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Medien in der GUS: Kritik unerwünscht

1. Dezember 2005

Der Zugang zu unabhängigen Informationen wird immer stärker kontrolliert. In Russland wurde eine TV-Moderatorin an ihrer Arbeit gehindert; autoritär regierte Staaten schränken den Zugang zum Internet systematisch ein.

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Vor allem das Internet steht im Visier der GeheimdiensteBild: DW

Die russische Journalistin Olga Romanowa darf beim Sender REN-TV, an dem die RTL-Group beteiligt ist, nicht mehr moderieren. Der Grund soll die in ihren Reportagen zum Ausdruck gebrachte Kritik an der Staatsmacht sein.

Am 23. November hatte Olga Romanowa in einem Interview für den Radiosender Echo Moskwy erklärt, REN-TV habe auf Anweisung des Generaldirektors des Senders, Aleksandr Ordschonikidse, am 22. November zwei Reportagen von ihr aus dem Programm genommen, die der Staatsmacht missfallen könnten. Die Journalistin erläuterte gegenüber der Deutschen Welle den Inhalt der Reportagen. Eine berichtet über die Einstellung eines Strafverfahrens gegen den Sohn von Verteidigungsminister Igor Iwanow, der mit seinem Auto eine Frau tödlich verletzt hatte. In der anderen Reportage wird darüber berichtet, dass der Bildhauer Surab Zereteli mit Billigung des Moskauer Oberbürgermeisters Jurij Luschkow auf dem Manegeplatz der russischen Hauptstadt mit Steuergeldern eine Kristall-Kapelle errichten möchte, die 15 Millionen Dollar kostet. Am 23. November wurde die Reportage über Zereteli auf persönliche Anweisung von Romanowa noch gesendet. Aber schon am Abend des 24. November war Romanowa in der Nachrichtensendung nicht mehr zu sehen. Sie wurde auf Befehl des Generaldirektors des Senders von drei bewaffneten Sicherheitskräften nicht mehr ins Studio gelassen.

REN-TV will angeblich bessere Quoten

Der Deutschen Welle sagte Romanowa auf die Frage, ob sie das Vorgehen gegen sie auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit zurückführe, folgendes: „Daran habe ich keine Zweifel. Das ist so.“ Der Generaldirektor von REN-TV, Ordschonikidse, sagte, alles, was geschehen sei, seien Arbeitsabläufe. Der Sender wolle nur neue Moderatoren ausprobieren, um die Quoten zu verbessern. Das sieht die Leiterin der Nachrichtenredaktion von REN-TV, Jelena Fjodorowa, anders. Sie erfuhr erst nach ihrer Rückkehr von einer Dienstreise von den Ereignissen und sagte der Deutschen Welle, die Quoten der Nachrichtensendungen hätten für den Sender nie eine entscheidende Bedeutung gehabt. Um neue Moderatoren auszuprobieren, wäre Romanowa kein Hindernis gewesen. Fjodorowa sagte: „Ich werde alles tun, damit Olga Romanow zurückkommt, weil die Zuschauer das Produkt bekommen sollen, das wir für sie ins Programm genommen haben. Das soll genau dieses Produkt sein und kein Ersatz. Im schlimmsten Fall bedeutet dies nicht nur den Verlust von Romanowa als Moderatorin, sondern auch den Verlust der Sendung, was meiner Meinung nach einfach dumm ist.“

Kein Kommentar aus Luxemburg

Anteile an REN-TV hält auch die RTL-Gruppe. Andrew Buckhurst von RTL-Group in Luxemburg wollte sich zu dieser Angelegenheit nicht weiter äußern: „Als Aktionäre geben wir keinen Kommentar zum internen Konflikt zwischen der Führung des Senders und Frau Romanowa ab. Wir verfolgen die Situation aufmerksam, aber zum jetzigen Zeitpunkt können wir dazu nicht Stellung nehmen.“

Journalistenverband spricht von Säuberung

Die Nachricht, dass Romanowa bei REN-TV nicht ins Studio gelassen wurde, erstaunt den Generalsekretär des russischen Journalistenverbandes, Igor Jakowenko, nicht. Er sagte dazu: „Das war die einzige Quelle alternativer Informationen. Das war die letzte Informationsquelle, die nicht mit der allgemeinen Sichtweise übereinstimmte. Das bedeutet, dass die Informations-Säuberung, die mit der Zerschlagung von NTW begann, nun abgeschlossen ist.“

Geschichte wiederholt sich

Im Januar 1991 hatte sich die russische Nachrichtensprecherin Tatjana Mitkowa geweigert, einen ihr von der Führung des staatlichen Fernsehsenders Ostankino vorgelegten Kommentar zu den Ereignissen in Vilnius vom 13. Januar zu verlesen, was sie ihren Arbeitsplatz gekostet hatte. Damals hatten Litauer ihr Parlament sowie ihren Rundfunk gegen sowjetische Truppen verteidigt. Der Fall Mitkowa war ein wichtiges Ereignis für den Beginn eines unabhängigen Fernsehens in Russland. Der Fall Romanowa könnte hingegen das Ende einer Ära kritischer Berichterstattung in Russland bedeuten.

Oksana Jewdokimowa, Moskau

DW-RADIO/Russisch, 25.11.2005, Fokus Ost-Südost