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Märchen von tödlichen Waffen

20. Mai 2003

Anders als für einige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates ist das Thema Massenvernichtungswaffen für viele Amerikaner vom Tisch. Auch die US-Regierung möchte Debatten über den einstigen Kriegsgrund vermeiden.

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US-Militärs auf der vergeblichen Suche nach chemischen WaffenBild: AP

Der Krieg im Irak habe sich auch gelohnt, wenn dort keine Massenvernichtungswaffen gefunden würden, meinen 56 Prozent der US-Amerikaner in einer aktuellen Umfrage der "New York Times" und des Senders CBS. Vor diesem Hintergrund ist es für die US-Regierung schon richtig ärgerlich, dass die US-Presse sowie vor allen Dingen auch Politik und Medien im Ausland bei der Einforderung dieser Beweise hartnäckig bleiben.

Ergebnislose Suche

UNO Waffeninspekteur reist aus Baghdad ab
UN-Waffeninspekteure bei der Abreise aus BagdadBild: AP

Wir erinnern uns: Nachdem es den Amerikanern trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen war, Saddam Hussein mit dem El-Kaida-Terrornetzwerk in Verbindung zu bringen, wurden die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak zum wichtigsten Kriegsgrund. "Geheimdienstinformationen meiner und anderer Regierungen lassen keinen Zweifel daran, dass das irakische Regime einige der tödlichsten Waffen, die je hergestellt wurden, besitzt und versteckt", sagte Bush vor Kriegsbeginn in seiner Ultimatum-Rede. Außenminister Colin Powell schätzte die irakischen Giftgasbestände öffentlich auf 100 bis 500 Tonnen.

Doch das Absuchen von 17 der 19 am meisten verdächtigen Lagerstätten hat bislang keine Ergebnisse gebracht. Auch in Dutzenden anderer Einrichtungen fand sich nichts. Einmal erwiesen sich verdächtige Fässer als Mülltonnen, dann stellten sich Chemikalienrückstände als harmlose Putzmittel heraus. US-Beamte richten ihre Hoffnung jetzt auf zwei Lastwagen. Sie könnten möglicherweise einmal als mobiles Biowaffenlabor genutzt worden sein. Die Untersuchungen laufen schon seit über einer Woche, ohne dass bisher ein Ergebnis bekannt gegeben worden wäre.

Erklärungsnot fördert neue Theorien

Eine wirkliche Sensation im Sinne des schlagenden Beweises, den die USA schon in den Zeiten suchten, als die UN-Waffeninspekteure noch im Irak unterwegs waren, wäre das aber ohnehin nicht. Auch die inzwischen festgenommenen Iraker haben die US-Hoffnung auf einen Durchbruch bislang enttäuscht. Weder "Dr. Bazillus" noch "Dr. Anthrax", die irakischen Wissenschaftlerinnen Rihab Taha und Huda Ammasch, die maßgeblich am irakischen Biowaffenprogramm beteiligt gewesen sein sollen, zeigen sich gesprächig. Auch andere Iraker halten an der Aussage fest, dass sämtliche Bestände längst vernichtet wurden.

Offiziell heißt es in Washington, die Suche nach biologischen und chemischen Kampfstoffen werde fortgesetzt. Doch reisen die ersten Suchtrupps bereits frustriert ab. Im Erklärungsnotstand äußern US-Militär und Regierungsbeamte neue Theorien: Vielleicht sei das gefährliche Material ja bei den Plünderungen abhanden gekommen. Nichts zu finden, wäre nach dem öffentlichen Getöse um angeblich hoch verlässliches Geheimdienstmaterial peinlich für die USA. "Wo sind denn diese Arsenale von Massenvernichtungswaffen?" höhnte der russische Präsident Wladimir Putin bereits beim Treffen mit dem britischen Premier Tony Blair vor zwei Wochen.

Märchenhaftes Ende?

Die US-Regierung baut bereits argumentativ vor und ändert in aller Stille ihre Linie. Saddam habe die Waffen jahrelang versteckt und die Vereinten Nationen an der Nase herumgeführt, insistierte Bush unlängst in Ohio. "Aber wir wissen, dass er sie hatte. Und ob er sie zerstört, verlegt oder versteckt hat, wir werden die Wahrheit herausfinden." Das Ende dieser Geschichte könnte lauten: "Und wenn er nicht gestorben ist, dann hat er sie noch heute." (dpa/am)