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Machtloser Debattierclub oder Global Player?

23. September 2010

1997 erklärte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan die Vereinten Nationen für dringend reformbedürftig. Die UN sollten fit gemacht werden für das 21. Jahrhundert. Doch seitdem wurde nicht viel erreicht.

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Symbolbild UN (Montage: DW)
Wer zerhaut den gordischen Knoten bei den UNBild: DW

1997 setzte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan auf Reformen: Um die Vereinten Nationen fit für das 21. Jahrhundert zu machen, so das Fazit einer umfassenden Untersuchung, sollten Verwaltung und Leitung überholt und die weltweiten Einsätze aufeinander abgestimmt werden. Seitdem läuft das Projekt "UN-Reform". Einiges ist erreicht, aber noch viel ist zu tun. Vor allem die Reform des Sicherheitsrats kommt nicht voran.

Der Schweizer Joseph Deiss packte den Stier bei den Hörnern. Zur Eröffnung der 65. Vollversammlung sagte ihr Präsident, die UN sei das beste Forum für Debatten über globale Fragen. Zugleich mahnte er aber: "Die Öffentlichkeit sieht die UN-Vollversammlung oft als machtlos an, als Debattierclub, der keine wirkliche Bedeutung hat." Er habe sich vorgenommen, die Vereinten Nationen wieder als Zentrum der Weltregierung zu etablieren.

Schlagkräftige Konkurrenz

Konkurrenz machen der 65 Jahre alten Institution zum Beispiel die G-20, die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern, die die Weltwirtschaft aus der Finanzkrise steuerten. Dabei hätten die UN durchaus einige Reformen hinter sich gebracht, findet William Pace, Direktor des "Institute for Global Policy" in New York. "2005 haben die Regierungen einige wichtige Reformbeschlüsse gefasst. Sie haben die Menschenrechte als dritte Säule der UN etabliert, neben den Säulen Frieden und Sicherheit sowie Entwicklung."

Die Art und Weise, wie die Reformen umgesetzt wurden sei nicht immer erfolgreich gewesen, sagte Pace. Aber es gebe Fortschritte: So sei beispielsweise die Verantwortung der Staaten etabliert worden, ihre Bürger vor Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Eine Kommission für Friedenskonsolidierung sei gegründet worden. Und erst vor kurzem sei ein Ressort zur Unterstützung von Frauen eingerichtet worden.

Der eigentlich Auftrag wurde bislang erfüllt

Und ihren eigentlichen Auftrag, einen dritten Weltkrieg zu verhindern, haben die Vereinten Nationen bislang ebenfalls erfolgreich erfüllt. Doch wenn es darum geht, Beschlüsse zu fassen, ist die Organisation mit den 192 Mitgliedern so schwerfällig, dass die Grundlage einer Entscheidung oft schon nicht mehr der Realität entspricht, wenn über sie abgestimmt wird.

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte vor kurzem in einer Grundsatzrede im Council on Foreign Relations in Washington: "Wir unterstützen Reformen, die dazu führen, dass UN-Einsätze schneller umgesetzt werden können, mit einer angemessenen Zahl von gut ausgebildeten Soldaten und Polizisten, und mit einer qualitativ hochwertigen militärischen und zivilen Führung."

Notwendig sei eine Verwaltungsreform, die Verschwendung, Betrug und Missbrauch verhindert, erklärte sie. Die Amerikaner galten lange als treibende Kraft hinter der Reformbestrebung. Das habe sich allerdings unter der neuen Regierung geändert, meinen Experten. So ist der Posten bei der amerikanischen UN-Vertretung, der für die Reform zuständig ist, noch immer nur kommissarisch besetzt.

Dauerstreitpunkt Veto-Recht

Außerdem gehören die USA zum privilegierten Kreis der Veto-Mächte im Sicherheitsrat. Dessen Zusammensetzung mit seinen fünf ständigen und zehn nicht-ständigen Mitgliedern ist ein Überbleibsel des Kalten Krieges. Er entspricht nicht mehr den globalen Kräfteverhältnissen des 21. Jahrhunderts. Im Gespräch ist eine Vergrößerung. Deutschland, Brasilien, Indien und Japan haben vor einigen Jahren eine Interessensgemeinschaft gebildet, um sich gegenseitig bei der Bewerbung zu unterstützen. Gebracht hat es bisher nichts.

Das UN-Gebäude (Foto: AP)
Das UN-GebäudeBild: AP

Vor allem das Veto-Recht, das neben den USA auch Frankreich, Großbritannien, Russland und China besitzen, stößt vielen Staaten sauer auf. Alternativvorschläge gibt es reichlich. So könnte man das Veto-Recht auslaufen lassen oder auf bestimmte Themenbereiche einschränken. Oder den Rat auf mehr Mitglieder ausweiten. Oder die nichtständigen Mitglieder für fünf statt zwei Jahre wählen, wie Bill Page vorschlägt: "Nicht, dass ich einem Land wünsche, fünf Jahre im Sicherheitsrat sitzen zu müssen. Aber das ist immer noch besser, als sich um weitere permanente Sitze zu streiten. Das wird sowieso nicht passieren und lenkt nur von Verhalten der fünf ständigen Mitglieder ab."

Alternative: Mandat für zwei Jahre

Die haben das letzte Wort und derzeit kein Interesse daran, sich ihre Macht beschränken zu lassen. Die Fronten sind also verhärtet, und so konzentriert sich die Bundesrepublik derzeit darauf, für die nächsten beiden Jahre einen nicht-ständigen Sicherheitsratssitz zu ergattern. Abgestimmt wird am 12. Oktober, für die zwei Sitze der westlichen Staaten gibt es drei Bewerber: neben der Bundesrepublik noch Portugal und Kanada.

Die Bundeskanzlerin rührte während ihres Besuches in New York anlässlich des Millennium-Gipfels kräftig die Werbetrommel. Wenn Deutschland den Sitz bekommt, erklärte sie, sei dies die Gelegenheit, "um auch die Reform des Sicherheitsrates voranzubringen, die ja nun doch seit vielen Jahren nicht voran kommt."

So bleibt die UN-Reform ein Dauerprojekt. Immerhin: Abgesperrte Flure, lange Umwege für die Delegierten und Gerüste vor den Fenstern zeugen derzeit davon, dass zumindest mit der Renovierung des antiquierten UN-Gebäudes am Hudson-River begonnen wurde.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Martin Muno