Möge der Hässlichste gewinnen!
25. Oktober 2010Nein, besonders schön ist die Musik nicht, die an diesem Abend im Hamburger Club Terrace Hill gespielt wird. Eher hässlich. Und genau deswegen passt sie so gut. Auf der Bühne tanzen vier Jungs, Anfang 20. Wobei tanzen vielleicht zuviel gesagt ist. Sie bewegen sich irgendwie zu den billigen Partybeats aus den 90er Jahren.
Einer von ihnen hüpft unrhythmisch umher, rudert hilflos mit den Armen. Ein anderer hat die Hände schamhaft vor sein Geschlecht gelegt. Der dritte steht nur da. Packt eine Blockflöte aus und tut so, als würde er auf ihr spielen. Es handelt sich hier nicht um eine Kunstperformance - wobei vielleicht doch, erzählt der Veranstalter des Ganzen, Florian Schüppel. "Ugly Dance ist die Kunst des hässlichen Tanzes. Wir suchen keine schlechten Tänzer, sondern Leute, die künstlerisch hässlich tanzen."
Wer die meisten Buhrufe bekommt, gewinnt
Die vier Jungs auf der Bühne nennen sich die Dezentiner und sind extra aus dem 150 Kilometer entfernten Steinfeild angereist. Einem kleinen Dorf in Niedersachsen. In Hamburg wollen sie Weltmeister werden. Weltmeister im Hässlich-Tanzen. Tagelang haben sie an einem Bewerbungsvideo gebastelt. Haben eine Performance einstudiert, gefilmt und auf der Online-Plattform Youtube hochgeladen. Und es unter die zehn Besten geschafft. Wenn sie an diesem Abend die meisten Buhrufe kassieren, werden sie den Titel gewinnen: Hässlichster Tänzer der Welt. Damit das gelingt, haben sie ihren speziellen Tanzstil entwickelt. "Der reicht von total abspacken, bis ganz schüchtern, dezent dastehen", sagt Michael Beth, alias "Shy-Guy".
Beim Ugly-Dance-Worldcup geht es selbstverständlich vor allem um Spaß. Aber eben auch ein bisschen um Kreativität und Kunst, sagt jedenfalls Veranstalter Florian Schüppel. "Die Kunst besteht darin, eben nicht das zu machen, was von einem erwartet wird." Die Ugly Dancer wollen dem Einheitsbrei auf den weltweiten Tanzfluren etwas entgegensetzen, sagt er. "Bewegungen, die man noch nicht kennt. Gegen den Takt, im Stilmix. Da ist sehr, sehr viel Raum für Hässlichkeit."
Die Ästhetik des Hässlichen
So ganz neu ist das nun allerdings auch nicht. Ästhetik des Hässlichen hat das der Philosoph Karl Rosenkranz vor 150 Jahren mal genannt. Auch das Hässliche müsse seinen Platz in Kunst und Kunstanschauung bekommen, meinte der Denker damals. Spätestens an diesem Abend wird sein Appell erhört.
Zehn Teams aus Deutschland, Luxemburg und der Schweiz buhlen um den Titel. Gegen elf ist die Vorrunde voll im Gang. Die "Chucklines of Norris" kommen auf die Bühne. Zwei junge Frauen aus Luxemburg. Sie haben sich in pinke Leggins gezwängt. Beide tragen seltsame Schweißbänder und viel zu weite Seidenblusen. In ihrer Performance werfen sie sich immer wieder auf den Boden. Zappeln mit den Beinen. Springen auf und tanzen gegen den Rhythmus der Musik an.
Vorbild für Tanzflächen-Langweiler?
Sie wollen in ihrer Hässlichkeit ernst genommen werden, bekennen die beiden. Aber was sie auch anstellen - sie sehen eben doch zu niedlich aus. Ins Finale der Hässlichkeit gelangen zwei Herren-Kombos: Die "Inferno Ragazzi", vier Jungs, die vor allem mit viel Haut und wenig Kleidung überzeugen wollen.
Und: Die Dezentiner. Die bleiben auch bei ihrem letzen Tanz an diesem Abend ihrem Motto treu und bewegen sich nur recht sparsam und dezent - und gewinnen. Mit dem wertlosen Pokal in der Hand geben sie den ungelenken Tänzern dieser Welt noch eine Botschaft mit auf den Weg: "Versucht, aktiv hässlich zu tanzen. Hebt euch von der Menge ab, so wie wir gerade."
Was Ugly Dance erreichen will? Man weiß es nicht. Vielleicht aber so etwas: Dass sich die Normalos dieser Welt - in Jeans und schwarzen T-Shirt - nicht mehr so gleichförmig grau auf der Tanzfläche bewegen.
Autor: Manfred Götzke
Redaktion: Klaudia Prevezanos