1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lob, aber keine Schmeichelei

Bettina Marx3. März 2002

In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag verband Kofi Annan geschickt sein Lob für Deutschland mit dem Wunsch nach verstärktem Engagement. Die Rede des UN-Generalsekretärs kommentiert Bettina Marx

https://p.dw.com/p/1tR5

Kofi Annan ist ein Mann mit Visionen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat eine genaue Vorstellung, wie er sich eine gerechte Welt vorstellt, eine Welt, zu deren Enstehen er beitragen will. Gleichzeitig jedoch ist er ein Realist, der nicht das Unmögliche fordert und der die Schwächen der Weltorganisation und ihrer Mitglieder sehr genau kennt.

Er ist ein Politiker, der sich auch nicht davor scheut, die eigenen Fehler zuzugeben und aufzudecken. So geschehen im Fall des Völkermordes in Ruanda, den die UNO nicht zu verhindern wusste. Es war Kofi Annan selbst, der eine Untersuchungskommission damit betraute, das Versagen der Vereinten Nationen im Angesicht dieses angekündigten Verbrechens schonungslos aufzudecken. Die Lehre, die der Friedensnobelpreisträger aus den Ergebnissen der Untersuchung gezogen hat, lassen sich mit wenigen Schlagworten zusammenfassen: Krisenprävention, Einmischung, Friedenssicherung. Das sind die Hauptaufgaben der UNO, wie sie Annan am Donnerstag (28.2.) vor dem Deutschen Bundestag präsentierte.

In einer bemerkenswerten, visionären und doch sehr pragmatischen Rede wandte er sich in Berlin an die Deutschen, bedankte sich für ihr Engagement in der Weltorganisation und forderte doch gleichzeitig noch mehr Einsatz. Bei der Schaffung eines internationalen Menschenrechtsgerichtshofs, bei der Entwicklungshilfe und bei der weltweiten Friedenssicherung.

Doch Annan beschränkte sich nicht auf wohlfeile Forderungen. Schonungslos zeigte er auch die Grenzen der Möglichkeiten auf und entwarf gleichzeitig ungewöhnlich praktische Verbesserungsvorschläge. Selten hat ein ausländischer Staatsgast im Deutschen Bundestag eine so unphilosophische und wirklichkeitsnahe Rede gehalten. Und selten hat ein Politiker die im Zusammenhang mit der UNO oft bemühte Allerweltsweisheit "die UNO ist nur so gut wie ihre Mitglieder es zulassen" mit Leben gefüllt. Beispiel Afghanistan: schon jetzt klaffe zwischen den finanziellen Zusagen der Geberländer und der tatsächlichen Auszahlung eine große Lücke, die ihn mit Sorge erfülle und die das gesamte Projekt des Aufbaus eines neuen friedlichen und sicheren Afghanistan gefährde.

Entschiedenes und zuverlässiges Engagement sei gefordert, um Konflikte dauerhaft zu befrieden und auf den Ruinen eines kriegszerstörten Landes eine neue Zukunft aufzubauen. Vor allem aber sei Geduld gefordert. Der verfrühte Abzug von Friedenstruppen und humanitären Helfern könne alles Erreichte schnell wieder zunichte machen. Die internationale Gemeinschaft mache sich mitschuldig, wenn sie das Erbe des Misstrauens und des Hasses unterschätze, das jahrelange Konflikte hinterließen.

Der Kofi Annan hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag die wichtigsten Aufgaben der UNO und ihrer Mitglieder auf den Punkt gebracht. Er hat dabei auch die Bundesregierung an ihre Mitverantwortung für den Weltfrieden erinnert. Er hat das mit einer Rede getan, die so ganz seinem Wesen entspricht - ohne jede Herablassung und ohne jede Anmaßung, bescheiden und doch selbstbewußt und zielorientiert.

Dem deutschen Außenminister dürfte der überzeugte Interventionist Kofi Annan damit aus der Seele gesprochen haben, hat er doch dessen Argumente für mehr deutsches Engagement in der Welt unterstrichen.
Deutschland spielt in den Vereinten Nationen eine wichtige und konstruktive Rolle. Darüber hinaus ist Berlin ein pünktlicher und engagierter Beitragszahler. Das weiß Kofi Annan und darum unterstützt er auch das Streben der Bundesrepublik nach einem ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Kofi Annan, daran besteht kein Zweifel, ist ein Freund Deutschlands. Doch er ist kein Schmeichler. Darum hat er in seiner Rede jedes Lob an die Adresse der Bundesregierung mit der geschickten Forderung nach mehr Unterstützung verknüpft. Mit seinem Auftritt in Berlin hat der UN-Generalsekretär seiner Weltorganisation und darüber hinaus der engen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der UNO einen großen Dienst erwiesen.