1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kriegsgräber sind Teil unserer Geschichte

Volker Wagener15. Juni 2016

Der Name klingt wie aus der Zeit gefallen: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Doch der Verein hat gesellschaftliche Relevanz, so Präsident Markus Meckel im DW-Interview. Dafür erhält er nun den Nationalpreis.

https://p.dw.com/p/1J6Qk
Soldatenfriedhof Halbe Brandenburg
Bild: DW/Emma Wallis

DW: Herr Meckel, das Ende des Zweiten Weltkrieges ist mehr als 70 Jahre her, das des Ersten sogar schon über 100 . Wer weint noch um die Toten?

Markus Meckel: Es sind immer weniger, die um die Toten weinen, aber diese Kriege haben das 20. Jahrhundert geprägt und insofern ist damit genau unsere Aufgabe beschrieben. Mit diesem Weggehen der Erlebnisgeneration müssen wir die authentischen Orte, die Kriegsgräberstätten, umwandeln zu Orten des öffentlichen Gedenkens und der Jugend- und Bildungsarbeit. Das ist die Herausforderung, vor der wir heute stehen, denn ähnlich wie in anderen Nationen gehört dies zu einem Teil unserer Geschichte. Wir als Deutsche, die wir im 20. Jahrhundert soviel an Furchtbarem über unsere Nachbarn gebracht haben, sind für unsere Gedenkkultur in besonderer Weise gefordert.

Trotzdem, der Volksbund verändert sich gerade. Selbst die Kinder der toten Soldaten sind längst alte Menschen. Wie lange macht Grabpflege Sinn?

Dieses ist nichts spezifisch Deutsches, damit sind wir überall konfrontiert und auch andere Nationen. Die Frage nach der Rolle der Kriegsgräber hat eine rechtliche Dimension und eine gesellschaftlich-politische. Die rechtliche Situation ist die, dass es seit dem Ende des Ersten Weltkrieges, seit dem Versailler Vertrag, internationales Recht ist, dass Kriegsgräberstätten dauerhaft anzulegen sind. Das heißt, anders als im persönlich-individuellen, wo es eine bestimmte Laufzeit gibt, geht es hier um ein öffentliches Gedenken. Deshalb sind Kriegsgräber dauerhaft anzulegen, und unsere Aufgabe ist es, völkerrechtlich und auch durch bilaterale Verträge abgedeckt, eine zeitlich nicht begrenzte Pflege zu gewährleisten.

Aber: Wir sind in einer Umbruchsituation, in der immer weniger Menschen trauern. Wir müssen also eine Gedenkkultur entwickeln und die Kriegsgräberstätten entsprechend gestalten. Auch müssen wir sie mit mehr Information versehen. Wir müssen mit einer Dokumentation auch deutlicher sagen, wer dort liegt, damit wir sie wieder in die Mitte der Gesellschaft holen können. Eine nächste Generation wird die Bereitschaft zur Pflege nur aufbringen, wenn sie ihr auch Relevanz gibt.

Was nur Wenige wissen: Der Volksbund ist mit weit über 100.000 Mitgliedern und einem Jahresetat von über 40 Millionen Euro ein Großverein. Erreicht eine solche Großorganisation auch Jüngere?

Wir machen seit 60 Jahren Jugendarbeit in ganz Europa. Die hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. Wir haben jedes Jahr in unserer Arbeit an den Schulen und in der internationalen Begegnungsarbeit etwa 20.000 Jugendliche, die wir erreichen. Wir haben fünf Jugendbegegnungsstätten, die das ganze Jahr über arbeiten. In Belgien, den Niederlanden, in Frankreich, an der Grenze zu Polen und auch in Deutschland selbst, wo Schulklassen hinkommen, wo Bildungsarbeit mit der Bundeswehr gemacht wird und anderes mehr. Wir wollen jetzt versuchen, auch noch stärker auf die mittlere Generation zuzugehen und damit unsere Bildungsangebote zu profilieren.

Es ist bestimmt nicht einfach, um gefallende deutsche Soldaten zu trauern, die beteiligt waren an einem verbrecherischen, rassistisch motivierten Krieg. Wie diskutiert man darüber im Volksbund?

Das ist ein zentraler Punkt. Wir sind dabei, ein Leitbild zu entwickeln. Wir diskutieren darüber, wie wir eine Sprache finden, die solches Gedenken differenziert formuliert. Einerseits muss dabei das zum Ausdruck kommen, was an Furchtbarem durch uns Deutsche an Anderen geschehen ist. Und das darf nicht relativiert werden. Zum anderen aber wollen wir doch deutlich machen, nicht nur historisch, sondern auch national, dass es sich um unsere Väter handelt. Das hat auch immer etwas mit Familiengeschichte zu tun und geht tief in die Gesellschaft und in die Familien hinein. Hier eine Sprache von Beteiligung zu finden und gleichzeitig die Bewertung nicht außen vor zu lassen, das ist die große Herausforderung, die auch noch nicht wirklich bewältigt ist.

Das Leitbild des Volksbundes ist umstritten. So sehr, dass sich sogar Bundeswehr-Reservisten, die traditionell für den Volksbund Geld sammeln, letztes Jahr verweigert hatten.

Es hat mich wirklich erstaunt, dass eine Debatte, die in Deutschland natürlich über die letzten 50 Jahre intensiv und zum Teil auch sehr strittig war, hier noch einmal aufkommt. Ich denke zum Beispiel auch an die Wehrmachtsausstellung vor 20 Jahren, in der das Bild der Wehrmacht sich auch in der Öffentlichkeit noch einmal verändert hat, was in der Wissenschaft schon längst klar war. Ich war erstaunt, dass solche Fragen der Bewertung des Zweiten Weltkrieges noch eine Rolle spielen im Volksbund. Denn in der Politik und über alle Parteigrenzen hinweg gibt es doch längst einen eindeutigen Konsens.

Markus Meckel (SPD), war nach der ersten freien Wahl Außenminister der DDR und ist heute Präsident des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge.

Das Interview führte Volker Wagener