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Politik

EU sucht Sinn und Geschlossenheit

2. Februar 2017

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat für den EU-Gipfel auf Malta ein kämpferisches Motto ausgegeben. Werden ihm alle Mitgliedsstaaten folgen? Wenn ja, in welche Zukunft? Bernd Riegert berichtet.

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Malta Hafeneinfahrt in Valletta
Sicherer Hafen für die EU? Malta, kleinster Mitgliedsstaat, ist RatsvorsitzenderBild: DW/B. Riegert

"Die EU ist nicht perfekt, aber sie ist das beste Instrument, das wir haben, um mit den Herausforderungen umzugehen." Diesen Satz hatten die Staats- und Regierungschefs, die sich am Freitag auf Malta versammeln, bereits beim ersten Treffen nach dem Ausstieg Großbritanniens in Bratislava im September aufgeschrieben. Geschlossen will man auftreten, auch wenn die Briten von Bord gehen. Die Union sollte reformiert werden, hieß es in Bratislava. In welche Richtung und mit welchem Ziel, das soll spätestens beim Gipfeltreffen zum 60. Geburtstag der EU in Rom am 25. März 2017 feststehen. 

Beim Treffen in Malta soll ein erster Zwischenschritt zur Abmilderung der derzeitigen Krise der EU getätigt werden. So sieht es der in Bratislava verabschiedete Fahrplan vor. In der grundsätzlichen Frage, wie die Mitgliedsstaaten der EU künftig zusammenwirken wollen, ist man bisher nicht wirklich vorangekommen. Es gibt nur einige lose Überlegungen. Doch nichts davon ist entscheidungsreif, berichten EU-Diplomaten in Brüssel.

Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Italien wollen die Zusammenarbeit in der EU vertiefen. Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn hingegen wollen das Nationale betonen und die Integration innerhalb der EU zurückdrehen. Dann gibt es noch die Südländer, die dem Norden vorwerfen, nicht genug für das Wirtschaftswachstum zu tun. Der Norden wiederum wirft den Südländern vor, sie würden nicht genug tun, um selbst wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu werden. Trotz der Konflikte gibt es zwischen diesen Gruppen auch Überschneidungen, wie EU-Diplomaten, die sich mit den verschiedenen Modellen beschäftigen, berichten.

Slowakei EU Gipfel in Bratislava Gruppenfoto
Beim letzten Gipfel in Bratislava im September. Die Fortsetzung folgt auf MaltaBild: Reuters/L. Foeger

Trump sitzt unsichtbar mit am Tisch

Eine weitere Herausforderung, die in Malta gemeistert werden muss, trägt den Namen Donald Trump. Angesichts der Attacken des neuen US-Präsidenten auf die EU rechnen viele Politiker in Brüssel damit, dass die Abwehr von Trump den Gipfel von Malta vorrangig beschäftigen wird. "Es muss eine klare Nachricht an die Bürger in Europa und im Rest der Welt geben, dass in der Europäischen Union die Staaten freiwillig zusammenarbeiten. Wir haben gemeinsame Werte und gemeinsame Prinzipien, die wir gegen jeden Gegner verteidigen, der diese zerstören will", sagt der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen der DW. Natürlich müsse man sich mit autoritären Gestalten, wie dem russischen Präsidenten Putin und dem türkischen Präsidenten Erdogan auseinandersetzen, so Jo Leinen, aber "leider muss ich auch Donald Trump erwähnen, der für viele in der EU ein Alptraum ist."

Nicht alle EU-Regierungschefs sehen die US-Administration so kritisch. Ungarn und Polen etwa können dem Trumpschen Nationalismus auch etwas abgewinnen. Der Ratspräsident der EU, also der Vorsitzende des Gipfelklubs, Donald Tusk warnt hingegen, Trump sei eine "Gefahr" für Europa. Tusk sieht auch den russischen Präsident Putin als "bedrohlich" an und hat ihn abermals aufgefordert, den Waffenstillstand im Osten der Ukraine durchzusetzen. "Herr Tusk hat einen Brief an die Staats- und Regierungschefs geschrieben, dessen letzter Satz lautet: 'Gemeinsam werden wir bestehen, getrennt gehen wir unter.' Das ist nun komischerweise ein Zitat aus der amerikanischen Verfassung. Warum sollten wir dieses Motto nicht auch für die EU benutzen?", fragt der Europa-Abgeordnete Jo Leinen vor Beginn des Gipfels auf Malta.

Jo Leinen Europaabgeordneter EU Parlament
Jo Leinen: EU-Gegner sind Putin, Erdogan - und leider auch Trump Bild: picture-alliance/dpa

Zeigt sich die EU geschlossen?

