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Berliner Stadtschloss

8. Juni 2010

Die Bundesregierung hat Deutschlands größtes kulturelles Vorzeigeprojekt auf Eis gelegt. Aus Kostengründen soll der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses erst drei Jahre später als geplant beginnen.

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Der Siegerentwurf von Stella (Foto: AP)
Der Siegerentwurf von StellaBild: AP

Zumindest eine Kopie wird man Ende des Jahres bewundern können. Dann nämlich will das Legoland am Potsdamer Platz ein Modell des Berliner Stadtschlosses präsentieren – im Maßstab 1: 60 und zusammengesetzt aus rund 250.000 der bewährten Bausteine. Bis zur Fertigstellung des Originals wird es hingegen noch eine ganze Reihe von Jahren dauern. Denn die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Beginn der Bauarbeiten in das Jahr 2014 verschoben. Die Zeiten seien ernst und schwierig, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Begründung. Das Geld in Deutschland sei knapp, es müsse gespart werden. "Wir können uns nicht alles leisten, was wir uns wünschen, wenn wir die Zukunft gestalten wollen."

Ernste Zeiten

Archivaufnahme: Der Palast der Republik in Berlin (Foto: Bilderbox)
Der Palast der RepublikBild: Bilderbox

Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), nannte die Verschiebung eine "Kurzschlussreaktion" des Bundes. Sie bedeute, dass die Zukunft "dieses wichtigen Projektes" völlig ungewiss sei. Vor acht Jahren, im Juli 2002, hatte der Deutsche Bundestag über die Fraktionsgrenzen hinweg den Wiederaufbau des Stadtschlosses der Hohenzollern beschlossen.

Der prunkvolle Barockbau mit seinen weitläufigen Zimmerfluchten und prächtigen Sälen war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden, die Reste ließ die DDR 1950 sprengen. Auf einem Teil des Areals war dann der Palast der Republik gebaut worden, das Stadtschloss schien Geschichte zu sein. Bis zur Wiedervereinigung und jenem historischen Bundestagsbeschluss, in dessen Folge der Palast der Republik abgerissen wurde.

Palast des 21. Jahrhunderts

552 Millionen Euro wurden für das ehrgeizige Projekt Stadtschloss veranschlagt. 440 Millionen sollte der Bund tragen, 32 Millionen der Berliner Senat, 80 Millionen hat der Förderverein Berliner Schloss versprochen. Um die architektonische Ausgestaltung wurde lange lebhaft und kontrovers debattiert. Schließlich, im Jahre 2008, entschied sich eine Jury aus Architekten und Politikern für den Entwurf des Italieners Francesco Stella. Dieser orientiert sich am historischen Grundriss des Hohenzollernschlosses, sieht die exakte Nachbildung der barocken Fassaden an drei Außenseiten und innerhalb des sogenannten Schlüterhofes vor, und will die historische Vorlage im Inneren aktualisieren und mit neuen Durchblicken aufbrechen.

Archivbild: Berlin Kurfürstenbrücke mit Stadtschloss (Foto: picture-alliance)
Historisches Vorbild - so sah das Stadtschloss damals aus...Bild: picture-alliance / Terra Incognita e.V.

Das mächtige Gebäude soll eine Lücke in Berlins historischer Mitte schließen und künftig das sogenannte Humboldt-Forum beherbergen, eine "Freistätte für Kunst und Wissenschaft". Hinter den historischen Fassaden werden, so der Plan, Kultur-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen Platz finden und insbesondere die Berliner Sammlungen der außereuropäischen Kulturen, die derzeit noch im südlichen Stadtteil Dahlem ausgestellt werden. Endlich könnten sie dann mit den auf der gegenüberliegenden Museumsinsel untergebrachten europäischen Sammlungen in einen Dialog treten. Diese Vollendung der Humboldtschen Idee sieht Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nun freilich gefährdet. Er fürchtet um das größte und spannendste Kulturprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik.

Gewinner und Verlierer

Der Schlossplatz in Berlin - aktuell eine Grünfläche (Foto: AP/Maya Hitij)
Der Schlossplatz - aktuell eine GrünflächeBild: AP

Von dem Aufschub der Bauarbeiten profitiert zumindest kurzfristig der Haushalt von Bundesbauminister Peter Ramsauer, CSU. Doch Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz geht davon aus, dass die "Sparsymbolik" finanziell nichts bringe. Denn nun müssten die maroden Museen im Stadtteil Dahlem saniert werden. Und das könne bis zu 300 Millionen Euro kosten. Nach Angaben des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, hätten auch die bisherigen Vorarbeiten für den Schlossbau bereits erhebliche Summen gefordert. "Die Verschiebung verschlingt nun weitere Mittel. Ob man bei alldem von sparen sprechen kann, weiß ich nicht". Betroffen reagierte auch der Vorsitzende der Fördervereins, Wilhelm von Boddien, der seit Jahren Spenden für das Projekt sammelt. "Die Frage des Spendervertrauens und der Zuverlässigkeit steht jetzt im Raum", sagte er.

Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt, ein langjähriger Kritiker des Projekts Stadtschloss, reagierte indes erfreut auf die Entscheidung der Bundesregierung. Das sei ein spätes Eingeständnis, "dass ein politisch gewolltes Projekt bei der Bevölkerung keine Rückendeckung bekommen hat", sagte er. In einer Umfrage hatten sich kürzlich 80 Prozent der Berliner dafür ausgesprochen, den Bau komplett zu kippen. Das bedürfte indes einer neuerlichen und recht unwahrscheinlichen Bundestagsentscheidung.

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Petra Lambeck