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Malend Abschied nehmen

7. Oktober 2009

Was haben Kunst und Tod miteinander zu tun? Viel, sagt der Bestatter Fritz Roth. Denn Kunst kann uns helfen, den richtigen Umgang mit dem Tod zu finden, mit der Trauer um verstorbene Angehörige und mit dem Leben danach.

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Porträt einer Verstorbenen (Foto: Gustav Lübbe Verlag)
Trauer ist kreativ: eine Trauernde hat diese Porträts ihrer verstorbenen Mutter gemaltBild: Lübbe Verlag

Fritz Roth führt das wohl ungewöhnlichste Bestattungsunternehmen in Deutschland, denn er arbeitet daran, sich selbst und seinen Berufsstand überflüssig zu machen. Eigentlich sollte er Bauer werden, als Jugendlicher wollte er später Priester sein, Karriere machte er als Unternehmensberater. Durch einen Zufall kam Fritz Roth dann dazu, ein Bestattungsunternehmen zu führen, eine Gefälligkeit für den Schwiegervater. Das allerdings wurde sein Lebenswerk. Seit 25 Jahren nun macht Fritz Roth so ziemlich alles anders als herkömmliche Bestatter.

Der Überlebende steht im Mittelpunkt

Fritz Roth im Garten seines Hauses zur Trauerbegleitung (Foto: Günther Birkenstock)
Bei Fritz Roth steht nicht der Tote, sondern der Trauernde im MittelpunktBild: DW

"Das Entscheidende ist, dass ich nicht mehr den Toten in den Mittelpunkt stelle, sondern den, der damit leben muss", sagt der Bestatter und Trauerbegleiter. Und er zitiert gerne und oft Künstlerworte wie das der Dichterin Mascha Kaléko: "Den eigenen Tod stirbt man nur, den Tod der anderen muss man leben". Und dabei will Roth helfen.

In der Praxis bedeutet das, dass es bei Fritz Roth weder Totenhemden noch exklusive Särge oder sonstigen Zierrat zu kaufen gibt. Mehr Seelsorger und Pädagoge als Unternehmer, will er die Menschen dazu bringen, sich ihrer Trauer zu widmen. Dafür gibt er ihnen Zeit und Raum. Wer seine verstorbenen Verwandten und Bekannten nicht in den eigenen vier Wänden betrauern kann oder will, erhält in seinem Haus Gelegenheit dazu. Statt vorgefertigte Abschiedsreden und Ausstattungskataloge zu bieten, macht Fritz Roth den Betroffen Mut, künstlerische Kreativität zu entwickeln.

Trauerfeier als Lebensfeier

Am besten sei es, sich mit Kindern, Verwandten und nahen Freunden ein paar Farbtöpfe zu nehmen und den Sarg selbst zu bemalen. Jeder aus seinem Blickwinkel und mit seinem Gefühl für den Toten. Diese Art Kunst müsse anderen nicht gefallen. Hier werde Realität, was der Künstler und Kunst-Theoretiker Joseph Beuys meint, wenn er sagt: "ein jeder ist Künstler". Liebe ist kreativ, sagt Roth - und so ist es auch mit der Trauer, die keineswegs immer mit Düsternis verbunden sein muss. Damit werde dann auch die Trauerfeier zu einer Lebensfeier.

Fritz Roth arbeitet nicht nur in seiner rheinischen Heimat, sondern betont auf Vorträgen in der ganzen Welt die Bedeutung, sich mit Tod und Trauer auseinanderzusetzen. Außerdem ist es ihm wichtig, dass seine Bestattungen nicht teurer sind als andere. So bestatte er selbstverständlich auch Obdachlose zu dem geringen Satz, den die Gemeinde zahlt.

Porträt einer Verstorbenen (Foto: Gustav Lübbe Verlag)
Eine Trauernde malte 16 Poträts ihrer Mutter. Wut und Ärger finden darin ihren Ausdruck - zuletzt die VersöhnungBild: Lübbe Verlag

Das Gebäude, in dem Fritz Roth seine Klientel empfängt, strahlt eine friedliche Ruhe aus. Ein kurzer Weg führt zum eigenen Friedwald, in dem Menschen Urnen ihrer Toten begraben und den Platz ganz nach eigenen Wünschen gestalten können, ohne die reglementierende Ordnung eines klassischen Friedhofes. Das Bestattungshaus selbst beherbergt neben Räumen für Trauernde auch eine Art eigenes Museum, das mit Alltagsgegenständen, Bildern, Skulpturen und Installationen den Tod thematisiert. Allgegenwärtig im Haus ist die Kunst. Sie soll Inspirationsquelle sein. Einen Ehrenplatz hat die Bilderserie einer Trauernden, die das Portrait ihrer Mutter in 16 Variationen zeigt. Wut und Ärger, Schmerz und Trauer finden hier ihren Ausdruck, und zuletzt die Versöhnung.

Der Blick der anderen ist wichtig

Jedes Jahr beauftragt Fritz Roth eine Jury damit, einen Künstler vorzuschlagen, der das Haus ein Jahr lang begleitet. Bis auf wenige Ausnahmen steht ihm das ganze Haus für seine Gestaltung zur Verfügung. In diesem Jahr ist es die amerikanische Künstlerin Veronica Bell, die riesige Holzblöcke mit Axt, Säge und Beitel zu Skulpturen formt. Für sie hat die Ehrung der Toten mit Gegenständen große gesellschaftliche Bedeutung. In vergangen Jahrhunderten und in vielen Mythen sei das etwas ganz Selbstverständliches.

Ihr größtes Werk für Fritz Roth beschreibt Veronica Bell als eine Art Raumschiff mit magnetischem Segel, zusammengefügt aus zwei tonnenschweren Eichenblöcken. Damit könne man sich auf die Reise begeben. Denn Bewegung sei eine entscheidende Sache im Prozess des Entstehens und Vergehens.

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Manfred Götzke