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Mehr als nur eine Fußfessel

29. August 2011

Ehemalige Straftäter mit einer elektronischen Fußfessel sollen ab 2012 durch ein gemeinsames Technikzentrum der Bundesländer überwacht werden. Dazu wurde ein entsprechender Staatsvertrag unterzeichnet.

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Der Darmstädter Bewährungshelfer Hans-Dieter Amthor demonstriert am Rande einer Pressekonferenz im Landtag in Wiesbaden den Einsatz einer elektronische Fußfessel (Foto: Arne Dedert dpa/lhe)
Die Fußfessel ist so groß wie eine Sport-ArmbanduhrBild: picture-alliance/dpa

Die Bundesländer Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen unterzeichneten an diesem Montag (29.08.2011) den Staatsvertrag in Wiesbaden zuerst. Die anderen Länder werden später beitreten. Das Technikzentrum soll Anfang 2012 in Bad Vilbel bei Frankfurt die Arbeit aufnehmen: Es kann dann mehrere hundert ehemalige Straftäter mit elektronischer Fußfessel kontrollieren.

Viele Aufgaben

Mann mit elektronischer Fußfessel (Foto: dpa)
Die Zentrale wird alle Daten aus dem Bundesgebiet auswertenBild: picture-alliance/dpa

Elektronische Fußfesseln erfüllen viele Funktionen: Sie können mutmaßliche Straftäter, die noch auf ihren Prozess warten, vor einer langen Untersuchungshaft bewahren. Und sie können den Behörden bei der Wiedereingliederung von bereits verurteilten Straftätern in die Gesellschaft helfen. "Oft ist derjenige, der ins Gefängnis müsste, ja auch der Ernährer der Familie. Da hängt dann der gesamte soziale Status der Familie mit dran. Schlimmstenfalls driftet die ganze Familie in die Sozialhilfe ab – das kann man vermeiden", gibt Götz Stamm zu bedenken. Er berät Behörden und Regierungen als Vertreter der Firma 3M/Elmotech, den Weltmarktführer für derartige Überwachungssysteme.

Wenn Straftäter zum Beispiel außerhalb des Gefängnisses einer Arbeit nachgehen dürfen, können solche Systeme überwachen, wann sie sich wo aufhalten. Die eigentliche Fußfessel ist ein wasserdicht verkapselter Sender, der mit einem Band am Fußgelenk befestigt wird. Im Haus des Probanden wird ein Receiver installiert, der eine bestimmte Reichweite hat und die Signale von der Fußfessel empfängt. "Das geschieht in Absprache mit einem bestimmten Zeitplan, oder Auflagen, an die sich der Proband halten muß", erklärt Katrin Hemsing von Elmotech, die an der Einführung der elektronischen Fußfessel in Hessen beteiligt war.

Alle Informationen laufen zentral zusammen

Das Alkoholtestgerät MEMS3000 der Firma 3M/Elmotech. Das Alkoholtestgerät verfügt über eine Gesichtserkennung und wird zusammen mit der elektronischen Fußfessel zur Überwachung von Bewährungsauflagen verurteilter Straftäter eingesetzt. (Foto: 3M / Elmotech) ***ACHTUNG: Das Bild darf nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung über dieses Produkt verwendet werden.***
Der Alkoholtester prüft, ob die Verurteilten trinkenBild: 3M/Elmotech

Der Receiver übermittelt die Daten an einen zentralen Server. Aber nicht nur Hausarrest kann so überwacht werden. Es kann nämlich auch sein, dass der Überwachte gar nicht zu Hause sein darf. Falls der Verurteilte zu einem Arzttermin oder einer Therapie muss und trotzdem zu Hause bleibt, schickt das System eine Alarm-Meldung an die Überwachungszentrale.

Die Fußfessel lässt sich zudem mit einem zweiten Apparat so erweitern, dass der Verurteilte auch außerhalb des Hauses überwacht werden kann. Dann übernimmt die Fußfessel per Navigationssystem GPS die Ortung und überträgt die Daten per Mobilfunk an die Zentrale. Hier kann das System dem Täter auch Grenzen setzen. Das kommt zum Beispiel dann zum Einsatz, wenn ein Gericht einem verurteilten Gewalttäter verbietet, sich seiner Ex-Frau zu nähern.

