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Massive Kritik am US-Justizsystem

25. November 2014

Nach dem Anklage-Verzicht wegen der tödlichen Schüsse auf Michael Brown hat Bürgerrechtler Al Sharpton die systematische Benachteiligung von Afroamerikanern angeprangert. Ferguson wappnet sich gegen weitere Krawalle.

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Al Sharpton, Pressekonferenz in Ferguson (Foto: AFP)
Bild: Michael B. Thomas/AFP/Getty Images

Die kontroverse Entscheidung, dass ein weißer Polizist wegen der tödlichen Schüsse auf einen schwarzen Jugendlichen nicht vor Gericht gestellt wird, hat generell ein Schlaglicht auf das amerikanische Justizsystem geworfen und eine neue Rassismusdebatte ausgelöst. "Das ist kein Problem von Ferguson", konstatierte der einflussreiche schwarze Bürgerrechtler Al Sharpton (Artikelbild) vor Journalisten in der 20.000 Einwohner-Stadt. "Das ist ein Problem überall im Land."

Landesweiter Protesttag

Sharpton, eine Führungsfigur der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, kündigte einen landesweiten Protesttag am Samstag an. "Wir haben vielleicht die erste Runde verloren, aber der Kampf ist nicht vorbei", machte er deutlich. In St.Louis, Atlanta, Baltimore, Los Angeles und New York gingen wieder tausende Menschen auf die Straße, um gegen den Spruch der Grand Jury und gegen Rassismus zu demonstrieren. Die Proteste blieben friedlich.

Nach rund dreimonatigen Beratungen hatte die Jury aus zwölf Geschworenen - neun Weiße und drei Schwarze - am Montag entschieden, dass die Beweise für eine Anklage gegen den weißen Polizisten Darren Wilson nicht ausreichen. Wilson hatte Anfang August den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown in Ferguson erschossen. Nach seiner Entlastung durch die Jury schlugen friedliche Proteste in Ferguson in der Nacht zum Dienstag in blanke Gewalt um.

New Yorker protestieren gegen Rassismus und das Urteil der Grand Jury (Foto: rtr)
So wie in New York gab es auch in anderen Städten neue friedliche ProtesteBild: Reuters

Im Focus der Kritik: der umstrittene Ankläger

Scharfe Kritik an der Justiz kam auch von den Anwälten der Familie Brown. Sie sprachen von einem "vollkommen unfairen" Verfahren vor der Grand Jury. Das Justizsystem der Vereinigten Staaten sei "kaputt", erklärte Benjamin Crump. Der Anwalt warf der Staatsanwaltschaft vor, voreingenommen gewesen zu sein. Die Dokumente des Verfahrens würden zeigen, dass Wilson bei seiner Aussage vor der Grand Jury gar nicht richtig ins Kreuzverhör genommen worden sei. "Ein Jurastudent aus dem ersten Semester hätte einen besseren Job gemacht."

Anwalt Benjamin Crump (Foto: AP)
Anwalt Crump erhebt schwere Vorwürfe gegen die Justiz und besonders gegen Staatsanwalt McCullochBild: picture-alliance/AP/Jeff Roberson

Im Focus der Kritik steht Staatsanwalt Robert McCulloch, der die Entscheidung der Grand Jury am Montagabend verkündet hatte. Crump beklagte die "symbiotische Beziehung" zwischen McCulloch und der örtlichen Polizei. Der Staatsanwalt stammt aus einer Polizistenfamilie. Laut US-Medien arbeiten sein Bruder, seine Mutter, sein Onkel und sein Cousin für die Polizeibehörde von St. Louis. Sein Vater trug ebenfalls Polizeiuniform und wurde von einem Afroamerikaner im Dienst erschossen, als McCulloch zwölf Jahre alt war. Angesichts dieses Interessenkonflikts hätte ein Sonderstaatsanwalt eingesetzt werden müssen, erklärte Crump.

Fall Brown Thema im US-Senat

Der Fall Michael Brown soll jetzt auch bei einer Anhörung im Senat in Washington zur Sprache kommen. Der demokratische Senator Richard Durbin kündigte an, dass sich der Unterausschuss für Verfassung und Bürgerrechte der Kongresskammer am 9. Dezember mit Ungleichbehandlungen im Justizsystem auf Grundlage der Hautfarbe befassen werde. Die Vorgänge in Ferguson zeigten die Notwendigkeit, "Polizeipraktiken neu zu bewerten und zu reformieren".

US-Präsident Barack Obama verurteilte den Gewaltausbruch in Ferguson. Er habe keinerlei Sympathie für diejenigen, die ihre eigene Gemeinde zerstörten, sagte Obama in Chicago. Gleichzeitig gestand er juristische Ungerechtigkeit gegenüber Minderheiten in den USA ein.

Der Gouverneur des Bundesstaates Missouri, Jay Nixon, beorderte unterdessen weitere Soldaten der Nationalgarde nach Ferguson. Die insgesamt 2200 Mann sollen dafür sorgen, dass die Stadt nicht wieder in schweren Ausschreitungen versinkt. Derzeit herrscht in Ferguson gespannte Ruhe.

se/haz (afp, ape, dpa, rtr)