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Bundesligakommentar

31. Oktober 2011

Krawalle in Dortmund und Frankfurt, Übergriffe außerhalb der Stadien: Die Gewalt im deutschen Fußball nimmt zu. DFB und Politik sollten aber nicht vorschnell sanktionieren, fordert Olivia Fritz. Die Fans sollen helfen.

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Der Dresdner Fanblock mit brennden Bengalos beim DFB-Pokalspiel in Dortmund. (Foto: Martin Meissner/AP/dapd)
Alles brennt: Der Dresdner Fanblock in DortmundBild: dapd

Endlich schauen sie hin, die Herren des Deutschen Fußballbundes (DFB) und die aus der Politik. Gewalt im Fußball gebe es nicht, hat noch zu Beginn des Jahres der Sicherheitsbeauftragte des DFB behauptet, Helmut Spahn. Das war auf einem der Gewaltgipfel, wo viel geredet und versprochen wird. Herausgekommen ist nicht viel: Fangruppen wie die "Ultras" fühlen sich nicht ernst genommen und beklagen, dass sich nicht an Absprachen gehalten wird. Und – das wurde auch deutlich: Mit der Polizei reden "Ultras" generell nicht.

Angriffe auf Polizisten nehmen zu

Das ist ein Problem, denn so werden sie zur Zielscheibe in der Debatte. Oft kommen gewaltbereite Fans aus ihren Reihen. Aber: Nicht alle Ultras sind Hooligans. Und nicht jeder Polizist reagiert angemessen. Das führt immer häufiger zur Eskalation. Gewaltforscher beobachten, dass Polizisten mehr und mehr zu Feindbildern stilisiert werden und die Polizei bestätigt das. Sie verzeichnet einen Verletzten-Höchststand bei Fanausschreitungen – vor allem durch Pyrotechnik. Weil gewaltbereite "Fußballfans" mit Feuerwerkskörpern um sich werfen oder Knallkörper zünden.

Verhindere man die Pyrotechnik, so hätte man auch das Gewaltproblem im Griff, denken nun viele. Das, was aber im DFB-Pokal geschehen ist – brennende Fahnen in den Fanblöcken und randalierende Fans vor den Stadien oder auf Autobahnraststätten wie zuletzt in der Bundesliga vor der Partie Stuttgart gegen Dortmund – hat wenig gemein mit dem Bild der rotglühenden Bengalos, die meist zu Spielbeginn oder nach einem Tor gezündet werden. Wer einmal in einem italienischen Stadion zu Gast war, ist meist begeistert von der durch Pyrotechnik entstandenen Choreographie. Das Fußballherz sagt euphorisiert "Ja" zu solch einer emotionalen Atmosphäre.

Pyrotechnik ist nicht gleich Gewalt

Rostocker Fans zünden beim Zweitliga-Nordduell zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock bangalische Feuer im Stadion. Die Hamburger Polizei steht mit einem Großaufgebot bereit, um Ausschreitungen zu verhindern. (Foto: Bodo Marks)
Bengalische Feuer führen zu massiver PolizeipräsenzBild: picture-alliance/dpa

Pyrotechnik ist aber in deutschen Stadien verboten, das Abbrennen bestimmter Leuchtkörper gesetzlich nur ausgebildeten Feuerwerkern gestattet. Denn dadurch entstehen Rauch und große Hitze, die in einer großen Menschenmasse zu schweren Verletzungen führen können. Die Befürworter der Pyrotechnik – unter ihnen auch viele der gescholtenen Ultra-Gruppierungen – wollen deswegen Bengalos geplant und nur in bestimmten Fanzonen abbrennen. Sie distanzieren sich ausdrücklich von gewaltsamen Anwendungen wie Leuchtspurgeschossen, Knallkörpern und dem Werfen von Bengalos.

Was also tun? Spiele abbrechen oder gar absagen, Gästefans komplett ausschließen oder Ticketkontingente für bestimmte Fangruppen reduzieren? Damit fördere man den Solidarisierungseffekt, warnen die Fanprojekte zu Recht. Und man trifft nicht die, die man isolieren muss.

Nicht nur reden, auch verstehen!

Wenn sich beim nächsten Krisengipfel im November wieder Vertreter von Politik, Vereinen und Verbänden an einen Tisch setzen und beratschlagen, was zu tun ist gegen die Gewalt im Fußball, so sollten sie nicht vorschnell schärfere Gesetze beschließen und das Verhalten der Fans pauschalisieren. Vielleicht sollten sie sich den Versuch aus Hannover anschauen: Dort konnte durch den Einsatz von "Konfliktmanagern" die Anzahl der Polizisten am Spieltag verringert werden.

Denn Aufklärung darüber, was ein Fan machen darf und was nicht, schafft Klarheit am Spieltag. Zudem sollte sich die Polizei fragen lassen, warum sie sich gegen die Kennzeichnungspflicht sperrt, die sie später identifizierbar macht? Der Anblick von einem massiven Aufgebot an schwer bewaffnete Polizisten auf dem Weg zum Stadion trägt nicht unbedingt zur Deeskalation bei.

Schließlich sollten am Krisengipfel vor allem die am Tisch sitzen, um die es geht: Die Fans. Sie sollte man in die Verantwortung nehmen. Denn sie können als Masse dafür sorgen, dass die wenigen, die ihrem Verein und der ganzen Gruppierung schaden, zur Rechenschaft gezogen werden. Sie müssen den Mund aufmachen und die Krawallmacher identifizieren. Denn solange wenige Chaoten für Krawalle sorgen, werden viele friedliche Fans keine Argumente finden. Ob es nun um Pyrotechnik geht oder nicht.

Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Joscha Weber