Tagebuch aus Malmö - Tag 3
18. Mai 2013"Gasbuss för ett grönare och skönare Malmö" – ich verstehe Schwedisch, stelle ich nach nur drei Tagen Akklimatisierung im hohen Norden erfreut fest. Der Biogasbus fährt für ein grüneres und schöneres Malmö, übersetze ich gekonnt mit Hilfe eines Einheimischen. Jetzt gondelt das Vehikel auch die wachsende Schar von Song Contest-Touristen durch die Stadt. Gewonnen wird der umweltfreundliche Treibstoff aus den Essensresten, die Malmös Bürger seit Kurzem vorbildlich in die grüne Tonne stopfen. Hätte ich das gestern schon gewusst, hätte ich den Nahverkehr gern mit meinem Imbiss "Glasmästersill auf Tunnbrödklamma" gesponsert. Das ist Glashering auf Dunkelbrot und hat mir wieder mal bewiesen, dass man nicht alles probieren muss.
Umdrehung ohne Troll
Dafür hab ich schon von dem überall als bestes Wasser der Welt angepriesenen "Tippy-Tap-Water" gekostet; im Pressezentrum kann man es aus Blechrinnen direkt in die grüne Plastik-Ökoflasche abfüllen. Es handelt sich aber mitnichten um ein linksdrehendes, von Trollen aus dem Bergstollen gefördertes Wundernass, sondern um simples Leitungswasser. Warum es der Umwelt hilft, wenn ich Tippy Tap statt eines Latte Macchiato zu mir nehme, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen.
Noch weniger kann ich nachvollziehen, warum jedes Café mit mehr als drei Stühlen mit ebenso vielen Heizpilzen aufwartet. Nach einem Rundgang durch die Innenstadt drängt sich mir der Eindruck auf, dass man hier absichtlich die globale Erderwärmung fördert – verständlich, denn die schwedischen Winter sind lang und dunkel. Und in den restlichen Monaten regnet es gern.
Pudeldame statt Turning Torso
Nicht so in diesen Tagen. Der Sonnengott ist offenbar ESC-Fan, Temperaturen um die 23 Grad beglücken Einheimische und Besucher. Wolken gibt es nur in Schäfchenform. So beschließe ich auf Anraten der Rezeptionistin, einen kurzen Spaziergang zu Malmös ganzem architektonischen Stolz zu machen, dem "Turning Torso".
Das 190 Meter hohe Appartementhaus ist schon von Weitem zu sehen, und nach drei Kilometern Fußmarsch ist es immer noch nicht wesentlich näher gerückt. Viele schöne Cafés gäbe es auf dem Weg, hatte man mich gelockt. Stattdessen lande ich auf einem Hundetrainingsplatz mit integriertem Klo für des Menschen besten Freund. Schön gelegen für Dalmatinerrüde, Pudeldame und Co, direkt am Strand, am Horizont erstreckt sich die Öresundbrücke über den Sund.
Bullerbü im Industriegebiet
Der Torso allerdings liegt immer noch in weiter Ferne. Dafür tut sich plötzlich Büllerbü vor mir auf: Rote Holzhäuser reihen sich malerisch am Wasser auf, Fischerboote und -netze vervollständigen das Idyll. Ich habe das wahre Schweden entdeckt, wie ich es aus den Astrid Lindgren Verfilmungen meiner Kindheit kenne.
Die Bilderbuchszenerie beschränkt sich leider auf drei Gebäude, danach verlaufe ich mich im Industriegelände. Weit und breit kein Eurovision-Schmetterling, der mir den direkten Weg zum Contest oder wenigstens zum Turning Torso weisen könnte. Außerdem ist die Sonne untergegangen, die Temperaturen haben sich in den Keller verzogen, und nirgends ist ein Heizpilz in Sicht.
Dafür kommt mir plötzlich ein Bus entgegen, selbstverständlich mit Biogasantrieb betrieben. Dankbar steige ich ein – und er fährt sogar zur Malmö Arena. Morgen, nehme ich mir fest vor, werde ich den Verkehrsbetrieben aus lauter Dankbarkeit die Hälfte meines Frühstücks abgeben. Na ja, oder zumindest ein echt schwedisches, gesundes Knäckebrot. Das ist besser für die Umwelt.