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Der Weg zur Lösung wird steing

8. Mai 2009

Die offene Machtfrage im Autoimperium aus Volkswagen und Porsche liefert Zündstoff für Konflikte. Niedersachsen beansprucht in einem neuen Autokonzern die gleichen Minderheitsrechte wie bislang im Volkswagen-Konzern.

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Porsche und VW sollen zu einer Marke verschmelzenBild: picture-alliance/ dpa

Die Hauptakteure im neuen Akt des Dramas um die Zukunft des Riesenkonzerns bringen sich bereits in Stellung. Noch ist völlig offen, wer künftig am Steuer des Konzerns sitzt und ob die Machtzentrale künftig Stuttgart oder Wolfsburg heißt. Aus der Staatskanzlei in Hannover hieß es, Niedersachsen erwarte, dass die Porsche-Eignerfamilien Porsche und Piëch sich mit dem Land über die künftige Eigentümerstruktur beraten. Niedersachsen ist mit 20 Prozent zweiter VW-Großaktionär neben Porsche.

Niedersachsen habe "jetzt die Aussicht, dass die Regelungen des VW-Gesetzes langfristig gesichert werden", sagte Ministerpräsident Christian Wulff am Donnerstag (07.05.2009) in Hannover. Ziel sei, auch durch das VW-Gesetz umstrittene Regelungen für die Zukunft im Konsens zuklären. "Wir haben gute Chancen, dass die Sperrminorität weiter eine Grundlage bleibt, dass die Aufsichtsratsmandate des Landes sogar sicherer werden", fügte Wulff hinzu. In dem jetzt neu entstandenen Klima könne man auch Fragen, wie "Aufsichtsratsmandate des Landes" und "Zwei-Drittel-Mehrheit bei Standortentscheidungen" sehr gut verhandeln. Die Regelungen des VW-Gesetzes wolle man auch künftig "fest verankert haben".

Deutschland Justiz Jugendkriminalität Niedersachsen Ministerpräsident Christian Wulff
Niedersachsens Ministerpraesident Christian Wulff will um das VW-Gesetz kämpfenBild: AP

Der Ton wird härter

Porsche-Chef Wiedeking präsentierte sich im Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausenin auf einer Betriebsversammlung vor rund 3000 Beschäftigten als Sieger und sagte: "Wir haben unser Konzept durchgesetzt." Ihm widersprach der mächtige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, der sagte: "Anscheinend verwechseln hier einige die Begriffe Fusion und Integration." Und allein wegen des VW-Gesetzes sei man mehr als skeptisch, ob der Weg einer Fusion überhaupt beschritten werden könne. "Wer immer etwas von Volkswagen will, der kommt an den Belegschaften nicht vorbei", betonte Osterloh weiter. Auch Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück kündigte auf einer Betriebsversammlung an, weiter für die Position der gut 12 000 Beschäftigten des Sportwagenbauers in dem neuen Groß-Konzern zu kämpfen. Außerdem macht er sich dafür stark, das VW-Gesetz auf Porsche auszudehnen. "Ich kämpfe dafür, dass das VW-Gesetz auch bei Porsche gilt. Denn ich habe festgestellt, nur durch das VW-Gesetz kann ich meine Leute schützen, nicht mehr allein durch das Kapital", sagte Hück dem Nachrichtensender N24.

Ein Porsche 911 in der Produktion
Die Zeit für den eigenständigen Autobauer Porsche scheint abgelaufenBild: AP

Hück suchte außerdem den Schulterschluss mit VW-Betriebsratschef Osterloh: "Wir werden gemeinsam einen Weg gehen." Auch IG Metall und VW-Betriebsrat pochen auf den vollständigen Erhalt der Mitbestimmung und des VW-Gesetzes. IG-Metall-Chef Berthold Huber betonte auf einer Betriebsrätekonferenz in Wolfsburg, für die Gewerkschaft sei der Erhalt des VW-Gesetzes substanziell. "Darunter wird es mit uns keine Lösung geben." Osterloh kündigte bei der Veranstaltung an, der Betriebsrat werde sich an den Gesprächen über die Schaffung eines integrierten Konzerns konstruktiv beteiligen. Allerdings sei es derzeit völlig offen, zu welchem Ergebnis die Verhandlungen führen würden. "Wir betrachten dies erst einmal als Sondierungsgespräche", stellte er klar. "Mit uns ist besprochen, dass der Weg zu einem integrierten Konzern völlig offen ist. Eine Fusion ist dabei nur ein Weg."

