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Marshall-Plan für den Balkan gefordert

10. April 2008

Die EU-Beitrittsperspektiven des Westbalkans und der Türkei standen im Mittelpunkt einer Konferenz in Brüssel.

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EU zwischen Gemeinschafts- und EinzelinteressenBild: European Communities

Dauerhafte politische Stabilität in Südosteuropa und die ambivalenten Beziehungen zwischen der EU und der Türkei standen im Mittelpunkt einer paneuropäischen Konferenz zum Thema „Erweiterung und Konsolidierung der Europäischen Union“, die von der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Center for European Studies am Dienstag (8.4.) in Brüssel veranstaltet wurde.

Die Suche nach einer Erfolgsformel für die europäische Politik gegenüber dem Westbalkan erinnert den slowenischen Staatssekretär Matjaz Sinkovec an den Einsatz eines GPS-Gerätes. In seiner Eröffnungsrede sagte er, „Man nutzt das GPS, um alle möglichen Wege zu finden und am Ende die beste Richtung zu wählen“. Die größte Erweiterung der EU in ihrer Geschichte, als sich am 1. Januar 2004 gleichzeitig zehn Staaten aus Mittel- und Südosteuropa sowie das Baltikum der Gemeinschaft anschlossen, „hat sich umgehend auf die Fähigkeit der EU zur Aufnahme neuer Mitglieder ausgewirkt. Erforderlich sei eine grundlegende innere Konsolidierung der EU nicht nur im institutionellen und organisatorischen Sinne, sondern auch im Hinblick auf ihre Vorstellungen über neue Erweiterungen.“

Innovative Hilfsmechanismen

Sinkovec zufolge muss die EU an ihrer klaren Haltung festhalten, dass die Länder des Westbalkans alle für den Beitritt erforderlichen Voraussetzungen erfüllen müssen. Diese Bedingungen dürften nicht gelockert werden. Dies bedeute indes nicht, dass sich die Chancen für einen EU-Beitritt der Balkan-Staaten verringerten. Im Gegenteil. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, die Beziehungen zum westlichen Balkan zu verbessern. Es handle sich um eine Region, die große Investitionen brauche. „Wenn wir tatsächlich für die Zukunft dieser Region und für unsere Zukunft sorgen wollen, müssen wir dringend innovative Hilfsmechanismen in Betracht ziehen, einschließlich eines Marshall-Plans für diese Region. Diese Geschichte ist wieder aktuell, nachdem der jugoslawische Marschall Tito diesen Plan nach dem 2. Weltkrieg abgelehnt hat. Ich glaube, dass war ein Fehler, den wir nicht wiederholen sollten“, sagte Sinkovec.

Kroatische Erfahrungen

Der kroatische Außenminister Gordan Jandrokovic sagte, sein Land habe wertvolle Erfahrungen bei der EU-Annäherung gesammelt. Noch vor einem Monat standen die Verhandlungen still, weil Kroatien einseitig eine Öko- und Fischereizone eingeführt hatte trotz der Missbilligung durch die EU-Nachbarn Italien und Slowenien. Nachdem Zagreb die Zone wieder aufgehoben hat, gelte das Land inzwischen als einer der Favoriten für die Aufnahme in die EU. Daher riet der Kroate den Nachbarstaaten, in ihrem Bemühen nicht nachzugeben. „Denn die EU ist das beste Beispiel für globale Gerechtigkeit und Stabilität – in politischem, wirtschaftlichem, sozialem, kommerziellem und technologischem Sinne. Die EU kann größere positive Effekte erzielen, als das irgendein Land im Alleingang könnte“, so der kroatische Außenminister.

Vorteile für Anwärter

In der Konferenz wurde außerdem die Frage erörtert, welchen Vorteil die neuen Mitglieder durch einen EU-Beitritt hätten. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte: „Sie bekommen eine reformierte Wirtschaft und neue Märkte, eine nationale Gesetzgebung, die auf gemeinsamen europäischen Werten und Prinzipien beruht. Die neuen Mitglieder bekommen Sicherheit, Freiheit, Demokratie, die Achtung der grundlegenden Menschenrechte und die Herrschaft des Gesetzes.“

„Länder mit besonderen Eigenheiten“

Interessenkonflikte der EU-Länder sahen die Konferenzteilnehmer vor allem als Problem in den Beziehungen Brüssels zur Türkei. Die westeuropäischen Länder würden dieses Land noch lange eher als Problemfall denn als Partner betrachten, hieß es in Brüssel. Von allen Rednern zu diesem Thema war lediglich der kroatische Minister Jandrokovic eindeutig der Meinung, dass es keine Alternative zur Aufnahme der Türkei in die EU gebe.

Alle übrigen Redner vertraten einmütig den Standpunkt, dass die EU eine alternative Lösung brauche „für Länder mit besonderen Eigenheiten“, zu denen neben der Türkei auch Bosnien-Herzegowina gezählt wurde. Der französische Europa-Abgeordnete Lamassoure sagte: „In dieses Land hat die EU mit gutem Grund viel Geld investiert. Wir wissen aber bis heute nicht, wie viele Bürger von Bosnien und Herzegowina einen einheitlichen Staat wollen, wie viele eine Teilung in zwei oder drei Staaten wollen. Trotzdem müssen wir auch weiterhin helfen. Das heißt aber nicht, dass wir die Arbeit der Politiker in Bosnien-Herzegowina tun müssen.“

Zekerijah Smajic