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Müder Auftakt

Cornelia Rabitz14. Januar 2003

Die Aufmerksamkeit der politischen Beobachter war dem Bundeskanzler bei seinem Auftritt bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz gewiss. Jedoch haben sein Charme und sein Witz nachgelassen, meint Cornelia Rabitz.

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Viel Zeit hatte der Bundeskanzler mitgebracht, zuviel Zeit. Ganze eineinhalb Stunden stand er den zunehmend ermüdeten Fragestellern in der Bundespressekonferenz zur Verfügung. Eine innenpolitische Botschaft - auch eine, die die Menschen jenseits des Saals erreicht hätte - blieb Gerhard Schröder allerdings schuldig. Weniger wäre sicherlich mehr gewesen. Schröder hatte nur dürre Sätze, gewundene Erläuterungen übrig, sein einst schalkhafter Humor hat unterdessen etwas Schales bekommen, die Kanzler-Witze wirken bemüht, sie ziehen nicht mehr.

Auch wenn er auf seiner von mehreren Fernsehsendern live übertragenen Pressekonferenz noch so oft die Notwendigkeit von Reformen in Deutschland beschwor: keine Strahlkraft, kein Glanz, kein Fünkchen von Aufbruch mochten sich einstellen. Zu Wort meldete sich eine Art Vorsteher, ein Verwalter der Republik und nicht eine Persönlichkeit, die den Menschen kraft eigener Ausstrahlung Mut gemacht hätte.

Schwierige Zeiten

Sind die Zeiten so schwierig geworden? Liegt es vielleicht auch daran, dass die Journalisten, die den Kanzler in diesen Wochen in ihren Kommentaren so gerne kritisieren, es inzwischen an pointierten Fragen fehlen lassen? Haben sich Politik und Medien in Zeiten, da auch das Privateste öffentlich, die Gier nach Enthüllungen und Entlarvungen unersättlich wird, einfach satt? Oder hat sich allgemeine Ermüdung wie Mehltau über die politische Szenerie Berlins gelegt?

Die öffentlichen Bekundungen der Politik und das subjektive Empfinden der Bevölkerung jedenfalls driften auseinander. Der Regierungschef spricht immer wieder von großen Reformen, die durch die rot-grüne Koalition ins Werk gesetzt worden seien, von Beschlüssen, deren positive Wirkungen sich nunmehr nur noch entfalten müssten - in der Öffentlichkeit ist dies sichtlich nicht angekommen. Die Wahrnehmung hinkt der Politik hinterher. Dazu sagt der Kanzler: Die Lage ist nicht so düster, wie die Menschen sie empfinden.

Gewissheiten

Soviel allerdings ist gewiss: Gebannt starrt man auf das problematische internationale Umfeld, die Entwicklung rund um den Irak; Entscheidungen wie Stimmung im Lande stehen offenkundig unter dem außenpolitischen Vorbehalt. "Was wäre wenn" ist daher eine der beliebtesten Wendungen im politischen Diskurs dieser Tage. Auch Gerhard Schröder muss sich immer wieder Fragen nach einem möglichen Abstimmungsverhalten Deutschlands im Weltsicherheitsrat, nach den Konsequenzen eines Waffengangs, gefallen lassen. Und so sehr er sich darum bemüht, positive Signale ins Inland zu senden - die außenpolitische Ungewissheit bildet im Innern den Kern der Lähmung.

Noch einmal hat der Bundeskanzler bekräftigt, dass Deutschland für einen Krieg in Irak weder Soldaten noch Geldmittel bereitstellen werde. Diese Position werde auch das Abstimmungsverhalten prägen. Eine politische Isolierung befürchtet der deutsche Regierungschef nicht, Deutschland leiste bei der Terrorismusbekämpfung und in anderen internationalen Einsätzen Enormes, dies werde allgemein anerkannt. Im übrigen dürfe erst entschieden werden, wenn sich die Waffeninspekteure ein umfassendes Bild gemacht hätten.

Bekanntes

Innenpolitisch beschrieb der Kanzler Bekanntes: Keine Grundgesetzänderung zum erweiterten Einsatz der Bundeswehr, etwa beim Abschuss entführter Flugzeuge. Es bleibe bei den eingeleiteten Reformen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Konsolidierungspolitik sowie der Ablehnung weiterer Steuererhöhungen. Ziel sei die Modernisierung der Sozialsysteme mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen in Deutschland. Dass er dann ein wenig mit Amtszeiten und einer erneuten Kanzlerkandidatur in ferner Zukunft kokettierte, dass er angesichts von kursierenden Ehekrisengerüchten das Recht auf Privatheit auch für sich reklamierte: Randnotizen.

Die eigentliche positive Botschaft dieses Tages hat schließlich nicht Schröder, sondern sein Finanzminister überbracht: Der Bund hat im vergangenen Jahr weniger Schulden gemacht als geplant, die Steuereinnahmen entwickelten sich besser als geschätzt. Wenn man so will, ein Lichtpunkt in der allgemeinen Verdüsterung.