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Oma und Opa gesucht

15. September 2010

Es müssen nicht immer die echten Omas und Opas sein, die mit den Enkeln spielen. Manchmal tun es auch die Ersatzgroßeltern. Doch wie findet man die? Eine Agentur in Köln hilft - sie vermittelt Jung und Alt.

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Regine Duxa und ihre Ersatzenkelinnen auf der Schaukel (Foto: Suzanne Cords)
Spaß auf dem SpielplatzBild: DW/Cords

Vertrauensvoll klettert die fünfjährige Chika auf den Schoß der lachenden älteren Frau und umarmt sie. "Das ist Regine, die spielt jetzt immer mit mir", sagt sie. "Und das ist Rainer, der ist auch sehr nett." Seit ein paar Monaten haben die quirlige Chika aus Nigeria und ihre kleine Schwester Bucci neue Großeltern. Einmal in der Woche kümmern sich Regine Duxa und ihr Lebensgefährte Rainer Gilgen um die zwei kleinen Mädchen. "Ich hatte schon seit längerer Zeit das Bedürfnis, etwas Sinnvolles zu tun", erzählt die Rentnerin. "Dann fiel mir zufällig ein Flyer der Organisation "Zeit mit Kindern" in die Hände, der schien auf mich gewartet zu haben."

Nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben wollte sich Regine Duxa ehrenamtlich nützlich machen. Auch ihr Partner war von der Idee angetan, da kam die Kölner Großeltern-Kind-Vermittlung "Zeit mit Kindern" den beiden gerade recht. Sie bringt Senioren mit Kindern zusammen, deren leibliche Großeltern entweder schon verstorben sind oder einfach zu weit weg wohnen. "Es geht nicht darum, dass wir als Tagesmutter oder als Babysitter einspringen", sagt Duxa. "Die Kinder sollen einfach auch mit der älteren Generation Kontakt haben."

Regine Duxa und Rainer Gilgen mit ihren 'Enkelinnen' (Foto: Suzanne Cords)
Kuscheln mit "Oma und Opa" auf dem BalkonBild: DW/Cords

"Eine Oma ist doch kein Auto"

Der Bedarf an solchen Patenschaften sei groß, bestätigt Ulla Ueberreiter-Michovius, Initiatorin der Kölner Agentur "Zeit mit Kindern". "In der heutigen Gesellschaft wachsen schon zu viele Kinder ohne Oma und Opa auf. Auf der anderen Seite gibt es viele Senioren, die ebenfalls von ihrer Familie getrennt leben." Die Alten verfügen über Wissen und Erfahrungen, das der Elterngeneration fehle, und bringen meistens mehr Zeit und Gelassenheit im Umgang mit den Kleinen mit. Die Senioren ihrerseits können ihre Liebe zu Kindern ausleben, werden gebraucht und nehmen aktiv an der Lebenswelt jüngerer Menschen teil. "Das ist für beide Seiten ein großer Gewinn", sagt Ueberreiter-Michovius.

Den Ausdruck "Leihgroßeltern" mag sie allerdings gar nicht. Der erinnere sie an ein Auto, das man heute ausleihe, um es morgen zurückzugeben. "Ich wünsche mir aber, dass meine Organisation dauerhafte Beziehungen schafft", betont die 71-Jährige. Oft geht das gut, aber manche Vermittlung ist auch schon in die Brüche gegangen. "Wenn es Probleme gibt, man muss da mit sehr viel Fingerspitzengefühl herangehen", weiß sie aus Erfahrung. "In einer echten Familie kann mal Funkstille herrschen, aber beim nächsten Geburtstagsfest rauft man sich wieder zusammen. Bei Wahlverwandtschaften klappt das nicht so einfach." Deshalb steht der Agentur ein Psychologe zur Seite, der die Betroffenen ehrenamtlich berät.

Ein Herz für Kinder

Bucci und Chika (Foto: Suzanne Cords)
Bucci und ChikaBild: DW/Cords

60 Großeltern hat die Agentur Zeit mit Kindern seit 2001 vermittelt, meist sind es Frauen, und aus Ueberreiter-Michovius Sicht sind das noch viel zu wenig. "Wenn sich zwei Senioren pro Monat bei uns melden, ist das viel", sagt sie. "Wir sind einfach nicht bekannt genug." Meist landen die Interessenten über Flyer oder Mund-zu-Mund Propaganda bei ihr. Ueberreiter-Michovius selbst geht in Kindergärten, um ihr Projekt vorzustellen.

Regine Duxa ist bis heute überglücklich, dass ihr der Agentur-Flyer in die Hände geraten ist. "Diese Kinder sind wirklich eine Bereicherung für unser Leben", strahlt sie. Nachdem sie und ihr Freund sich entschieden hatten, Großeltern zu werden, ging alles ganz schnell. Die Agentur schickte zwei Mitarbeiterinnen mit einem Fragebogen vorbei, um die Motivation des Paares zu hinterfragen. Die wichtigsten Voraussetzungen waren erfüllt: ein Herz für Kinder und ein polizeiliches Führungszeugnis. Ueberreiter-Michovius machte dem weltoffenen Kölner Paar den ungewöhnlichen Vorschlag, zwei nigerianische Mädchen zu betreuen. Als Regine Duxa und Rainer Gilgen die Fotos der Geschwistermädchen sahen, stand fest: "Die beiden können das vielleicht viel eher gebrauchen als jedes andere deutsche Kind, die nehmen wir."

Spielen, lachen, toben

Bucci und Chika an der Hand ihres Ersatzopas (Foto: Suzanne Cords)
Unterwegs mit Ersatzopa RainerBild: DW

Schon kurze Zeit darauf fanden sich die frischgebackenen Großeltern im Kindergarten ein, um ihre zukünftigen Enkeltöchter in Augenschein zu nehmen. Es war Liebe auf den ersten Blick: "Beim zweiten Besuch im Kindergarten haben sie schon auf uns gewartet und uns gleich an die Hand genommen", erzählt Regine Duxa. "Ich habe mir nicht vorgestellt, dass das so leicht laufen würde." Oma und Opa lassen sich die Ersatzgroßeltern allerdings nicht nennen. "Wir hatten etwas Scheu, den Kindern Opa und Oma vorzugaukeln, die wir ja nicht sind", meint Rainer Gilgen, "obwohl das für die Kinder sicher nicht von sehr großer Bedeutung gewesen wäre." Und Regine Duxa ergänzt: "Ich bin ja nicht einmal Mutter, da wäre mir der Sprung zur Oma schon komisch vorgekommen."

Einmal in der Woche kommen Chika und Bucchi zu den neuen Großeltern. Dann gehen alle gemeinsam in den Zoo oder in den Park, toben herum und spielen. Den nigerianischen Eltern ist es vor allem wichtig, dass ihre Kinder in Deutschland Fuß fassen und sich gut integrieren. Dabei wollen die Ersatzgroßeltern auf jeden Fall helfen. "Für ausländische Kinder ist der Start ja etwas schwieriger", sagt Duxa. "Ich freue mich schon darauf, wenn Chika in die Schule kommt, dann können wir bei der Hausaufgabenbetreuung helfen." Doch bis dahin ist noch etwas Zeit. Ungeduldig ziehen Chika und Bucci die neue Oma am Ärmel. Und dann geht es endlich auf den Spielplatz.

Autorin: Suzanne Cords

Redaktion: Petra Lambeck