Die Vorzeichen haben sich gedreht

Deutschland Auto Wendelin Wiedeking von Porsche
Tritt er an die Spitze des neuen Autoriesen? Porsche-Chef Wendelin WiedekingBild: Porsche

Am Mittwoch hatten die Porsche-Eigentümerfamilien beschlossen, VW und Porsche unter dem Dach eines neuen Konzerns zusammenzuführen. Innerhalb von vier Wochen soll die Struktur ausgehandelt werden. Es blieb zunächst unklar, wer in dem neuen Konzern das Sagen haben wird. Fest stehe aber, dass die Familien Porsche und Piëch auch künftig die Mehrheit haben werden, hieß es in Stuttgart. Der ursprüngliche Plan, dass Porsche VW übernimmt, ist aber endgültig vom Tisch. Porsche hält derzeit knapp 51 Prozent an VW und strebte die Marke von 75 Prozent an - hatte sich jedoch bei Aktienkäufen mit Milliardenschulden finanziell übernommen. Nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer kehrt nun wieder mehr Ruhe bei den beiden Herstellern ein. Alle Beteiligten müssten nun lernen, in Koalitionen auf Augenhöhe zu arbeiten. "Einen König gibt es in dieser Gruppe nicht mehr", auch wenn sich die Macht nun wieder etwas zu VW nach Wolfsburg verschoben habe, sagte Dudenhöffer gegenüber Journalisten.

Der Autoexperte Willi Diez mutmaßte im "ZDF-Morgenmagazin", derzeit spreche vieles für Wolfsburg als Firmensitz. In den nächsten Wochen erwarte er einen Machtkampf im Konzern. Informierten Beobachtern zufolge gab es bereits in den vergangenen Monaten erhebliche Differenzen zwischen dem VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und seinem Vetter Wolfgang Porsche, der dem Porsche-Aufsichtsrat vorsitzt. Das bereits seit mehreren Jahren andauernde Zusammenrücken von Porsche und VW wurde von vielen Konflikten begleitet.

Rosige Zukunftsaussichten

Das Autohaus-Porsche-VW-in Salzburg
Schon bald die Regel. Gemeinsame Autohäuser von Porsche und VWBild: AP

Der neue Autogigant aus Volkswagen und Porsche wird nach Expertenmeinung als großer Gewinner aus der aktuellen Autokrise herausfahren. Der kommende Zehn-Marken-Konzern könne den bisherigen Weltmarktführer Toyota entthronen, "wenn man jetzt alles richtig macht", sagt Autoexperte Stefan Bratzel. "Vor allem müssen ganz klare Führungsstrukturen geschaffen werden", mahnt er. Dabei, so die Einschätzung des Professors vom Center of Automotive in Bergisch-Gladbach, läuft es auf VW-Chef Martin Winterkorn als neuen Chef hinaus. "Wiedeking hat zuviel Porzellan zerschlagen und ist in Niedersachsen und bei den Arbeitnehmern nicht mehr vermittelbar", vermutet Bratzel über den Porsche-Chef Wendelin Wiedeking.

Ein integrierter VW/Porsche-Konzern würde jedenfalls in der ersten Liga der weltweiten Auto-Industrie mitspielen. Mit zusammen 6,5 Millionen Autos und einem Umsatz von 121 Milliarden Euro wäre er Toyota auf der Spur, der im vergangenen Jahr 8,9 Millionen Stück absetzte und 197 Milliarden Euro umsetzte. Die große Autokrise kommt VW/Porsche dabei nicht einmal so unrecht, denn die bisherigen großen Konkurrenten zerlegen sich gerade selbst: Der frühere Welt-Gigant GM kämpft um das Überleben. Renault-Nissan leidet derzeit doppelt: Nissan in den USA und die Kernmarke Renault in Europa. Eine mögliche Formation aus Fiat, Opel und Chrysler wäre groß, aber auf Jahre mit sich selbst beschäftigt. Toyota geht es auch schlecht: Der japanische Autobauer erwartet erstmals seit 1950 rote Zahlen. Der weltgrößte Autokonzern gab den erwarteten Jahresfehlbetrag mit 3 Milliarden Euro an. Der eingebrochene US-Markt und ein schwacher Heimatmarkt haben das Geschäft verhagelt.(fg/dpa/AP)