1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wenn (fast) alles stillsteht

6. November 2014

Im bisher längsten Lokführer-Streik bei der Deutschen Bahn sollen nun auch die Fern- und Regionalzüge stillstehen. Im Güterverkehr geht schon seit Mittwoch nichts mehr. Hoffnungen auf ein vorzeitiges Ende gibt es kaum.

https://p.dw.com/p/1Di5v
Leerer Bahnsteig (Foto: Reuters/H. Hanschke)
Bild: Reuters/H. Hanschke

Weder Appelle aus der Wirtschaft und der Politik noch ein Schlichtungsangebot der Deutschen Bahn konnten den Chef der Lokführergewerkschaft (GDL), Claus Weselsky, umstimmen: Zu dem Güterverkehr wird nun auch der Fern- und Regionalverkehr der Deutschen Bahn bestreikt – und das in einem Ausmaß wie es noch nie dagewesen ist. Bis Montag früh um 4.00 Uhr soll auf der Schiene nach dem Willen der Gewerkschaft nichts mehr gehen. Laut Bahn sind davon Millionen Berufspendler, Wochenendpendler und andere Fahrgäste betroffen, wie zum Beispiel Besucher der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin.

Etwa jeder dritte Zug fährt

Die deutsche Bahn hat allerdings angekündigt, dass sie einen Notfall-Fahrplan erstellen werde. Darin will der Konzern mindestens ein Drittel des Fernverkehrs und die Hälfte der Verbindungen im Güterverkehr aufrecht erhalten. Im Nahverkehr werde der Konzern in Westdeutschland bis 60 Prozent der Verbindungen anbieten können, sagte Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Im Osten würden wohl etwa 20 Prozent der Züge fahren. Im Güterverkehr versuche das Unternehmen, Kraft- und Stahlwerke sowie die Chemie- und Autoindustrie vorrangig zu bedienen.

Von der Schiene auf die Straße

Schon kurz nach Beginn der Ausstandes im Güterverkehr am Mittwoch wuchs in der Wirtschaft die Sorge vor Produktionsausfällen wegen ausbleibender Zulieferungen. "Die Schäden können dann schnell von einstelligen Millionenbeträgen auf über 100 Millionen Euro pro Tag ansteigen", warnte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Die Auto-Konzerne, die häufig besonders knapp bei Zulieferungen planen, verlegten Transporte von der Schiene auf die Straße, um sich gegen den Ausstand zu wappnen. Zudem stocken die Unternehmen ihre Lager auf. Täglich rollen alleine für die Automobilindustrie rund 200 Züge durch Deutschland.

Verhandlungen für Lokführer und Zugbegleiter

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach dem gescheiterten Schlichtungsangebot der Bahn zu Lösungen aufgerufen, "die auch für uns als Land einen möglichst geringen Schaden haben". Streiks müssten verhältnismäßig sein. "Es gibt eine Gesamtverantwortung", so die Kanzlerin. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel warf der GDL in der "Bild"-Zeitung vor, das Streikrecht zu missbrauchen.

Im Konflikt zwischen der Bahn und der GDL geht es nur vordergründig um die Gewerkschaftsforderung von fünf Prozent mehr Lohn bei kürzeren Arbeitszeiten. Weit umstrittener ist, dass die Gewerkschaft dies nicht allein für die 20.000 Lokführer verlangt, sondern auch für rund 17.000 Zugbegleiter und Rangierführer. GDL-Chef Weselsky beruft sich dabei auf das "Grundrecht der Koalitionsfreiheit" für die Beschäftigten der Bahn. Die Bahn glaube fälschlicherweise, mit Rückendeckung der Politik, schon jetzt ein geplantes Gesetz zur Tarifeinheit in dem Konzern umsetzen zu können, so Weselsky. Doch "die Rechtslage ist nun einmal eine andere, und wenn sie nicht so wäre, hätte jedes deutsche Gericht die GDL schon lange gestoppt", betonte Weselsky.

fab/gmf (dpa,rtr,afp)