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Medienfreiheit auf Ukrainisch

Christiane Hoffmann, Kiew15. Dezember 2004

Nach den Demonstrationen in der Ukraine erlauben sich auch die Journalisten mehr. Sie kämpfen gegen die Zensur. Erste Formen von ausgewogener Berichterstattung werden sichtbar. Ihre Chancen sind indes noch unklar.

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Seit neuestem gelegentlich unabhängig: Medien in der UkraineBild: AP

Ein Journalist des Privatfernseh-Senders "1+1" sagt seinen Zuschauern, "wir garantieren, dass in Zukunft unsere Informationen nach den journalistischen Standards gesendet werden." Die Demonstranten in Orange waren schon einige Tage auf den Straßen, da trauten sich auch die Journalisten gegen Zensur im Programm aufzubegehren. Vor allem gegen schriftliche Anweisungen der Regierung von Premier Viktor Janukowitsch, wie bestimmte Themen behandelt werden sollten.

So wie "1+1" haben auch der staatliche Fernsehsender UT1 und die privaten Kanäle "Inter" und "ICTV", die Oligarchen und Verwandten des scheidenden Präsidenten Leonid Kutschma gehören, begonnen, eher ausgeglichene Nachrichten zu senden. Politische Hintergrundprogramme wurden dafür umso tendenziöser.

Wende vor den Wahlen

Fernsehen total
Viele Sender, wenige Meinungen: Fernsehen auf ukrainischBild: Illuscope

Die ersten ausgewogenen Sendungen wurden bei den TV-Kanälen kurz vor dem zweiten Wahlgang Ende November gezeigt. Im Wahlkampf selbst waren nicht nur bei TV-Sendern, sondern auch in Zeitungen Kampagnen gegen Oppositionsführer Juschtschenko lanciert worden. Darin wurde er immer wieder als Faschist bezeichnet, der das Land spalten wolle. Über Premier Janukowitsch wurde zweimal häufiger und überwiegend positiv berichtet, berichtet die Medienwissenschaftlerin Natalja Ligatschowa.

"Ich denke, die Situation ist jetzt besser. Dank des öffentlichen Protestes können die Journalisten jetzt mehr Einfluss auf die Redaktionspolitik der Sender nehmen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Manipulationen weniger offensichtlich werden und sie jetzt an neuen Technologien arbeiten." Eine plötzlich objektive Berichterstattung könne es nicht geben, meint Ligatschowa.

Es ist Revolution und manche kriegen nichts mit

Vor allem in den Regionen im Osten des Landes, wo die Oligarchen des Kutschma- und des Janukowitsch-Clans herrschen, sind so gut wie keine unmanipulierten Informationen zu bekommen. Und die Situation ändert sich nur sehr langsam. Rund um die Millionenstädte Charkow und Donezk können die Menschen nur staatliche Sender oder die der Oligarchen sowie einige regionale Kanäle empfangen.

Wahlen in der Ukraine: Anhänger von Julia Tymoshenko
Mobilisiert wurden viele Demonstranten durch den "Fünften Kanal"Bild: AP

Der einzige Kanal, der bis zur Wahl für die Opposition, aber auch recht ausgewogen über die andere Seite berichtete, ist der "Fünfte Kanal". Er gehört Petro Poroschenko, einem Parlaments-Abgeordneten im Juschtschenko-Block. Während des Wahlkampfes und der Demonstrationen berichtete der "Fünfte Kanal" rund um die Uhr über die Ereignisse und wurde so zum Sprachrohr der "orangenen Bewegung". Natalja Ligatschowa hält den Sender für den besten der Ukraine. "Sie haben die verschiedensten Menschen mit unterschiedlichen Berufen und Ansichten zu Wort kommen lassen."

Neuordnung

In Medienkreisen kursieren derzeit Gerüchte, die Opposition wolle die Medienlandschaft unter einem Präsidenten Juschtschenko neu ordnen. Denn Sende-Lizenzen können in der Ukraine schnell genommen werden. Und auch in der ukrainischen Medienbranche lässt sich viel Geld verdienen.

So ist Moderatorin Ludmila Dobrowolskaja skeptisch, dass die neue Medienfreiheit von Dauer sein wird und auch, ob sich dann die Journalisten stark machen würden, um gemeinsam gegen Zensur anzugehen. Denn unabhängige journalistische Berichterstattung hat in der Ukraine keine Tradition. Die meisten Journalisten arrangierten sich mit den Mächtigen, so Ludmila Dobrowolskaja: " 'Wenn du nicht so und so arbeitest, dann werden auch deine Freunde ohne Arbeit sein.' Sie schließen einfach den Sender und es werden nicht nur die Journalisten arbeitslos, sondern auch 700 andere Leute."