Am Tag vor dem EU-Gipfel hat der ungarische Premier Victor Orban den russischen Präsidenten Putin als Staatsgast empfangen. Angesichts dieser Annäherung fragt man sich in Brüssel, wie lange Orban die Sanktionen gegen Russland noch mitträgt. Am Sinn der Sanktionen äußern allerdings auch Österreich und Italien laute Zweifel. Bislang hält die vereinte Front gegen Russland. Der Fraktionsvorsitzende der Konservativen im Europaparlament Manfred Weber plädiert für ein weiter geschlossenes Auftreten der EU, jetzt vor allem auch gegenüber dem engsten Verbündeten. "Der Gipfel in Malta muss ein Signal der europäischen Stärke ausstrahlen. Wir erleben jetzt eine amerikanische Administration, die viele Grundprinzipien der Partnerschaft in Frage stellt. Europa muss darauf mit Selbstbewusstsein, Stärke und auch mit Klarheit antworten und klar machen, dass wir die Entwicklungen in Washington nicht dulden", sagte Weber der DW.

Das Auftreten Trumps könnte zu einem solidarischen Schulterschluss der 27 EU-Staaten ohne Großbritannien führen. "Die Europäische Union ist als Wirtschaftskraft ja genauso groß wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Das heißt, wir haben die Kraft, unsere Interessen zu verteidigen und durchzusetzen. Entscheidend ist dabei, dass wir geschlossen auftreten. Deswegen freue ich mich über die klare Ansage, die Donald Tusk gemacht hat", so Manfred Weber.

DW Conflict Zone Türkei - Gast Manfred Weber
Manfred Weber: Zusammenhalt der EU ist entscheidendBild: DW

Flüchtlingspolitik setzt auf Abschreckung

Mit frischen Erkenntnissen zur Umsetzung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei wird Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Malta kommen. Sie hat am Donnerstag den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen. Aus Sicht vieler EU-Staaten könnte der Türkei-Deal zur Abschreckung von Flüchtlingen und Migranten ein Modell sein, wie man auch die Fluchtroute über das südliche Mittelmeer von Libyen nach Italien schließen könnte. Da sich die EU-Staaten trotz gegenteiliger Beschlüsse nicht darauf einigen können, Flüchtlinge und Asylbewerber in nennenswerter Zahl aus Italien oder Griechenland zu verteilen, will man jetzt neue Ansätze prüfen. Einer davon könnten Lager für Migranten in Nordafrika sein, in die aus Seenot gerettete Menschen gebracht werden. Mittelfristiges Ziel der EU ist es, die Flüchtlinge oder Asylbewerber nicht mehr nach Italien zu bringen, sondern in Nordafrika zu halten und so von der Überfahrt über das Mittelmeer abzuschrecken. Das hatten die EU-Innenminister bereits vergangene Woche noch einmal bekräftigt.

"Ich denke, die EU muss mit den Autoritäten in Libyen verhandeln, wer immer das auch sein mag. Das ist schwer genug. Vielleicht müssen wir auch selbst aktiv an der libyschen Küste vorgehen. Wir haben Geheimdienste und können erkennen, was da vor sich geht. So kann man verhindern, dass die Menschenschmuggler Milliarde um Milliarde verdienen mit den Flüchtlingen", schlägt der Europaabgeordnete Jo Leinen (SPD) vor. "Malta ist der beste Ort, die Flüchtlingsfragen endlich anzupacken und auch zu lösen. Ganz konkret würde ich mir wünschen, dass die Staaten, die Zusagen, die sie in den letzen Jahren gemacht haben, endlich umsetzen", meint der CSU-Abgeordnete Manfred Weber. Beim EU-Afrika-Gipfel im November 2015 war unter anderem ein Fonds zur Bekämpfung der Fluchtursachen aufgelegt worden. Der ist aber bis heute nur mit 40 Prozent der zugesagten Finanzmittel gefüllt worden.

Briten-Schock lässt nach

Die britische Premierministerin Theresa May wird an Teilen des Gipfeltreffens auf Malta noch teilnehmen. Sie hatte sich für einen "harten" Brexit ausgesprochen, also einen völligen Ausstieg aus dem EU-Binnenmarkt. "Den kann sie haben", heißt es vom Brexit-Unterhändler der EU-Kommission, Michel Barnier. Vom ursprünglichen Schock, den der Brexit im vergangenen Jahr ausgelöst hatte, haben sich die übrigen EU-Staaten inzwischen erholt. Da gilt, was schon beim letzten Nachdenk-Gipfel in Bratislava festgelegt wurde: "Obwohl sich einer entschieden hat zu gehen, bleibt die EU für den Rest von uns unverzichtbar."

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union