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"Man wird sich mit der Linkspartei auseinandersetzen müssen"

26. August 2005

Was will die neue Linke, was kann sie leisten? Ein DW-RADIO-Interview mit Bodo Ramelow, Wahlkampfleiter der Linkspartei.

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DW-RADIO: Herr Ramelow, die Linkspartei PDS wird den Prognosen zufolge mit vielleicht zehn Prozent in den Bundestag einführen. Das würde in etwa 60 Mandaten entsprechen. Sie streben an, die drittstärkste Fraktion zu werden. Rechnen Sie in dieser Situation damit, dass Sie ausgegrenzt werden von den politischen Konkurrenten, besonders von der SPD, oder wird es zu einer Annäherung kommen?

Bodo Ramelow: Ich rechne erst einmal damit, dass wir am Wahlabend durchzählen, und dann werden wir feststellen, ob eher acht Prozent, neun Prozent oder zehn Prozent - ich lass mich da von den Umfragen im Moment noch nicht beeindrucken. Abgerechnet wird um 18 Uhr am Wahlabend. Und dann rechne ich mit einer stabilen Fraktion, die sich aus einer Größe von Westdeutschland und Ostdeutschland zusammensetzen wird, die eine völlig neue Qualität haben wird. Die deutsche Linke wird zum ersten Mal eine vereinte Linke sein und damit europäischen Normalzustand herstellen. Alle anderen europäischen Länder kennen neben dem was die Labour Party ist, eine Linkspartei. In Deutschland war es immer gespalten und damit gab es so was nicht. Insoweit gibt es etwas ganz Neues. Ich erlebe seit Wochen eine intensive Diskussion mit uns, über uns. Ich merke, dass viele Menschen sich auf uns beziehen, und von daher kann ich mal abwarten. Wer uns mit Ausgrenzung begegnet, wird erleben, dass es auf ihn selbst zurückfällt. Man wird sich mit uns auseinandersetzen müssen. Wir werden Angebote unterbreiten, und wir werden der SPD und anderen Parteien Gelegenheiten geben zu Gesetzesentwürfen, die wir einbringen, sich dann zu verhalten.

Diese deutsche Linke wird dann bestehen aus Abgeordneten der Linkspartei PDS. Auf dieser offenen Liste kandidieren auch Vertreter der WASG, der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit. Die Notwendigkeit und auch die Absicht, innerhalb von zwei Jahren zu fusionieren, ist natürlich durch die vorgezogene Bundestagswahl forciert worden. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass im Moment zugeschüttete Gräben, die es ja sehr wohl zwischen beiden Parteien gibt, nach einer erfolgreichen Wahl im Bundestag wieder aufgerissen werden könnten?

Im Bundestag rechne ich gar nicht damit, weil wir im Bundestag als Fraktion so etwas wie das Herzstück des Vereinigungsprozesses sein werden. Das heißt, dort werden wir die ganzen Prozesse des Diskurses zwischen Ost und West zu leisten haben und auch leisten. Wir werden uns konzentrieren auf Gesetze wie einen Mindestlohn für die Menschen in Deutschland, was es in anderen europäischen Staaten gibt, in Deutschland nicht. Wir werden uns auseinandersetzen mit so etwas wie einer modernen Bürgerversicherung, weil wir sagen, alle Einkommensarten müssen herangezogen werden, um das soziale Sicherungssystem abzusichern und auszubauen und zu modernisieren. All diese Themen werden Bestandteil unseres politisch programmatischen Herangehens sein. Wir haben eine formale Seite. Wir hatten gehofft, die formale Seite in zwei Jahren zu gewährleisten. Ich glaube mittlerweile, dass wir es viel, viel schneller organisieren müssen. Und wir haben eine programmatische. Bei der Programmatischen bin ich überzeugt, dass wir es in der Bundestagsfraktion schaffen.

Zu den politischen Zielen, die Sie jetzt ja auch schon formulieren, gehören Korrekturen an der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Stichwort: Hartz IV. Nun sind Sie in dem Dilemma, in zwei Landesregierungen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern diese Gesetze mit umsetzen zu müssen. Wie wollen Sie aus diesem Glaubwürdigkeitsproblem herauskommen, auf Landesebene mit umsetze und im Bundestag zu fordern, diese Gesetze müssen weg?

Ich bin bei solchen Fragen immer erstaunt. Hartz IV ist ein Bundesgesetz. Dieses haben wir abgelehnt und trotzdem würden, wenn wir es in den zwei Bundesländern, wo wir in der Landesregierung sind, nicht umsetzen würden, die Menschen ihr Geld nicht bekommen. Arbeitslosenhilfe ist abgeschafft worden. Sie müssen Arbeitslosengeld II beantragen, und wir haben dafür gesorgt, zum Beispiel in Berlin über klare Umsetzungsschritte, dass es kein Zwangsumzug von ALG II-Beziehern gibt - dass diejenigen, die in der Armut sitzen, anschließend auch noch zwangsumziehen müssen in die Ghettos.

Die Glaubwürdigkeitsfrage müssen sich andere stellen - die, die solche Gesetze gemacht haben. Hartz IV muss nach vorne verändert werden. Wir wollen, dass die Gelder, die ausgegeben werden für einen Arbeitslosengeld II-Bezieher umgewandelt werden in bezahlte Arbeit. Wir wollen im Gemeinwohl-orientierten Bereich, im Non-Profit-Sektor, Arbeit schaffen, bei dem Menschen versicherungspflichtig arbeiten. Statt 1500 Euro zu bezahlen, damit Menschen arbeitslos zu Hause sitzen, möchten wir lieber, dass sie aus dem Haus kommen und Renten- und Krankenversicherungsbeiträge zahlen.

In einer künftigen Bundestagsfraktion würden zwei bekannte Politiker, nämlich Gregor Gysi aus dem Osten und Oskar Lafontaine aus dem Westen die Hauptrolle spielen. Die Rollenverteilung steht mehr oder weniger fest: Sie werden eine Doppelfraktionsspitze bilden. Da liegt aber die Frage nahe: Welche Rolle wird künftig der Wahlkampfleiter Bodo Ramelow spielen, der ja auch Fraktionsvorsitzender im thüringischen Landtag ist?

Mein Mandat im Thüringer Landtag werde ich abgeben. Ich bin ja in Thüringen Spitzenkandidat. Und im deutschen Bundestag sehe ich meine Rolle in so etwas wie einer starken Innenführung. Es war meine Stärke im Wahlkampf, dass ich die gesamte Managementstruktur des Projektes "Linkspartei", also PDS plus WASG, zusammengeführt habe. Ich glaube, meine Biographie aus dem Westen und meine Erfahrung 15 Jahre Ost haben auch bei mir etwas reifen lassen, dass ich in der Lage bin, diese heterogen daherkommende Bundestagsfraktion nach Innen zu einigen. Nach Außen haben wir zwei starke Köpfe, und da bin ich sehr froh drum.

Marcel Fürstenau

Das Interview führte