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"Wir lieben ihn so sehr"

Ludger Schadomsky27. Juni 2013

Südafrikanische Schulklassen, Geschäftsleute und Besucher aus aller Welt, darunter viele Deutsche, strömen zu Mandelas ehemaligem Wohnhaus im Township Soweto. Im Museum bangen sie um das schwer kranke Nationalidol.

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Das 'Madiba House Museum' (Foto: DW/Ludger Schadomsky)
Das "Madiba House Museum"Bild: DW

"25, 26, 27…" So geduldig und leise stehen Schulkinder für gewöhnlich nicht in Reih und Glied, um sich durchzählen zu lassen. Vor allem, wenn sie eigentlich zu Hause die Ferien genießen könnten. Doch dies ist schließlich kein gewöhnlicher Tag in Südafrika: "Tata" oder "Papa", wie die Südafrikaner ihr Idol nennen, liegt schwer krank im Hospital. Gleich mehrere Schulklassen drängen sich in den engen Hof des Hauses 8115 Orlando West in Soweto, dem riesigen Township am Rande Johannesburgs.

"Er ist wie ein Vater für mich"

"Weil Madiba im Krankenhaus liegt, haben wir beschlossen, trotz der Ferien einen Ausflug zu seinem Haus machen", erzählt eine Lehrerin und nennt Mandela respektvoll bei seinem Klan-Namen. Ihre Schüler sind zwischen acht und zehn Jahren alt. "Sie lernen ja viel über ihn in der Schule." Und was genau wissen sie über Mandela? "Er hat uns befreit, und wir wollen ihm heute sagen, dass wir ihn sehr lieb haben", erzählt einer. "Er ist mein Held, denn er hat für unsere Freiheit gekämpft", weiß ein anderer. "Ja, und deshalb ist er wie ein Vater für mich", fügt ein weiterer hinzu. Während die Jungen vorpreschen, kichern die Mädchen schüchtern. "Er ist mein Held und ein Vorbild für jeden", sagt wieder ein anderer. "Ich hoffe, sein Zustand bessert sich."

Dann ruft die Lehrerin zum Aufbruch, Museumsführerin Jane Monakwane wartet schon. Sie ist sichtlich stolz, die Besucher aus aller Welt, darunter heute auch eine große Gruppe Japaner, durch das Museum zu führen. Mehr und mehr Reisebusse halten draußen in der erst kürzlich komplett renovierten Vilakazistraße, in der sich Restaurants und Souvenirshops aneinanderreihen. "Die Menschen kommen her, um Papa die Ehre zu erweisen, solange er noch am Leben ist", sagt Jane. "Die Zahl der Besucher ist deutlich gestiegen, wir haben alle Hände voll zu tun". Besonders sein Bett in dem nachgestellten Schlafzimmer, das für den breitschultrigen ehemaligen Boxer Mandela sehr schmal erscheint, hat es den Touristen angetan.

Schulklassen besuchen das Mandela House Museum. (Foto: Ludger Schadomsky)
Schulklassen besuchen das Mandela House MuseumBild: DW/L. Schadomsky

Rummel um Mandela

Führung im Mandela House Museum (Foto: Ludger Schadomsky)
Ausstellungsraum im Mandela House MuseumBild: DW/L. Schadomsky

Der Rummel heute muss etwa vergleichbar sein mit dem von 1990, als der berühmteste Häftling der Welt aus dem Gefängnis entlassen wurde. Damals kehrte Mandela in sein Wohnhaus zurück - doch er blieb nicht lang, wie Museumsführerin Jane grinsend erklärt. "Ich glaube, nach 27 Jahren im Gefängnis war ihm nicht bewusst, wie berühmt er unterdessen geworden war." Ganze elf Tage blieb Mandela hier, zusammen mit seiner damaligen Frau Winnie. Aber die Schaulustigen und die Journalisten vertrieben ihn schließlich in den vornehmen Stadtteil Houghton. "Und so ist das Haus jetzt ein Museum", erklärt Jane.

Der Australier Brian schaut sich im Ausstellungsraum um. Er weilt gerade zu einer Konferenz in Südafrika und müsste eigentlich Geschäftsgespräche führen. Doch heute ist er lieber hier in Soweto. "Menschen aus der ganzen Welt kommen, um Mandela Respekt zu erweisen, denn er war ein allseits anerkannter Friedenskämpfer, und er hat sich sehr für die Gleichstellung schwarzer und weißer Südafrikaner eingesetzt", begründet Brian sein Interesse. "Wir alle senden jetzt unsere Gedanken und Gebete an seine Familie."

Auch deutsche Touristen sind unter den Besuchern. Jochen Ritzmann aus Karlsruhe reist zwei Wochen lang durch das Land - heute steht aus aktuellem Anlass das Township Soweto auf dem Reiseplan: "Hier wird gerade wieder ein Stück Geschichte geschrieben", sagt er. Über Mandelas Gesundheitszustand hält er sich auf dem Laufenden: "Ich hoffe, dass er nicht so sehr leidet."

Wechselrahmen mit Mandela und Zuma (Foto: Ludger Schadomsky)
Fliegende Händler bieten ein Wechselbild, das je nach Winkel Mandela oder Zuma zeigtBild: DW/L. Schadomsky

Kein Boom für die Straßenverkäufer

Brian, Jochen und die Japaner werden von fliegenden Händlern umschwärmt: Es gibt Mandela-T-Shirts, Giraffenfiguren, afrikanische Perlenarmreifen und ein Wechselbild, das je nach Winkel Mandela zeigt - oder den amtierenden Präsidenten Jacob Zuma. Der Verkäufer hat eine eindeutige Präferenz: "Er wird nie Mandelas Schuhe füllen können", sagt er über Jacob Zuma. In Sichtweite des Museums hat auch Herbert Ndumo wie jeden Morgen seinen Souvenirstand aufgebaut. Seit 1994 verkauft er hier Andenken. Er bete für Madiba, doch noch mehr bete er für sein Geschäft, sagt er. Von den Touristenströmen, die jetzt die Vilakazistraße besuchen, hat er bislang keine Vorteile gehabt. "Ja, es kommen schon mehr Touristen als zuvor, sie kommen wegen Madiba. Einige wenige kaufen ein bisschen, aber für uns Händler hat sich nicht viel geändert."

Vielleicht wird ja Gisela Seemann das Geschäft aufbessern. Sie ist heute mit ihrem Mann hergekommen, um sich nach eingehender Lektüre über Südafrika, Mandela und dessen Partei "Afrikanischer National-Kongress" (ANC) vor Ort ein Bild zu machen. Auch die Gefängnisinsel Robben Island möchte sie noch besuchen. Die Frau aus Norddeutschland ist berührt von ihren Eindrücken in Südafrika. "Aber wenn er wirklich so krank ist und sich so quält, dann wäre es glaube ich auch eine Erlösung für ihn", sagt sie. 

Plakatsäule beklebt mit einer Werbung von 'Johnny Walker' (Foto: Ludger Schadomsky)
Das Plakat liest sich wie eine Botschaft an MandelaBild: DW/L. Schadomsky

Ganz in der Nähe hat die Whiskeymarke "Johnny Walker" eine Plakatsäule beklebt. "Keep walking", steht da in riesigen Lettern. Es liest sich wie eine Botschaft an Madiba: "Halte durch" - zumindest bis zum 95.Geburtstag am 18. Juli.