Living in a Bubble
7. April 2002Sheinkin klingt nach Sonnenstrahlen. Leichtem Leben. Und nach rosaroten Scheuklappen, die beim Shoppen auf Tel Avivs beliebtester Einkaufstrasse zum Dresscode gehören.
Es ist Freitag. Auf der Sheinkin Street flanieren die Schönen von Tel Aviv. Sternchen von morgen, Paradiesvögel und Ladyboys. Und alles was Sonnenbrillen, einen jungen Hund und durchtrainierte Körper hat. Mode an magersüchtigen Schaufensterpuppen, Schmuckdesigner, ein Laden voll schillerndem Kleinkram - echt Plastik. Ein DJ vor dem Plattenladen beschallt die Nachbarschaft mit Technomusik - Konversationen sind im vollbesetzten Straßencafé nebenan unmöglich. Wie jedes Wochenende wird der unscheinbare Kilometer Einbahnstrasse zum Laufsteg für Narzissten und Selbstinszenierer. Und alle Unbekümmerten, die sich in deren Glanz sonnen.
Überleben auf Israelisch
Im alten Busbahnhof sprengt sich ein Attentäter in die Luft. Wenige Minuten von hier. Die Sirenen von Polizei und Krankenwagen deutlich hörbar. Sie hämmern dir Regel Nummer eins des israelischen Alltags wieder in Kopf: überfüllte Plätze meiden! Gleichzeitig pulsiert das Leben in der Sheinkin Street als sei nichts passiert und verweist auf Regel Nummer zwei in Israel: weiterleben!
Sorgen haben hier keinen Platz. Einmal eingetaucht, ist die Realität nach wenigen Metern verdrängt. Und eine Neue geschaffen. Eran verteilt Flyer vor einem Plattenladen. Er ist 22, und in seiner Welt zählen nur drei Dinge: Essen, Night Life - und seinen offensichtlichen Kopfverdrehungen nach zu urteilen – Frauen. Einige Schritte weiter schiebt Nelly ihren acht Monate alten Sohn im Kinderwagen durch das Szeneviertel. "Zu Hause bleiben heißt aufgeben. Das ist mein Leben und ich möchte es genießen." Ihr Freund Tomer nickt. Sheinkin Street ist die große Illusion. Eine riesige Seifenblase.
Bag bursts Bubble
Bis alles an der Kreuzung stehen bleibt und aufwacht. Blaulicht, eine Seitenstraße ist abgesperrt. Ein Polizist geht zu seinem Fahrzeug zurück und pellt sich aus dem Schutzanzug. Am Straßenrand liegt ein grüner Sportbeutel, an einer Seite aufgerissen. Durch den Schlitz kann man den Inhalt erkennen - Klopapier. In Berlin oder Paris gänzlich unbeachtet, wird hier jede vergessene Tasche zur potentiellen Bombe. Ein paar liegengelassene Rollen Toilettenpapier genügen, um die dünne Haut der Illusion einzureißen. Die Blase ist geplatzt. - Das Leben geht weiter.