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Louis Armstrong in der DDR

Elizabeth Grenier
20. September 2023

1965 spielte der Jazz-Musiker Louis Armstrong Konzerte in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die Ausstellung "I've Seen the Wall" in Potsdam setzt sich mit der politischen Komponente des Besuchs auseinander.

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Louis Armstrong bläst in dieser Schwarz-weiß-Aufnahme in seine Trompete.
Louis Armstrong alias Satchmo im März 1965 in der Messehalle LeipzigBild: Evelyn Richter/Deutsche Fotothek/VG bild-kunst, Bonn 2023

17 Konzerte in 9 Tagen - die Termine des Jazz-Musikers Louis Armstrong waren eng getaktet, als er im März 1965 für Auftritte in die kommunistische DDR reiste. Rund 45.000 Ostdeutsche sahen ihn mit seiner All Stars Band live spielen.

Der politische Hintergrund von Armstrongs Konzertreihe machte sie zu einem "herausragenden und zugleich ambivalenten Ereignis", sagt Paola Malavassi, Ko-Kuratorin der Ausstellung "I've Seen the Wall - Louis Armstrong auf Tour in der DDR 1965" im Kunstmuseum Das Minsk in Potsdam.

Die Berliner Mauer stand zu diesem Zeitpunkt kaum vier Jahre. Der Satellitenstaat der Sowjetunion hatte mit der Errichtung auf die massenhafte Abwanderung in den Westen reagiert. Als Bestandteil ihrer anti-westlichen Propaganda verschärfte die Regierungspartei SED in den 1950er und 1960er Jahren ihre Haltung gegenüber der populären Musik. Ende 1965 verkündete die Partei auf ihrer Plenartagung offiziell ihre harte Linie gegen alle kulturellen Formen, von denen man annahm, dass sie die "nihilistischen" und "pornografischen" Werte des Westens fördern würden.

Louis Armstrong erhält einen Blumenstrauß und lächelt nach seiner Landung in Berlin 1965.
Louis Armstrong am 19. März 1965 auf dem Flughafen Berlin-SchönefeldBild: akg-images/picture-alliance

Auch der Jazz wurde misstrauisch beäugt. DDR-Regierungsschef Walter Ulbricht soll ihn als "Affenmusik des Imperialismus" bezeichnet haben. Doch die Haltung der DDR-Behörden zu diesem Musikgenre schwankte zwischen den 1950er und 1970er Jahren, wobei einige Funktionäre seine Kraft als "Musik des Volkes" wegen seiner afroamerikanischen Wurzeln anerkannte. 

"Satchmo", wie Armstrong genannt wurde, war von der staatlichen Künstleragentur eingeladen worden, die darüber bestimmte, welche ausländischen Musiker in der DDR auftreten und welche ostdeutschen Künstler im Ausland spielen durften. Derartige Auftritte von Musikern aus dem Ausland instrumentalisierten die DDR-Behörden politisch. Der Leiter der DDR-Künstleragentur, Ernst Zielke, lobte den Besuch des afroamerikanischen Musikers als Symbol des Friedens und des Sozialismus, als Fest der Arbeiterklasse und der Völkerfreundschaft.

Stasi überwachte Konzert-Besucher

Gleichzeitig wollten damals auch die USA Jazzmusiker als "Botschafter des guten Willens" in die sowjetischen Länder schicken. Die DDR hatte die Armstrong-Konzerte in Sälen mit einer Kapazität von 2000 bis 3000 Plätzen genehmigt und die Stasi beauftragt, die Konzertbesucher zu überwachen.

Die Tournee soll der ostdeutschen Jazzszene Aufschwung gegeben haben, da die Musikrichtung als Symbol der Freiheit diente, wie der Jazzmusiker Jason Moran, Ko-Kurator von "I've Seen the Wall", in einem anlässlich der Ausstellung veröffentlichten Podcast erklärt.

Paola Malavassi und Jason Moran vor einem Springbrunnen.
Paola Malavassi und Jason Moran haben die Ausstellung kuratiertBild: Clemens Porikys

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf eine Aussage Armstrongs auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin während der Tournee. Ein westdeutscher Journalist fragte ihn nach einem Kommentar zur Berliner Mauer und der Teilung der Stadt. In seiner Antwort vermied Armstrong zunächst eine politische Aussage: "Ich habe die Mauer gesehen ... und ich mache mir keine Sorgen um die Mauer ... Ich mache mir Sorgen um das Publikum, vor dem ich morgen Abend spielen werde!"

