamkeiten, als es innerhalb des transatlantischen Bündnisses der Fall ist. Diese Gemeinsamkeiten zeigen sich besonders in der globalen Handels- und Klimapolitik, wenngleich vieles im Moment noch auf der Ebene von Rhetorik verbleibt. Dennoch ist ein intensiverer und produktiverer Austausch zwischen europäischen und chinesischen Politikern zu verzeichnen, und das ist auch auf die unberechenbare Außenpolitik Washingtons zurückzuführen. Die US-Außenpolitik wird in Peking wie auch in wichtigen europäischen Hauptstädten gleichermaßen als wenig verlässlich und kurzsichtig wahrgenommen.

Jan Gaspers
Jan Gaspers: "Handlungsspielraum zur Beeinflussung chinesischer Politik ist kleiner geworden"Bild: MERICS

China hat vor kurzem mit großem Protokoll seine "One-Belt-One-Road"-Initiative in Szene gesetzt. Die EU nahm dabei eine kritische Position ein und listete "acht Prinzipien" auf, die für ein solch "ehrgeiziges Projekt zur chinesisch-europäischem Verzahnung" unabdingbar seien. Vieles dürfte davon den Chinesen gegen den Strich gehen, also Punkte wie größtmögliche Transparenz, multilaterale Beteiligung, wirtschaftliche Vorteile für alle Beteiligten und "Stakeholder". Wird die EU-Haltung zur "Neuen Seidenstraße" ein Problem für die Beziehungen EU-China?  

Es ist nicht falsch, dass Europa der Seidenstraßen-Initiative bislang mit einer konstruktiven Skepsis begegnet. Schließlich ist bei diesem chinesischen Jahrhundertprojekt längst nicht alles Gold was glänzt. Viele der geplanten Seidenstraßen-Projekte sind mit immensen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Risiken für Peking, aber vor allem auch für die Länder entlang der Seidenstraße verbunden. Der Ausfall vieler von China im Rahmen der Initiative vergebener Großkredite, fiskalische Instabilität, aber auch die Anheizung von regionalen Konflikten scheint vielerorts programmiert.

Dennoch hat die Initiative natürlich auch großes Potenzial, neue Wirtschaftsräume zu erschließen und wichtige Entwicklungsimpulse gerade im eurasischen Raum zu setzen. Das ist selbstverständlich auch im Interesse Europas. Der Seidenstraßen-Gipfel hat aber auch noch einmal gezeigt, dass gerade die größeren EU-Mitgliedsstaaten zunehmend ganz eigene Wirtschaftsinteressen mit der Seidenstraßen-Initiative verbinden.

Viele Projekte, die im Rahmen der neuen Seidenstraße angedacht sind, benötigen spezifisches technisches Know-how, welches in dieser Form nur europäische Unternehmen mitbringen. Man denke zum Beispiel an die ambitionierten Pläne für die Erneuerung und Integration der zentralasiatischen Energienetze. Auch können europäische Unternehmen einen Beitrag zum Controlling einzelner Projekte leisten. Zudem profitiert Deutschlands Automobilindustrie bereits heute massiv von den neuen Güterzugverbindungen, die im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative in den letzten drei Jahren in Eurasien aus der Taufe gehoben wurden.

Letztlich ist Peking aber vor allen Dingen an einer politischen Anerkennung und Unterstützung der Initiative durch Europa interessiert. Deshalb wird Peking in Zukunft die Unterstützung der Seidenstraßen-Initiative sicherlich auch immer wieder zur Bedingung für die Anerkennung europäischer Interessen machen. Sicher werden wir das schon beim EU-China-Gipfel diese Woche sehen.

China Seidenstraßen-Gipfel Putin
Chinas Seidenstraßeninitiative begegnet die EU mit "konstruktiver Skepsis"Bild: picture-alliance/dpa/S. Guneev

In den "Elementen für eine neue China-Strategie der EU" der EU-Kommission vom Juni 2016 heißt es: "Ein umfassendes Investitionsabkommen ist die unmittelbare Priorität der EU mit Blick auf die Vertiefung und Neuausrichtung unserer Beziehungen mit China." Wie ist der Stand beim angestrebten Investitionsabkommen zwischen China und der EU? Die europäischen Firmen haben sich davon ja viel versprochen, damit es endlich zu dem oft geforderten "fairen Marktzugang" für EU-Firmen in China kommt. Sind da Fortschritte zu erwarten?

