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Mehr als ein Cowboy

Daryl Lindsey / (kf)7. November 2002

Bei den amerikanischen Kongresswahlen haben die Republikaner gewonnen. Welche Auswirkungen hat dies auf die transatlantischen Beziehungen? DW-WORLD sprach darüber mit mehreren Experten.

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Zeigt er jetzt sein wahres Gesicht?Bild: AP

In den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit sahen viele Europäer in George W. Bush nur einen waffenvernarrten texanischen Hardliner ohne politisches Konzept. Bei den amerikanischen Kongresswahlen am vergangenen Dienstag konnten aber Bushs Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses erringen. Ganz ohne Konzept scheint dies schwerlich vorstellbar. Ist also die Zeit gekommen, die alten Klischees zu überdenken? Einige politische Beobachter sagen: ja. "Bush wird in Europa oft als ein Cowboy dargestellt, dem der Finger locker am Abzug sitzt", beschreibt zum Beispiel Christian Hacke, Politikprofessor an der Universität Bonn, ein Klischee über den Präsidenten. Er fügt freilich hinzu: "Dieses Bild ist so aber nicht richtig."

"Europäer, die ihre Probleme mit Bush haben, werden das wohl auch weiterhin so halten, aber seine Präsidentschaft wird nicht mehr als Unfall der Geschichte gesehen", sagt Jackson Janes, Direktor am American Institute for Contemporary German Studies in Washington. "Die Europäer müssen nun beginnen, mit Amerika zusammenzuarbeiten. Sie müssen lernen, mit Bush auszukommen, so wie es Tony Blair getan hat."

Nur kosmetische Veränderungen

Janes und andere Experten halten es noch für zu früh, um zu erkennen, ob die Verschiebung der Machtverhältnisse nach den Wahlen auch zu Änderungen im transatlantischen Verhältnis führen werden. Doch viele glauben, dass solche Veränderungen nur minimal ausfallen werden.

So ist Bushs Sieg nur hauchdünn – nicht genug, um "alles blindlings nieder zu reiten", so Janes. Der republikanische Sieg werde wahrscheinlich auch keine Auswirkungen auf Bushs Irakpolitik haben. Schließlich hätten im Kongress Demokraten und Republikaner gemeinsam dem Präsidenten die politische Vollmacht verliehen, militärisch gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein vorzugehen.

Immerhin könnte die Machtverschiebung im Kongress den Ton der Irakdebatte ändern, die seit Monaten zu Spannungen zwischen Brüssel, Washington und den europäischen Hauptstädten führt.

Transatlantische Kluft

"Der Erfolg der Republikaner stärkt den konservativen Flügel der Bush-Regierung und könnte denjenigen helfen, die auf jeden Fall gegen den Irak losschlagen wollen", meint Thomas Risse, Direktor des Zentrums für transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik an der Freien Universität in Berlin. "Sie spekulieren wahrscheinlich damit, dass der Widerstand, den es im Kongress noch gab, jetzt stark geschwächt ist."

Der neue Kongress könnte die Kluft zwischen den USA und Europa auch in anderen Bereichen vertiefen, vor allem in der Menschenrechts- und Umweltpolitik, so Risse. Viele europäischen Politiker seien immer noch verärgert, dass Bush den Internationalen Gerichtshof ablehnt und das Kyoto-Protokol nicht anerkennen will.

Kriegsverzicht durch politische Sicherheit

Europäische politische Beobachter bewerten den republikanischen Sieg jedoch optimistisch. "Die erste Reaktion in Brüssel war: Werden sie jetzt gleich gegen den Irak losschlagen?", erzählt Heather Grabbe, Research Director im Londoner Center for European Reform. "Aber wenn man sorgfältiger nachdenkt, dann muss sich Bush jetzt nicht mehr so sehr beweisen. Mit den neuen Machtverhältnissen im Rücken kann er es sich leisten, über Abrüstung sprechen und nicht über Regimewechsel."

Die Demokraten würden nun wahrscheinlich ihre Oppositionsrolle stärker wahrnehmen und dabei eine starke innenpolitische Linie verfolgen. Daher werde sich Bush außenpolitisch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen können, glaubt Grabbe.