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Liegt Berlin in China?

11. April 2002

Wie weit dürfen Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen gehen, fragt sich eine Gruppe von Falun-Gong-Anhängern, die aus ihren Berliner Hotelzimmern geworfen wurden.

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Drei der BetroffenenBild: Kay Herschelmann

Berlin als Hauptstadt ist Bühne internationaler Politik. Berliner und Berlinbesucher kriegen dies häuftig zu spüren. Nach dem 11. September war die amerikanische Botschaft unweit des Brandenburger Tors wochenlang weiträumig abgesperrt. In allen öffentlichen Gebäuden herrschte erhöhte Alarmstufe. Wer sich nicht ausweisen konnte, wurde erst gar nicht rein gelassen.

Diese Woche machte der chinesische Präsident Jiang Zemin während seines Staatsbesuchs in Deutschland auch Station in Berlin. Das bedeutete höchste Sicherheitsstufe für die deutsche Hauptstadt.

Das Primat der Politik

Bei den Gesprächen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder standen politische und wirtschaftliche Themen auf der Agenda. Fragen der Menscherechte wurden nur am Rande thematisiert. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Kong Quan erklärte auf einer Pressekonferenz: "Es gab einen Gedankenaustausch zu humanitären Fragen. Beide Seiten stimmten darin überein, dass es Differenzen gibt und erklärten sich bereit, die weltweiten humanitären Probleme in einem Dialog zu thematisieren."

Rund 400 Anhänger der Falun-Gong-Sekte waren nach Berlin gereist, um auf die humanitäre Situation in China aufmerksam zu machen. Mit massivem Polizeiaufgebot wurden sie von der offiziellen Besuchsstrecke fern gehalten. Dem chinesischen Staatschef blieb der Anblick der Demonstranten damit erspart. Öffentliche Auftritte Zemins gab es zudem kaum, eine Pressekonferenz wurde aus Zeitgründen abgesagt.

Unterstützt von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International erinnern die Mitglieder der in China verbotenen Meditationsbewegung Falun Gong immer wieder an die Situation in ihrem Heimatland. Nach Angaben des zentralen Falun-Gong-Informationszentrums sind bisher 390 Anhänger ermordet worden. Es gab 100.000 Festnahmen. 20.000 Menschen befinden sich in Arbeitslagern.

Der Rauswurf

Was höchste Sicherheitstufe in der deutschen Hauptstadt bedeuten kann, haben ein Dutzend Falun-Gong-Mitglieder im Berliner First-Class-Hotel Adlon am eigenen Leib erfahren müssen. Am Montag (8. April 2002) wurden sie von deutschen Polizisten in ihren Zimmer aufgefordert, das Hotel, in dem auch Jiang Zemin untergebracht war, unverzüglich zu verlassen.

Falun-Gong-Anhänger Dan Cheng, ein in den USA geborener Chinese, sagte gegenüber DW-WORLD, die Polizei hätte Sicherheitsgründe für ihr teilweise derbes Vorgehen angeführt. Auf seine Frage, wie es mit seiner eigenen Sicherheit aussähe, kam keine Antwort. Die Polizei führte ihn aus dem Zimmer, ohne dass er irgendetwas zusammenpacken konnte. In der Rezeption standen chinesische Sicherheitskräfte und durchforsteten den Hotel-Computer.

Falun Gong Meditation
Bild: Kay Herschelmann

"Das sind aus China exportierte Methoden, das ist sehr traurig!", beklagt Li Shao, der als Dozent an der Nottingham Universität in England arbeitet und ebenfalls zu der Gruppe der Ausgewiesenen gehört. "Wir sollten die deutsche Demokratie dazu nutzen, China zu beeinflussen und nicht umgekehrt, der chinesischen Diktatur erlauben, in Berlin ordentliche Bürger zu schikanieren."

Der Sprecher des Deutschen Bundeskriminalamts, Gerhard Schlemmer, sagte, es sei normal, dass die deutsche Polizei mit den Sicherheitskräften des Besuchslandes zusammenarbeite. In diesem konkreten Fall habe man Informationen erhalten, dass die Gruppe den Besuch der chinesischen Delegation stören wollte. (kas)