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Mexikos Energiereform

Eva Usi/oha5. August 2014

Die Energiereform gilt als der Umbruch der Regierung Nieto. Sie kommt einem Sektor zugute, der international lange nicht wettbewerbsfähig war, sagt Politologe Günther Maihold im DW-Interview.

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Symbolbild Energie Mexiko
Bild: OMAR TORRES/AFP/Getty Images

Der mexikanische Senat hat eine lang umstrittene Energiereform gebilligt. Sie markiert das Ende eines historischen Staatsmonopols nach fast 80 Jahren. Sowohl der staatliche Ölkonzern Pemex, als auch die Energieversorgung werden nun für private Investoren geöffnet. Beide Monopole galten als Relikte der Vergangenheit, die durch einen Mangel an Kapital und Technologie die Mexikaner weder mit gutem Service noch mit guten Preisen dienen konnten. Der deutsche Politologe Günther Maihold ist Dozent an der Hochschule "Colegio de México". Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt er die Details einer Reform, die als wichtigstes Projekt des derzeitigen Präsidenten, Enrique Peña Nieto, gilt.

DW: Die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto erhofft sich einen "Aufschwung" Mexikos durch Privatinvestitionen. Weiß man schon, welchen Umfang die Investitionen für den Öl- und Stromsektor haben werden?

Günther Maihold: Das ist schwer zu hervorsagen. Zuerst müssen Privatinvestoren Infrastruktur bauen: Öl-Pipelines, Stromleitungen, Erkundung und Erschließung von neue Ölfelder. Mit einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren will sich die Regierung einen Überblick über potenzielles Interesse von Investoren und mögliche Summen verschaffen. Letztendlich erfordern aber all diese Prozesse eine Menge Vorbereitung und viel technische Expertise. Das bedeutet, dass dieser ganze Prozess nicht besonders schnell starten wird.

Die Auswirkungen werden sich also nicht in der Amtszeit von Peña Nieto bemerkbar machen?

Es kann sein, dass der Ausbau der elektrischen Infrastruktur in Teilen abgeschlossen sein wird. Vor einer Woche wurde jedoch bekannt, dass der erste Teil des neuen Stromnetzes frühestens im Juli 2018 fertig sein wird. Das ist fast am Ende seiner Amtszeit. Das kann man aber auch als Vorteil sehen. Diese Reform gießt so nämlich kein Wasser auf die Mühlen einer politischen Partei, in diesem Fall die Partei der Institutionellen Revolution (PRI), der der Präsident angehört. Sie wird eine langfristige Wirkung haben. Ziel ist es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Produktionsplattform von Mexiko zu verbessern.

Zum Beispiel durch die Ausbeutung der riesigen Schiefergasvorkommen. Es heißt, kanadische und US-amerikanische Unternehmen stünden Schlange, um in den mexikanischen Markt einzutreten. Ist das so?

Günther Maihold
Politologe Günther MaiholdBild: SWP

Es gibt Gasreserven im Norden Mexikos, die mit der umstrittenen Fracking-Methode gefördert werden sollen. Mexiko ist von Gasimporten aus den Vereinigten Staaten abhängig, vor allem an der Grenzregion. Dies wäre eine Möglichkeit, die inländische Versorgung mit eigenen Ressourcen zu verbessern. Dazu ist jedoch moderne Technologie notwendig, die Mexiko nicht hat. Sowohl bei Öl als auch bei Gas hängt Mexiko von internationaler Technologie ab, an die sie nur durch Projekte von großen privaten Unternehmen gelangen kann.

Durch die Reformen können private Unternehmen Lizenzen zur Ölförderung erhalten, die Erdöl- und Gasreserven Mexikos bleiben jedoch weiterhin in staatlichem Besitz. Ist dieses System mit der Vorgehensweise anderer Länder vergleichbar?

Mit diesen Reformen passt sich Mexiko den internationalen Standards an. Die jahrzehntelange Kontrolle des Staates über die gesamte Produktionskette war eher ein ungewöhnliches Modell. Der neue Vorschlag erfüllt die internationalen Regelungen und schafft stabile Bedingungen, die das Interesse internationaler Unternehmen weckt. Die Herausforderung wird sein, die Verträge transparent auszuschreiben, um Korruption und Bevorteilung zu vermeiden.

Die Bevölkerung reagiert auf die Reformen mit Gleichgültigkeit. Die Popularität des Präsidenten ist so niedrig wie bei keinem seiner Vorgänger. Das liegt teilweise daran, dass die Wirtschaft weiter stagniert, trotz des Schubs durch Branchen wie die Automobilindustrie. Die Leute nehmen keinerlei Fortschritt mehr wahr.

Mexiko Präsident Enrique Pena Nieto
Mexikos Präsident Enrique Peña NietoBild: Reuters

Alle Reformprojekte, die Peña Nieto angestoßen hat, wurden auf internationaler Ebene gefeiert und gelobt, während sie national mit Gleichgültigkeit und Sorge aufgenommen wurden. Die Bevölkerung erhofft sich bessere und höhere Beschäftigungsmöglichkeiten und Einkommen, davon ist aber noch kaum was zu spüren. Das ist das Dilemma, mit dem die Regierung konfrontiert wird. Sie wirbt mit mehr Arbeitsplätzen und Chancen. Aber es ist ein langfristiger Prozess, der zudem ausländische Arbeitskräfte benötigen wird, da es im Inland nicht in allen Bereichen kompetente Fachkräfte gibt. Die Regierung hat Erwartung geweckt, die nicht kurzfristig befriedigt werden können. Das führt in der Bevölkerung zu Ablehnung.

Was sagen die Gegner der Energiesektor-Reform?

Es gibt eine große Debatte zwischen den politischen Gruppen, die dafür und dagegen sind. Allerdings haben wir bisher keine großen Demonstrationen auf den Straßen gehabt. Nur die links-gerichtete Partei PRD hat bisher zu einer Demo aufgerufen. Die Reformgegner organisieren für nächstes Jahr eine Volksabstimmung, mit der sie internationale Aufmerksamkeit gewinnen wollen. Sie sind der Meinung, dass es momentan nicht an der Zeit sei, Entscheidungen über Investitionen zu treffen.

Wird die Reform politische Folgen für die regierende PRI haben?

Das glaube ich nicht. Dieser Schritt war schon lange nötig. Mexiko hat nicht mehr so viele Ölreserven und viele Probleme bei der Gasversorgung. Es ist ein Sektor, der dringend neue Ressourcen braucht. Der staatliche Ölkonzern Pemex hat lange die Staatskassen gefüllt. Diese Dynamik zu verändern und sich aus dem Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums zu lösen, ist ein wichtiger Schritt für die Ölindustrie. Bisher hatte die Regierung alle Einnahmen aus dem Ölgeschäft aufgebraucht, ohne in den Konzern zu investieren.

Günther Maihold ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik und Inhaber des Sonderlehrstuhls Alexander und Wilhelm von Humboldt am Colegio de México.

Das Interview führte Eva Usi.