Die Behörden definieren dann bestimmte Ausschlusszonen, wie das Haus der Ex-Frau, den Kindergarten der Tochter oder die Arbeitsstätte der Frau. "Der Aggressor weiß auch: Er darf sich diesen Ausschlusszonen nicht nähern," betont Hemsing. Falls er es trotzdem tut, schlägt das System Alarm. Und das bekommen nicht nur die Behörden mit, sondern auch der Träger selbst: Ein Vibrationsalarm in der Fußfessel teilt ihm unmissverständlich mit, dass er seine Grenzen gerade überschreitet. "Und die Frau kriegt diesen Alarm auch mitgeteilt", betont die Spezialistin, "entweder per Textnachricht, oder als Piepen an ihrem Gerät, oder als Vibration".

Biometrische Erkennung

Und weil bei häuslichen Gewalttaten oft Alkohol im Spiel ist, kann der Richter dem Täter auch das Trinken verbieten. Dann kommt ein Alkohol-Testgerät zum Einsatz. Genauso wie der Fußfessel-Receiver wird es zu Hause installiert. Der Täter muss dann entweder zu festgelegten Zeitpunkten oder nach dem Zufallsprinzip in einen Strohhalm blasen. Dabei muss er gar nicht völlig abstinent sein, denn das Gerät kann unterschiedlich eingestellt werden, "je nachdem wie sein Alkohol-Level festgelegt wurde – das kann 0,00 Promille sein, oder auch die Auflage, dass er ein Bier pro Tag trinken darf", erklärt Hemsing.

Screenshot der Gesichtserkennungs-Software für das Alkoholtestgerät MEMS3000 der Firma 3M/Elmotech. Die Software gleicht das Foto dessen, der den Alkoholtest durchführt mit einem hinterlegten Foto ab. Sollten die biometrischen Daten nicht übereinstimmen, löst das System Alarm aus. Das Alkoholtestgerät wird zusammen mit der elektronischen Fußfessel zur Überwachung von Bewährungsauflagen verurteilter Straftäter eingesetzt. (Foto: 3M / Elmotech)
Die Gesichtserkennung vergleicht das Foto dessen, der ins Röhrchen bläst mit einem hinterlegten FotoBild: 3M/Elmotech

Falls der Täter versucht, einen nüchternen Bekannten in das Alkoholtestgerät blasen zu lassen, wäre das keine gute Idee. Denn das Gerät lässt sich nicht täuschen. Es ist mit einer Kamera mit Gesichtserkennung ausgestattet.

Und auch Stimmenerkennung kann bei der Überwachung von Verurteilten zum Einsatz kommen. So kann zum Beispiel ein Richter einem Fußball-Hooligan vorschreiben, dass er sich während Fußballspielen zu Hause aufhalten muss. Die Anwesenheitskontrolle erfolgt dann nicht per Fußfessel, sondern der Hooligan wird zu Hause angerufen, von einem Computer. Auch hier gibt es aber keine festgelegten Zeitpunkte für den Anruf. Und der Verurteilte kann auch nicht den Nachbarn vors Telefon setzen, weil seine Stimme eine bestimmte Frequenz hat. Sie ist quasi sein akustischer Fingerabdruck. "Und da nicht immer die gleichen Sätze von dem Probanten abgefragt werden, sondern auch das dem Zufallsprinzip überlassen wird, muss der Täter also vor Ort sein", erklärt die Systembetreuerin.

Flucht bleibt möglich

Fußfessel mit Empfangsgerät (Foto: dpa)
Fußfessel mit EmpfangsgerätBild: dpa

Elektronische Überwachungssysteme haben allerdings nur dann einen Sinn, wenn die Verurteilten mit den Behörden kooperieren, gibt Götz Stamm zu bedenken. Denn die Fußfesseln lassen sich ganz einfach mit einer handelsüblichen Kabelschere durchschneiden. Deshalb können sie Straftaten auch nicht verhindern.

Aber falls der Träger die Fußfessel abnimmt, schlägt das System sofort Alarm und die Polizei kann sehr schnell reagieren. Für Bewährungshelfer und Polizisten gibt es spezielle GSM-Empfänger, mit denen sie auch unterwegs stets über die Bewegungen ihrer Schützlinge informiert sind.

Und sollte sich ein Täter dabei erwischen lassen, die Überwachungssysteme zu manipulieren, hätte das dann wohl ein Ende der begrenzten Freiheit zur Folge – und es ginge auf direktem Weg zurück ins Gefängnis.

Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Andreas Ziemons