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Mehr Druck auf Assad?

Peter Philipp2. Januar 2006

UN-Ermittler, die den Mord am libanesischen Präsidenten Hariri untersuchen, wollen jetzt auch den syrischen Präsidenten Assad befragen. Seine Rolle muss neu überdacht werden, meint Peter Philipp.

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Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Politische Kreise in der syrischen Hauptstadt haben bisher nur zögerlich mit der UN-Untersuchungskommission zusammen gearbeitet, die die Hintergründe des Mordens am ehemaligen libanesischen Regierungschef Rafik Hariri aufdecken will. Damaskus wies alle Vorwürfe des Auslandes von sich, in den Mord verwickelt zu sein. Nun aber will das UNO-Team sogar Staatspräsident Baschar al-Assad vernehmen, nachdem neue Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden.

Diese Vorwürfe kommen nicht von irgend jemandem, sondern vom bisherigen syrischen Vizepräsidenten Abdel-Halim Khaddam: Der langjährige Vizepräsident erklärte in Paris - wohin er sich aus Sicherheitsgründen zurückgezogen hat - dass die Spuren des Hariri-Mordes ins Zentrum der syrischen Macht führten.

Präsident Assad habe im Sommer 2004 gedroht, er werde "jeden zerstören", der sich seinen Entscheidungen widersetze. Assad hatte sich zuvor mit Hariri getroffen, um gegen dessen Widerstand die Verlängerung der Amtszeit des Syrien treuen libanesischen Staatspräsidenten Emile Lahoud durchzusetzen. Hariri war dagegen, trat wenig später zurück und wurde einige Monate später Opfer eines bisher immer noch nicht voll aufgeklärten Mordanschlages in Beirut.

Khaddams Vorwürfe sind geeignet, das bisherige Bild des syrischen Staatspräsidenten gründlich zu revidieren: Als dieser im Jahr 2000 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters Hafez antrat, bescheinigten ihm alle, ein junger Reformer zu sein, der nur durch die "Betonköpfe" des alten Regimes gestoppt werde.

Zu diesen gehörte auch Khaddam. Mit der Zeit aber schien immer deutlicher zu werden, dass Assad gar nicht unter dem vermuteten Druck handelte, sondern durchaus aus eigenem Antrieb. Reibereien mit Khaddam waren die Folge - und der wurde weitgehend kalt gestellt, bis Mitte des Jahres beim Parteitag der "Baath" sein Rücktritt angekündigt wurde.

Den Rücktritt hat Khaddam erst jetzt in Paris bestätigt. Dafür hat die Partei ihn inzwischen wegen seiner Vorwürfe gegenüber Assad ausgeschlossen, und es soll ihm der Prozess wegen Hochverrats gemacht werden. Eine Rückkehr nach Damaskus ist deswegen unwahrscheinlich: Khaddam wird das Schicksal des Onkels von Assad teilen, der schon lange im Pariser Exil lebt. Und ihm wird das Schicksal von Innenminister Ghazi Kanaan erspart bleiben: Der ehemalige Libanon-Beauftragte Syriens nahm sich vor einigen Monaten
aus bisher ungeklärten Gründen das Leben.

Selbst wenn persönliche Motive bei den Anschuldigungen Khaddams nicht auszuschließen sind: Sie können nicht alleiniger Grund sein. So hätte der Sunnit Khaddam zum Beispiel kaum eine Chance gehabt, die Nachfolge des Alawiten-Präsidenten Assad anzutreten, wie diesem jetzt unterstellt wird. Bereicherung und Korruption reichen wohl auch kaum aus für den Austritt und Ausschluss aus der "ehrenwerten Gesellschaft" der syrischen Führung.

Die Rolle des syrischen Präsidenten wird neu überdacht werden müssen. Das kann unter den gegeben Umständen nur heißen: Assad wird unter neuen und stärkeren internationalen Druck geraten. Er hatte sich den Jahresbeginn sicher anders vorgestellt.