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Wasser für Peking

Mu Cui30. Dezember 2014

Mit einem gigantischen Projekt soll in China Süßwasser vom Süden nach Norden umgeleitet werden. Jetzt hat das "das flüssige Gold" die Hauptstadt erreicht. Umweltschützer aber machen sich Sorgen um die Langzeitfolgen.

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Wasser aus dem Yangtse in einem Wasserwerk in Tianjin (Foto: picture-alliance/landov/Ye Yuewei)
Bild: picture-alliance/landov/Ye Yuewei

Zwei Wochen dauerte die Reise. Eine Länge von 1400 Kilometer legte das Wasser zurück auf seinem Weg quer durch das Reich der Mitte, von der zentralchinesischen Provinz Hubei bis in die Hauptstadt Peking. Am 12. Dezember war die mittlere Route der sogenannten "Süd-Nord-Wasserkanäle" in Betrieb genommen worden. Wasser aus den Zuflüssen des Yangtse, des längsten Flusses in China, fließt nun in die trockenen Regionen und versorgt neben der Hauptstadt zwei weitere Provinzen und die Ballungsräume um die Millionenmetropole Tianjin.

Die nach rund zehn Jahren Bauzeit eröffnete Strecke transportiert jährlich 9,5 Milliarden Kubikmeter Süßwasser. Die Baukosten betrugen nach Angaben der chinesischen Staatsmedien umgerechnet 27,7 Milliarden Euro, die fast komplett durch den öffentlichen Haushalt finanziert wurden. Und: Für das Mammutprojekt wurden mehr als 300.000 Menschen zwangsumgesiedelt.

Zwei Routen bereits in Betrieb, eine weitere geplant

Neben der neu eröffneten Strecke - der sogenannten mittleren Route - ist die östliche Route bereits seit Ende 2013 in Betrieb. Auf ihr wird der vor 1500 Jahren gebaute Kaiserkanal bedient, die längste künstliche Wasserstraße der Welt. Wegen der Wasserbaukunst im alten China gehört der Kaiserkanal seit 2014 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Boote auf dem Kaiserkanal in der ostchinesischen Provinz Jiangsu (Foto: picture-alliance/dpa/Lu Yan
Der Kaiserkanal zählt seit kurzem zum Weltkulturerbe der UNESCO - es ist die längste künstliche Wasserstraße der WeltBild: picture-alliance/dpa/Lu Yan

Die umstrittene westliche Route, die über die tibetische Hochebene führen soll, befindet sich noch in der Planungsphase. Insgesamt sollen die drei Routen nach den bisherigen Planungen jährlich 50 Milliarden Kubikmeter Süßwasser umleiten. Das ist ungefähr halb soviel Waser, wie der Rhein jährlich führt. Chinas Staatsmedien jubeln deswegen: "Wir bauen einen neuen Fluss!"

Karte mit den aufgezeichneten Wegen für das Wasserumleitungsprojekt (Quelle: DW)
Insgesamt drei Routen umfasst das gigantische Projekt

Chronischer Wassermangel

In einigen nordchinesischen Provinzen haben die Einwohner pro Kopf weniger Trinkwasser als in den Wüstenregionen des Nahen Ostens. Nach einer Studie, die die Chinesische Akademie für Wissenschaften veröffentlichte, beträgt die Pro-Kopf-Wassermenge im dicht bevölkerten Ballungsraum, wo die 20-Millionen-Metropole Peking liegt und die Wirtschaft boomt, nur ein Sechstel des Landesdurchschnitts.

Bisher wird das Trinkwasser überwiegend aus dem Grundwasser gewonnen, um die rasant steigende Nachfrage der Industrie und der Landwirtschaft zu befriedigen. Zum Beispiel in Peking: Das Grundwasser deckt etwa zwei Drittel des gesamten Trinkwasserverbrauchs der Hauptstadt. Die Konsequenzen sind alarmierend: Seit Jahrzehnten sinkt der Grundwasserpegel stetig.

Auch die Qualität des Grundwassers ist nicht zufriedenstellend. Laut einer wissenschaftlichen Studie des chinesischen Umweltministeriums waren im Jahr 2013 rund 60 Prozent des Grundwassers untrinkbar. Zwar haben die Behörden vor, bis 2020 ein "umfassendes Überwachungssystem für Grundwasser" zu errichten. Die Autoren der Studie räumen aber auch ein, dass die Reinigung des Grundwassers schwierig, langwierig und kostenintensiv ist.

Arbeiter im September 2013 beim Bau eines Aquädukts in der zentralchinesischen Provinz Henan (Foto: AFP/AFP/Getty Images)
Die Bauarbeiten an dem Mammut-Projekt dauerten mehr als zehn JahreBild: AFP/Getty Images

Keine endgültige Lösung, höchstens eine "Notmaßnahme"

Schon Staatsgründer Mao Zedong träumte seinerzeit davon, die riesigen Wasservorkommen in den südlichen Landesteilen nach Norden zu transportieren. Daher blickten Chinesen schon vor Jahrzehnten nach Süden, wo über den Yangtse jährlich 960 Milliarden Kubikmeter Wasser ins Meer fließen.

Umweltexperten warnen jedoch, dass die Umleitung Wassermängel im Süden verursachen könnte, weil auch dort die Niederschläge seit Jahren abnehmen. Die Wirksamkeit sei nicht gesichert, während der Wasserbedarf des Nordens dadurch höchstens zeitweise gestillt werden könne, so Ma Jun von der Nichtregierungsorganisation "Institut für Umwelt und Öffentliche Angelegenheiten" in Peking. Das Wassertransferprojekt sei jedenfalls "keine endgültige Lösung", so Ma gegenüber der Deutschen Welle. Es sei "höchstens eine Notmaßnahme".

Ähnlich sehen die Geologen von der Universität Wuhan das politisch motivierte Vorzeigeprojekt. Die lokale Trinkwasserversorgung in der Provinz Hubei würde durch die Wasserumleitung gefährdet, schrieben die Wissenschaftler in einer jüngsten Studie. Die Bewässerung in der landwirtschaftlich geprägten Region stehe ebenfalls in Gefahr. Britt Crow-Miller, Juniorprofessorin an der Portland State University, bezeichnet das Wasserprojekt als "kurzsichtig". Der Agentur AFP sagte sie, China behalte "das Wachstum auf hohem Niveau, koste es, was es wolle. Die Konsequenzen werden so weit wie möglich auf die lange Bank geschoben".

Luftaufnahme des noch trockenen Kanals in Zhengzhou in der Provinz Henan province (Foto: picture alliance/AP Images/Ma jian)
Mehr als 1400 Kilometer legt das Wasser auf seinem Weg nach Peking zurückBild: picture alliance/AP Images/Ma jian

Dass der Wasserkanal für die fragile Ökolandschaft Chinas ein gewagtes Vorhaben ist, weiß auch die Führung in Peking. So betonte Staatspräsident Xi Jinping anlässlich der Inbetriebnahme der mittleren Route, dass es viel wichtiger sei, Wasser zu sparen als es zu transportieren.