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Lieferketten im Visier

13. Februar 2012

Globale Unternehmen haben weltweit Einfluss auf Arbeits- und Lebensbedingungen. Sie könnten sich für Umweltstandards und faire Arbeitsbedingungen stark machen.

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Bild: picture-alliance/dpa

"Als die Preise immer mehr stiegen, so um das Jahr 2000 herum, gab es einen riesigen Run auf Tantal aus dem Kongo, weil Tantal aus anderen Weltregionen noch teurer war. Und das obwohl in den UN-Berichten ja schon damals geschrieben stand, dass mit diesem Rohstoff eine Rebellenarmee teilweise finanziert wird." So beschreibt Friedel Hüls-Adams, Wissenschaftler am Südwind-Institut in Siegburg den Ansturm auf die Rohstoffe, die für die Elektronikindustrie unverzichtbar sind.

Kampagnen gegen Blut-Handys oder für faire Elektronik haben bis heute wenig erreicht. Es gibt nach wie vor keine internationale Regulierung, die verhindert, dass mit Rohstofferlösen Bürgerkriege finanziert werden. "Umweltbelastungen, verwüstete Landschaften und schlechte Arbeitsbedingungen sind weitere Probleme beim Abbau der Rohstoffe - auch in anderen Ländern des Südens", kritisiert Friedel Hüls-Adams.

Genügend Steuereinnahmen, mit denen die Schäden behoben oder soziale Verbesserungen entwickelt werden könnten, haben die Staaten des Südens vielfach nicht. So gibt es - vor allem in den Konfliktregionen - ein unübersichtliches Heer von Zwischenhändlern. Aber auch anderswo wird von den größeren Minenbesitzern über das sogenannte "transfer pricing" der Gewinn heruntergerechnet. Über die Weitergabe von Rohstoffen von einer Konzerntochter zur anderen schafften es die Unternehmen, dass trotz der sehr stark gestiegenen Rohstoffpreise gar keine oder nur sehr geringe Gewinne anfielen, so der Südwind-Wissenschaftler.

Bürgerkriegsprofite

Ein Bergarbeiter kauert in einem engen Stollen (Foto: dapd)
Edelmetalle für die Handyproduktion werden im Kongo unter unwürdigen Bedingungen geschürftBild: dapd

Rohstoffhändler und Produzenten haben an Verbesserungen offenbar kein Interesse. Im Gegenteil - es würde ihren Gewinn verringern. Und: "Unternehmen profitieren direkt und indirekt von den schlechten Arbeitsbedingungen der Kleinschürfer, aber auch von Verstößen der Großindustrie, weil es ihr Produkt billiger macht“, erläutert Hüls-Adams. Deshalb sei die Demokratische Republik Kongo auch für Rohstoffhändler so attraktiv.

Eine US-amerikanische Gesetzesinitiative hat jetzt für Unternehmen wie Dell, Nokia oder Apple den Handlungsdruck zur Beachtung gewisser Standards erhöht: Der Dodd Frank-Act, ein Gesetz zur Wall-Street-Reform vom Juli 2010, verpflichtet Unternehmen nachzuweisen, dass sie mit den von ihnen verwendeten Metalle wie Gold, Zinn, Tantal und Wolfram keine Milizen finanzieren. Das trifft nicht nur Bergbauunternehmen und Rohstoffhändler, sondern auch die Hersteller von Laptops und Mobilfunktelefonen, sofern sie an der amerikanischen Börse notiert sind.

"Angesichts der Strafen, die eine amerikanische Börsenaufsicht verhängen kann, ist das keine Kleinigkeit", meinen Experten. Die großen Konzerne haben ihre Lieferanten daraufhin angewiesen, nicht im Kongo und den unmittelbaren Nachbarstaaten zu kaufen. "Mit verheerenden Folgen für die Kleinschürfer“, sagt Friedel Hüls-Adams: "Sie konnten nichts mehr verkaufen."

