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Luftkrieg geht in fünfte Woche

4. November 2001

Mit weiteren Bombardements von Taliban-Stellungen im Norden des Landes sind die US-Luftangriffe auf Afghanistan am Sonntag in die fünfte Woche gegangen.

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Bild: AP

Die Ziele lagen erneut an der Bürgerkriegsfront im Norden des Landes, in der umkämpften Stadt Masar-i-Scharif und in Kabul. In der Hauptstadt explodierten nach einer Meldung der Taliban-Nachrichtenagentur Bachtar Bomben in der Nähe des Hotels Intercontinental. Dabei sollen den Angaben zufolge neun Menschen verletzt worden sein. Eine Bombe habe kurz nach Mitternacht einen Pritschenwagen getroffen, sagte der stellvertretende Bachtar-Chef Abdul Wakil Omari. Da für die Bewohner Kabuls eine nächtliche Ausgangssperre herrscht, handelt es sich bei den Verwundeten offenbar um Taliban-Kämpfer.

Die Angriffe auf Frontstellungen der Taliban seien sehr intensiv gewesen, sagte ein Sprecher des gestürzten Präsidenten Burhanuddin Rabbani. Die Taliban hielten jedoch ihre Stellungen und bauten diese sogar weiter aus, räumte der Nordallianz-Sprecher Nadim Aschraf ein. Nach Angaben der Taliban eroberten ihre Truppen im Süden von Masar-i-Scharif Gebiete zurück, die die Nordallianz, tags zuvor als eingenommen gemeldet hatte. Für die Angaben gibt es keine unabhängige Bestätigung.

Taliban verhaften Oppositionelle

Unterdessen setzen die Taliban aus Angst vor einem möglichen Umsturz zunehmend politische Gegner und Verdächtige fest. "Alle, die unter Verdacht stehen, sie könnten eine Alternative zur Herrschaft der Taliban vorschlagen, wurden zusammengetrieben und ins Gefängnis gesteckt", berichtete der französische Fotoreporter Michel Peyrard am Sonntag in der pakistanischen Stadt Peshawar. Der Journalist des Wochenmagazins "Paris Match" war am Samstag nach 25 Tagen Taliban-Gefangenschaft in Afghanistan freigelassen worden. Allein im Hauptgefängnis der ostafghanischen Stadt Dschalalabad stieg die Zahl der politischen Gefangenen nach Peyrards Angaben seit dem 11. September von 150 auf etwa 400. Es gebe regelmäßig Razzien zur Verfolgung möglicher Taliban-Feinde.

Zu seiner eigenen Gefangenschaft sagte Peyrard, der erste Tag sei "ziemlich schwierig" gewesen. Er sei "grob" behandelt worden. Danach seien die Bedingungen "erträglich" gewesen. Peyrard war am 9. Oktober in der Nähe von Dschalalabad zusammen mit zwei pakistanischen Journalisten in die Hände der Taliban gefallen. Der 44-jährige Journalist hatte sich als Frau mit dem afghanischen Ganzkörperschleier, der Burka, verkleidet und trug nach Angaben der Taliban unter anderem ein Satellitentelefon und ein Aufnahmegerät bei sich. Über das Schicksal der beiden pakistanischen Journalisten war zunächst nichts bekannt. Auf Spionage steht in Afghanistan die Todesstrafe.

Pakistanische Freiwillige für "Heiligen Krieg"

Derweil schlossen sich am Sonntag erneut rund 1200 bewaffnete Pakistaner der afghanischen Taliban-Miliz angeschlossen, um gegen die USA in den "Heiligen Krieg" zu ziehen. Die Männer wollten sich in der ostafghanischen Stadt Dschalalabad mit den etwa 3200 Freiwilligen sammeln, die bereits in den vergangenen Tagen die Grenze überquert hatten, teilte der Vorsitzende der radikalislamischen Partei Tehreek Nifaz-e-Shariat Mohammadi (Bewegung für die Durchsetzung der islamischen Scharia-Gesetze), Mohammad Ismael, in Peshawar mit. Die Kämpfer hätten Maschinengewehre und andere Waffen bei sich.

Seit Donnerstag sind damit insgesamt 4400 Pakistaner über den Grenzübergang Bajaur in der Provinz North West Frontier nach Afghanistan gereist, um die Taliban zu unterstützen. Zuvor hatte der mutmaßliche Terroristenführer Osama bin Laden die pakistanischen Moslems in seinem zweiten Videoauftritt im arabischen Fernsehsender El Dschasira seit Beginn der Luftangriffe zum gemeinsamen Kampf gegen die USA aufgerufen. In der am Samstag ausgestrahlten Rede bezeichnete bin Laden die Vereinten Nationen als "Instrument des Verbrechens gegen die Moslems" und griff zudem arabische Staatsführer scharf an. Die US-Regierung bezeichnete die neue Botschaft bin Ladens als "Akt der Verzweiflung" und wertete sie als Beweis, dass der mutmaßliche Terroristenchef zunehmend unter Druck gerate.

USA suchen Unterstützung in Usbekistan und Tadschikistan

Im Krieg gegen die in Afghanistan herrschenden Taliban bemühen sich die USA derweil um verstärkte Unterstützung der Nachbarländer Usbekistan und Tadschikistan. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach am Sonntag in Taschkent mit dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow über eine Ausweitung des bisherigen Beistands. In Usbekistan sind bereits etwa 1.000 US-Soldaten stationiert. Rumsfeld bemühte sich dem Vernehmen nach um eine Überlassung des ehemaligen sowjetischen Luftwaffenstützpunkts Chanabad, der nur 145 Kilometer von der Grenze zu Afghanistan entfernt ist. Usbekistan soll nach den Wünschen der USA auch als Basis für die Versorgung der derzeit etwa 100 bis 200 amerikanischen Soldaten in Afghanistan dienen. Rumsfeld erklärte am Freitag, er hoffe, den Einsatz dieser Spezialtruppen bald auszuweiten.

Vor seinen Gesprächen in Taschkent war Rumsfeld am Samstag in Tadschikistan eingetroffen. Nach Gesprächen mit Präsident Emomali Rachmonow und anderen Regierungsmitgliedern sagte Rumsfeld, er habe keine Abmachung über eine militärische Zusammenarbeit erzielt. Beide Seiten wollten jedoch ein Bewertungsgremium einrichten, das die Möglichkeiten dafür prüfen soll. Tadschikistan gestattet derzeit nur den Überflug seines Territoriums für humanitäre Lieferungen. Außenminister Talbak Nasarow sagte, dies könnte möglicherweise auch auf militärische Flüge ausgeweitet werden.