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Politik

Die Sexismus-Debatte der CDU

Rahel Klein
26. September 2016

Die CDU-Nachwuchspolitikerin Jenna Behrends hat mit ihren Vorwürfen gegenüber ihrer Partei eine neue Sexismus-Debatte losgetreten. Das Echo ist gemischt. Es gibt viel Zuspruch, aber auch Unverständnis.

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Jenna Behrends CDU Politikerin Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/S.Kembowski

Es ist Freitagmorgen, als ein Artikel des Online-Magazins "Edition F" für Aufruhr sorgt. Die Verfasserin: Jenna Behrends, 26, Jura-Studentin, vor anderthalb Jahren der CDU beigetreten und frisch gewähltes Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte.

"Liebe Partei, liebe CDU Berlin, wir müssen reden. (…) Darüber wie du mit Frauen umgehst und deine Zukunft verspielst", heißt es in dem Text. Darin prangert die junge Quereinsteigerin den Sexismus in ihrer neuen politischen Heimat an. Sie schreibt über verleumderisches Gerede ("Die junge Frau, die ständig mit den Gerüchten um ihre angebliche Affäre konfrontiert wird, die gibt es in echt") und über einen Senator, der sie auf einem Parteitag als "große süße Maus" bezeichnete und der einen Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus vor Behrends Nominierung gefragt haben soll: "F*** du die?" Wenig später stellt sich heraus, dass Berlins Noch-Innensenator Frank Henkel (CDU) der Urheber der Äußerungen gewesen sein soll.


Doch Behrends Vorwürfe richten sich nicht nur gegen die Männer. Innerhalb der Frauen-Union soll sie als karrieregeil, als "nimmersatte Karrieristin" angesehen worden sein, wie sie schreibt. "Auch wenn ich mich anfangs mehr am angeblichen Hochschlafen gestört habe, bin ich mir unschlüssig, ob ich den 'Die-hat-zu-große-Ambitionen'-Vorwurf einer anderen Frau nicht noch vernichtender finde."

Widerspruch aus der Frauen-Union

Seitdem ist ein Wochenende vergangen. Es gab Dutzende Artikel über die junge Politikerin, einige Interviews mit ihr und unzählige Reaktionen. Unterstützende, aber auch solche, die Unverständnis über diese direkte, öffentliche Art der Auseinandersetzung bekunden.

Frank Henkel selbst äußerte sich verwundert und wörtlich "auch ein bisschen enttäuscht über Inhalt und Stil dieses offenen Briefes". Er stritt die Vorwürfe nicht ab, teilte stattdessen mit, dass seine Tür für ein Gespräch mit Behrends offen stehe. Angeblich soll ein Treffen bald stattfinden.

Für Zündstoff sorgte Sandra Cegla, die Vorsitzende der Frauen-Union in Berlin-Mitte: Sie empfinde Behrends als eine "zweifelhafte Persönlichkeit", die selbst "Unwahrheiten und Intrigen" verbreitet habe. Sie erntete nicht zuletzt auf Twitter viel Kritik.

Dem "Berliner-Kurier" zufolge sei sie empört darüber, dass Behrends sich als Vorkämpferin gegen Sexismus darstelle. "Ausgerechnet Jenna, die ihre weiblichen Reize spielen ließ und den Männern halb auf dem Schoß saß - ein Hohn", zitiert das Blatt Cegla.

Rückendeckung aus der Bundes-CDU

Die Berliner CDU scheint sich im Fall Behrends in zwei Lager zu spalten: Das eine, das ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellt, ihr Machthunger und Intriganz vorwirft. Und das andere, das Behrends unterstützt und ihren Aufruf ernst nimmt. Der Berliner CDU-Politiker Florian Nöll sagte kurz nach der Veröffentlichung des Briefes: "Es ist in Wahrheit noch schlimmer."

Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber signalisierte Rückendeckung. "Bild am Sonntag" sagte er, er bekomme Geschichten wie diese immer wieder geschildert. Allerdings ohne Nennung von Namen. Dies mache es schwierig, etwas dagegen zu tun. "Umso wichtiger, dass es nun diese Debatte gibt", so Tauber. Er fügte hinzu, dass Sexismus nicht nur ein Problem in der Politik sei.

Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Nadine Schön. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk (DLF) reagierte sie zwar eher zurückhaltend auf die Vorwürfe von Behrends. Sie sagte aber, Sexismus sei ein Thema, das gesamtgesellschaftlich stärker diskutiert werden müsse - nicht nur in Parteien und in der Politik.

Anne Wizorek
Feministin Anne WizorekBild: Anne Koch

Bloggerin und Feministin Anne Wizorek sagte dem DLF, es sei "total wichtig", dass Behrends diesen Schritt gemacht und die Debatte angestoßen habe. Sie begrüßte die Unterstützung Taubers, betonte aber auch, dass es nicht ausreiche, das Problem anzuerkennen. Nun müssten konkrete Lösungsvorschläge entwickelt werden.

Wizorek selbst bloggt und schreibt seit Jahren aktiv gegen Sexismus. Im Januar 2013 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Hashtags #aufschrei. Damals hatte unter anderem ein Bericht der Journalistin Laura Himmelreich über ihr Treffen mit FDP-Politiker Rainer Brüderle eine Debatte um Sexismus im Alltag ausgelöst. Brüderle hatte zu der Journalistin gesagt, ihr Dekolleté könne "sicher auch ein Dirndl ausfüllen". Wizorek war es auch, die nach den sexuellen Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht die Kampagne #ausnahmslos initiierte, die sich gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus richtet.

Von den Reaktionen überrascht

Mehr als drei Jahre nach dem großen #aufschrei könnte nun die nächste Debatte folgen. Jenna Behrends, die für ein Interview nicht zu erreichen war, sagte der "Welt" am Wochenende, sie habe nicht mit so viel Resonanz gerechnet. Mehrfach habe sie versucht, das Thema parteiintern anzubringen - doch dabei sei sie nie richtig weitergekommen. Sie betonte, es sei ihr nicht darum gegangen, eine bestimmte Person anzugreifen - sie hätte auch andere zitieren können. "Mir ging es wirklich nicht um einen Spruch, da kann ich drüber hinwegsehen. Mir ging es um eine Gesamtstimmung."