Luftaufnahme von einem Tagebau in China (Foto: Xinhua)
Zerstörte Natur - Der Abbau von sogenannten "seltenen Erden" für die Elektronik-Industrie hat eine Mondlandschaft in der Inneren Mongolei hinterlassenBild: picture-alliance/dpa

Die schnelle Umsetzung des Dodd Frank-Acts hat damit erneut zu Armut, sozialen Konflikten und Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo beigetragen.

Unternehmen in der Verantwortung

Zur Verbesserung der Menschenrechtslage in und durch die Unternehmen hat der UN-Menschenrechtsrat kürzlich das Prinzip der "Due Diligence", der Sorgfaltspflicht, eingeführt. Danach müssen Unternehmen erst die Auswirkungen ihrer Aktivitäten abschätzen, bevor sie handeln. Die Verantwortung zur Beachtung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte liegt, gerade in Konfliktregionen, bei den transnational agierenden Unternehmen, so die UN-Grundsätze.

"Menschenrechte first“ - mit diesem Versprechen wollte im vergangenen Jahr auch das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in seiner Arbeit neue Prioritäten setzen. Bei der Umsetzung in die Praxis ist davon bislang jedoch erst wenig zu spüren, auch wenn es um staatlich unterstützte Projekte in Afrika geht.

"Afrika hat viel zu bieten", sagt Hans W. Meier-Ewert, Geschäftsführender Vorstand des Afrika Vereins der deutschen Wirtschaft, der auf dem Kontinent "Potenziale für den deutschen Mittelstand" sieht und um Investoren wirbt.  Der Verein, der mit staatlichen Stellen kooperiert, berät Interessenten mit Länderanalysen, Sicherheitskonzepten und Verhaltenstrainings.

Gebäude der New Yorker Börse (Foto: AP)
An der New Yorker Börse gelten stregen Regeln für Unternehmen, die Rohstoffe aus Kriegsgebieten beziehen.Bild: AP

Wenn es jedoch um die Anwendung der neuen UN-Regeln für Wirtschaft und Menschenrechte (Guiding Principles) geht, wird Meier-Ewert deutlich zurückhaltender: "Solange sie nicht bindend sind, ist es dem einzelnen Unternehmen freigestellt, ob es sich daran orientieren möchte oder nicht."

Mehr Transparenz gefordert

Dagegen sieht Peder Michael Pruzan-Jorgensen bereits grundlegende Veränderungen im Umgang der Unternehmen mit  den Menschenrechten. Er ist Geschäftsführer von "Business for Social Responsibilty" (BSR), einem globalen Unternehmensnetzwerk, das durch Beratung, Forschung und Zusammenarbeit nachhaltige Geschäftsstrategien entwickeln will. Der Umgang mit Konfliktmineralien wie in der Demokratischen Republik Kongo sei zwar ein besonderer Fall, meint Pruzan-Jorgensen, aber auch symptomatisch: "Ich glaube wir werden in Zukunft mehr Regulierungen haben, die darauf abzielen Menschenrechte in den Zulieferketten zu verbessern.“

Voraussetzung dafür ist und bleibt Transparenz in der Zulieferkette, sagt dazu Friedel Hüls-Adams vom Bonner Südwind-Institut. Es werde nicht von heute auf morgen durchzuführen sein, doch Stufe für Stufe müsse in die Zulieferkette investiert werden. Nur so könnten Menschenrechtsstandards berücksichtigt werden.

Die EU will mit einer derartigen Transparenzinitiative Nägel mit Köpfen machen. Die deutschen Arbeitgeberverbände laufen dagegen Sturm. Friedel Hüls-Adams vom Südwindinstitut sieht dabei ein Glaubwürdigkeitsproblem der Bundesregierung: "Da wo es für Unternehmen verpflichtend gemacht werden soll, stellt sich die Bundesregierung auf die Seite der Unternehmen und sagt es ist zu teuer. Das passt nicht zusammen."

Autorin: Ulrike Mast-Kirschning
Redaktion: Helle Jeppesen