Doch dann fügte er hinzu: "Ich kann nicht sagen, was ich sagen will, aber wenn Sie es akzeptieren, vergessen Sie den ganzen anderen Quatsch." Der Dolmetscher kicherte nervös und übersetzte Armstrongs Hinweis auf die Selbstzensur nicht ins Deutsche. Agenturchef Zielke beendete das Thema prompt mit den Worten: "Es ist schon interessant, dass die einzige politische Frage dieser Art nicht von uns, sondern von einem westlichen Sender kommt. Wir nehmen das mit Freude zur Kenntnis."

Interesse an US-Bürgerrechtsbewegung

Ebenso interessant ist allerdings, dass sich die Fragen der ostdeutschen Journalisten zwar nicht um die DDR drehten, aber ebenfalls politisch waren. Sie wollten etwas über Armstrongs Haltung zur Bürgerrechtsbewegung erfahren. Während der einflussreiche Trompeter durch Ost-Deutschland tourte, fanden in den USA die Märsche von Selma nach Montgomery statt. Die gewaltfreien Proteste, die sich gegen die rassistische Unterdrückung der Afroamerikaner richteten, führte Martin Luther King Jr. an.

Martin Luther King vor Stacheldraht an der Berliner Mauer.
Der Bürgerrechtler Martin Luther King - hier an der Berliner Mauer - sprach 1964 sowohl in West- als auch in Ost-BerlinBild: AP/picture alliance

Einige Monate zuvor, im September 1964, hatte King in West- und Ost-Berlin Reden gehalten. In beiden Teilen der geteilten Stadt warb er für Versöhnung. Der Pastor und Aktivist verglich auch die Unterschiede zwischen Afroamerikanern und Weißen in den USA mit denen zwischen Deutschen, die in kommunistischen und demokratischen Systemen lebten. Kings Betonung der gemeinsamen Kämpfe war für die Ostberliner besonders bewegend.

Auf die Märsche angesprochen, erklärte Armstrong, sein Beitrag zur Bewegung bestehe vielmehr darin, überall in seinem Heimatland zu spielen und Verbindungen zu seinen weißen Fans aufzubauen, selbst im Süden der USA, wo Rassentrennung noch existierte. Satchmo war zu dieser Zeit etwas verbittert darüber, dass ihm von seinen schwarzen Mitbürgern vorgeworfen wurde, nicht genug für die Bürgerrechtsbewegung zu tun.

In der Ausstellung "I’ve Seen the Wall" werden Szenen von Armstrongs Berlin-Besuch an die Wand projiziert.
Das Kunsthaus Das Minsk zeigt die Ausstellung "I've Seen the Wall"Bild: Elizabeth Grenier/DW

Wie sich Louis Armstrong engagierte

Dabei hatte der Musiker im Fall der Neun aus Little Rock ("Little Rock Nine") die Politik bereits 1957 angeprangert. Damals waren die ersten schwarzen Schülerinnen und Schüler, die nach dem Ende der Rassentrennung im US-Bundesstaat Arkansas die Schule besuchten, von Demonstranten drangsaliert und am Schulbesuch gehindert worden.

Viele afroamerikanische Aktivisten hatten dem Jazz-Superstar vorgeworfen, nicht laut genug zu sein. Doch wie Ko-Kurator Moran anmerkte, kamen sie mit der Zeit zurück und sagten: "Nun, eigentlich war Louis in seinem Aktivismus am tiefgründigsten". Sie hätten inzwischen erkannt gehabt, dass es verschiedene Wege gibt, wie Menschen es schaffen können, "in den Raum zu kommen, um Veränderungen anzustoßen".

Moran glaubt, dass Armstrong das tat. Als einer der ersten schwarzen Superstars in den USA und auf internationaler Ebene habe der Musiker "auf eine Art und Weise den Weg in Räume gefunden, die die Menschen auf der Straße nicht hatten".

"I've Seen the Wall. Louis Armstrong auf Tour in der DDR 1965" ist bis zum 4. Februar 2024 in Das Minsk in Potsdam zu sehen.

Aus dem Englischen adaptiert von Torsten Landsberg.