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Nobelpreis

11. Oktober 2007

Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an die britische Autorin Doris Lessing. Die 87-jährige Autorin wurde für ihren weiblichen und sozialkritischen Blick auf das 20. Jahrhundert ausgezeichnet.

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Archivfoto von 2006Bild: AP

Doris Lessing wurde gewürdigt als "Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat". Der Chef der Akademie, Horace Engdahl, sagte über die völlig überraschende Vergabe: "Dies ist eine der wohldurchdachtesten Entscheidungen, die wir jemals getroffen haben."

Der Preis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert. Er wird am 10. Dezember in Stockholm überreicht. Im vergangenen Jahr hatte der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk den renommierten Preis erhalten.

Nobelpreis ist ein "Royal Flush"

Lessing hat die Auszeichnung mit dem Nobelpreis als "Royal Flush", das stärkste Blatt beim Poker-Spiel, bezeichnet. "Das ging jetzt 30 Jahre so. Ich habe alle Preise in Europa gewonnen, jeden verdammten Preis", sagte Lessing, als sie aus dem Taxi vor ihrer Wohnung in Nord-London stieg. Sie sei "begeistert", jetzt auch den Nobelpreis erhalten zu haben.

Die britische Autorin ist von der Auszeichnung beim Einkaufen
überrascht worden. Die 87-Jährige habe die Preisverkündung gar nicht verfolgt, sagte die Sprecherin der Literaturagenten Jonathan Clowes Ltd., die Lessing seit Jahrzehnten vertreten.

Schon lange im Gespräch

Lessing war seit mehr als 30 Jahren für den Literaturnobelpreis im Gespräch. Sie selbst sagte einmal, "ich bekomme ihn nie". Kurz vor ihrem 88. Geburtstag am 22. Oktober darf sich die britische Autorin jetzt mit der höchsten Auszeichnung der Literaturwelt schmücken. Lessings Werk "Das goldene Notizbuch" (1962) gilt als Klassiker feministischer Literatur. In ihrem gerade erschienenen neuen Roman "Die Kluft" beschreibt sie eine mythische friedliche Welt voller Frauen - in die erst mit den Männern auch Probleme einziehen.

Lessing wurde 1919 als Doris May Taylor in Kermanshah im Iran geboren. Ihr Vater, ein kriegsversehrter britischer Offizier, zog später mit der Familie ins damals britische Südrhodesien (heute Simbabwe). Afrika prägte sie und ihr Werk entscheidend. Wegen ihrer Kritik an der Rassentrennung durfte sie jahrzehntelang nicht nach Rhodesien und Südafrika reisen.

Ihren ersten literarischen Erfolg erzielte Lessing 1949, als sie nach England übersiedelte - im Gepäck den Roman "Afrikanische Tragödie" über eine verbotene schwarz-weiße Liebe. In Afrika ließ sie zwei Kinder mit einem Kolonialoffizier zurück.

"Das goldene Notizbuch"

Später heiratete sie den deutschen Exil-Kommunisten Gottfried Lessing, von dem sie einen Sohn hat und dessen Schwester Irene die Mutter des Linken-Politikers Gregor Gysi ist. Sie selbst war bis zum sowjetischen Einmarsch in Ungarn Mitglied der britischen Kommunisten. Heute hat sie für politische Bewegungen nichts mehr übrig. Die Verantwortung des einzelnen für sich selbst im Konflikt mit der Gesellschaft ist daher auch Thema des Romanzyklus' "Martha Quest".

Gegen ihren Willen wurde sie 1962 zum Inbegriff des Feminismus, als "Das goldene Notizbuch" erschien - ihr berühmtestes Werk. Lessing behandelte immer wieder die (beschwerliche) Beziehung zwischen Mann und Frau. Obwohl ihr Leben aufregend und alles andere als stromlinienförmig war: Einen dritten Band ihrer Autobiografie will sie nach "Unter der Haut" (1994) und "Schritte im Schatten" (1997) nicht schreiben. Begründung: Sie wolle vielen Leuten, die mittlerweile etwas geworden sind, nicht auf den Schlips treten. (kas)