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Spannung vor der Gysi-Rede

Marcel Fürstenau, z. Z. Bielefeld6. Juni 2015

Macht er weiter oder nicht? In Kürze will Fraktionschef Gregor Gysi auf dem Bundesparteitag der Linken endlich Klarheit über seine politische Zukunft schaffen. Unter den Genossen herrscht gespannte Erwartung.

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Gregor Gysi auf dem Bundesparteitag der Linken in Bielefeld (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

In der Partei geht man mehrheitlich davon aus, dass Linken-Fraktionschef Gregor Gysi in seiner Rede den Rückzug vom Fraktionsvorsitz im Herbst verkünden wird. Aber in der Politik bleiben will er auf jeden Fall, das hat Gysi bereits klargestellt, ebenso wie sein Engagement im kommenden Bundestagswahlkampf. Im Gespräch als mögliche Nachfolger für den Fraktionsvorsitz sind die Wortführerin des linken Flügels, Sahra Wagenknecht, und der Reformer Dietmar Bartsch.

Was bisher geschah

Der Parteitag in Bielefeld beginnt mit einer Kampfabstimmung. Gysi soll doch bitteschön sofort über seine politische Zukunft reden und nicht erst kurz vor dem Ende des zweitägigen Treffens am Sonntag. Der Antrag stammt von Inge Höger. Die Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen hat es ihrem Fraktionschef noch nie leicht gemacht. Immerhin 40 Prozent der Delegierten unterstützen Högers Wunsch nach Klarheit. Die anderen folgen dem Plädoyer der Parteivorsitzenden Katja Kipping, es bei der geplanten Dramaturgie zu belassen. Der Vorstand habe sich dabei "etwas gedacht". Ein Satz, der die Spekulationen weiter anheizt.

Das Ende einer Ära?

Seit zehn Jahren ist Gysi Chef der Bundestagsfraktion, im Herbst könnte die Ära enden. Die Linke müsste sich dann ein neues Gesicht suchen, das an vorderster parlamentarischer Front Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Paroli bietet. Eine, der es fast alle zutrauen, ist Sahra Wagenknecht. Allerdings hat die ebenso wortgewandte wie heftige Kapitalismus-Kritikerin schon im März ihren Verzicht auf eine Kandidatur erklärt. Gysi wollte sich nie den Vorsitz mit Wagenknecht teilen. Sollte er sich nun zurückziehen, wäre der Weg plötzlich frei für die 45-Jährige.

Gegensätzlich: Gysi und Wagenknecht

Im Gegensatz zum Gysi-Lager schließt Wagenknecht eine Koalition mit SPD und Grünen auf Bundesebene kategorisch aus. Auf dem Parteitag plädiert sie für den Austritt Deutschlands aus der NATO. Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) lehnt Wagenknecht ebenso vehement ab. Wer es unterstütze, solle aufhören, "sich einen Demokraten zu nennen".

Sahra Wagenknecht genießt den Beifall nach ihrer Parteitagsrede (Foto: dpa/picture alliance)
Sahra Wagenknecht genießt den Beifall nach ihrer ParteitagsredeBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Angesprochen fühlen soll sich vor allem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der belüge die Öffentlichkeit und verkaufe sie für dumm. Er ebne auch der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung den Weg.

Tosender Beifall für Sahra Wagenknecht

Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (ebenfalls SPD) bekommt ihr Fett weg. Die frühere SPD-Linke schränkt aus Wagenknechts Sicht mit dem sogenannten Tarifeinheitsgesetz die Rechte der Gewerkschaften massiv ein. Die Linke sei nicht dafür gegründet worden, "in dieser trüben Brühe mitzuschwimmen", entrüstet sich Gysis innerparteiliche Widersacherin. Gemessen am Jubel in der Bielefelder Stadthalle wünschen sich viele der knapp 500 Delegierten Wagenknecht als künftige Fraktionschefin im Bundestag. Sollte es dazu kommen, müsste sie sich den Posten allerdings teilen.

SPD-Vize Stegner setzt weiter auf Gysi

Die Doppelspitze sollte es eigentlich schon geben. Dass die Fraktion einen entsprechenden Parteitagsbeschluss beharrlich ignoriert, verdeutlicht ihre Abhängigkeit von Gysi. Sogar die Sozialdemokraten hoffen inständig, dass der charismatische Anwalt die Linke im Bundestag weiter anführen wird. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sagte der Zeitung "Die Welt", der Linken-Parteitag werde ein Gradmesser sein, "ob die Partei überhaupt bereit ist, Verantwortung zu übernehmen". Gysi stehe für "Regierungswilligkeit - ohne ihn wäre ein rot-rot-grünes Bündnis noch viel schwerer anzugehen".