Mittlerweile haben zu diesem Thema bereits 13 Verhandlungsrunden zwischen der EU und China stattgefunden, die letzte davon Mitte Mai in Peking. Trotz der verbesserten politischen Großwetterlage konnten aber keine wesentlichen Fortschritte erzielt werden. Aus europäischer Sicht hat sich die chinesische Seite bei zentralen Streitthemen immer noch nicht genug bewegt. So hatte die EU-Kommissarin für Handel, Cecilia Malmström, zuletzt noch einmal in Peking angemahnt, dass die Kommunistische Partei ihre Einflussnahme auf die Wirtschaft weiter verringern muss, um echten Wettbewerb in China zu ermöglichen. Auch kritisierte sie, dass europäische Firmen in China immer wieder mit obskuren Regeln und Auflagen sowie fragwürdigen Betriebsinspektion und Buchprüfungen konfrontiert seien. Etlichen europäischen Unternehmen hat Malmström damit zweifelsohne aus der Seele gesprochen.

Von dem EU-China-Gipfel diese Woche können neue Impulse für die Verhandlungen über das Investitionsabkommen ausgehen, wenn sich Peking tatsächlich an seinen jüngsten Bekenntnissen zu freien Märkten messen lassen will. Tatsächlich gab es ja zuletzt auch immer wieder Signale aus Peking, dass bestimmte Märkte weiter für ausländische Investoren geöffnet werden. Hier müssen Taten folgen.

Bei den Beziehungen EU-China standen seit Mitte vergangenen Jahres der Streit um Stahl-Dumping und Chinas Verlangen, den Status als Marktwirtschaft gewährt zu bekommen, im Fokus. Hat sich dieses Thema jetzt etwas entspannt?

Es ist ja nicht so, dass die EU China den Marktwirtschaftsstatus gewährt hätte. Vielmehr hat sich Europa von dieser Debatte zu einem gewissen Grad emanzipiert. Der Europäische Rat hat sich gerade auf eine umfassende Modernisierung der Handelsschutz-Instrumente der Union geeinigt. Diese sieht unter anderem vor, dass die EU in Zukunft nicht mehr zwischen Marktwirtschaften und Nicht-Marktwirtschaft unterscheiden wird. Vielmehr will die EU in Zukunft ermitteln, ob Marktverzerrungen in Drittländern, wie etwa China, bestehen - und dann entsprechende Schutzzölle verhängen.

Für China ist das unbefriedigend. Peking besteht weiterhin auf der formalen Anerkennung als Marktwirtschaft und verknüpft das Thema zum Beispiel auch mit einer Lockerung der geplanten E-Automobilitätsquoten, die vor allem deutsche Hersteller hart treffen würden. Es ist auch noch nicht klar, ob die Neuregelung der EU Handelsschutz-Instrumente im Einklang mit WTO-Recht ist.

Die EU sieht sich nicht nur als Wirtschaftsblock, sondern auch als Wertegemeinschaft. Inwiefern hat die EU überhaupt Möglichkeiten, um auf Gebieten wie Außen- und Sicherheitspolitik (Territorialkonflikt im Südchinesischen Meer) und Bürgerrechte (Zensur, Repression gegen Regierungskritiker) ihre Vorstellungen gegenüber Peking anzubringen? Alleine auf dem Gebiet der Handelspolitik ist das ja schon schwer genug.

Der europäische Handlungsspielraum in diesen Bereichen ist in den vergangenen Jahren tatsächlich deutlich kleiner geworden, zuletzt auch, weil die USA als verlässlicher Verbündeter bei Fragen wertebasierter Außenpolitik flatterhaft und die EU mit ihren eigenen Krisen beschäftigt war. Zudem hat es Peking zuletzt sehr geschickt vermocht, EU-Einigkeit zu so zentralen Fragen wie den territorialen Streitigkeiten im Südchinesischen Meer zu untergraben. Hier zeichnen sich bereits die ersten politischen Folgen der Zunahme chinesischer Investitionen gerade in Zentral- und Südeuropa ab.

Europa ist deshalb derzeit sicherlich weniger in einer Position, in der man darüber sinnieren sollte, wie man am effektivsten Chinas Politik beeinflussen kann. Vielmehr sollte Europa darüber nachdenken, wie es China in der Verfolgung europäischer Interessen in anderen wichtigen Themenfeldern einbinden kann. Ich denke zum Beispiel an die Erhaltung des Pariser Klima-Abkommens, die Stärkung der internationalen Handelsordnung oder Verhandlungen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm.

Jan Gaspers ist Leiter der European-China Policy Unit am Berliner China-Forschungsinstitut MERICS.

Das Gespräch führte Hans Spross.