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Liebes Christkind…ich wünsche mir Weltfrieden

9. Dezember 2010

Wünsche hat jeder. Schlaue Leute schreiben sie auf einen Wunschzettel ans Christkind. In Dortmund kann man jetzt solche Wunschlisten aus 100 Jahren bewundern. Zahnpasta stand mal hoch im Kurs.

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Wunschzettel - zu sehen im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte: 'Bring uns viele schöne Dinge' über Wunschzettel von November 2010 bis Januar 2011 (Foto: DW)
Bild: Sola Hülsewig

Nicht immer gab es an Weihnachten Geschenke. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Christfest zum Familienfest mit Bescherung. Vorher brachte der Heilige Nikolaus am 6. Dezember Geschenke für brave Kinder - und um diese Zeit herum entstanden auch die Wunschzettel. "Die Veränderung von Weihnachten hin zum Geschenkfest hängt natürlich auch damit zusammen, dass es im Zuge der Industrialisierung viel mehr Geschenke und Spielzeug zu kaufen gab", sagt Historikerin Isolde Parussel. Zwar konnte sich nicht jeder das Spielzeug leisten, es war aber zumindest vorhanden. Und zu dieser Zeit begannen die Kinder auch, ihre Wünsche auf Zetteln und in Briefen zu formulieren.

Gabentisch in Ausstellung im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte: 'Bring uns viele schöne Dinge' über Wunschzettel von November 2010 bis Januar 2011 (Foto: DW)
So sah ein Gabentisch im 19. Jahrhundert ausBild: Sola Hülsewig

Isolde Parussel hat die Weihnachts-Ausstellung "Bring uns viele schöne Dinge" im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte konzipiert. Neben den über hundert Wunschzetteln, die in Glasvitrinen an der Wand hängen, sind vier Gabentische ausgestellt, mit geschmückten Bäumchen und Spielzeug aus den vergangenen hundert Jahren. Die Schriftstücke sind nur zu einem kleinen Teil Leihgaben aus anderen Museen. Der Großteil stammt von Privatpersonen, die einem Zeitungsaufruf gefolgt sind. Die meisten Wünsche richten sich an das "liebe Christkind", das "Christkindchen" oder das "Christkindlein". Manche sind auch an den Nikolaus oder den Weihnachtsmann adressiert, andere ganz neutral mit "Wunschzettel" betitelt.

Herzenswunsch: Zahnpasta

Auf einem Zettel von 1899 wünscht sich ein Mädchen neben Spielzeug – "das Kleid für Fränzchen, ein Faberkasten, eine Matrosenmütze für mich", auch "Visitenkarten und eine Zahntube Calodont". Zahnpasta in Tuben war Ende des 19. Jahrhunderts etwas Hochmodernes und wohl auch für ein kleines Mädchen Begehrenswertes. Doch nicht nur neue Sachen wurden verschenkt, wie das Ende des Briefes zeigt – bis in die 60er Jahre war es üblich, vorhandenes Spielzeug an Weihnachten zu flicken: "Und dann liebes Christkind, müssen mein Siegfried und meine Dori in die Klinik gebracht werden. Der Dori wächst nur sehr spärlich Haar auf dem Kopf und sie hat sehr hamplige Glieder. Dieses beides müsste an ihr repariert werden", heißt es in dem Brief.

Wunschzettel - zu sehen im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte: 'Bring uns viele schöne Dinge' über Wunschzettel von November 2010 bis Januar 2011 (Foto: DW)
Wunschzettel von Anneliese, sauber in Sütterlin-Schrift verfasstBild: Sola Hülsewig

Eine Besonderheit der Ausstellung ist ein Antwortschreiben an zwei kleine Mädchen. Absender: "Das Christkind im Himmel, am Vorabend vor Weihnachten 1911". Der Brief ist mit der Schreibmaschine getippt – vom Vater oder der Mutter, vermutet Isolde Parussel. Den dazu passenden Wunschzettel gibt es nicht mehr; aus der Antwort des Christkindes lassen sich jedoch die Wünsche der Geschwister erkennen:

Zum Einen sollen die Puppen aufgefrischt werden, und dann "erzählen die Engelchen, dass du und das Stänzerl wenig gute Puppenmütter in diesem Jahr gewesen wäret. Unter solchen Umständen euch ein richtiges Kindchen anzuvertrauen, erscheint mir vorläufig doch zu verantwortungsvoll." Neben den neuen Puppenkleidern wollten die beiden Mädchen offensichtlich auch ein Geschwisterchen haben, was Vater und Mutter aber gekonnt ablehnten.

Wunschzettel-Vordrucke der Industrie

Historikerin Isolde Parussel - sie hat die Ausstellung 'Bring uns viele schöne Dinge' im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte konzipiert (Foto: DW)
Historikerin Isolde ParusselBild: Sola Hülsewig

Die Briefe bieten Einblicke in die Lebenswirklichkeit verschiedener Generationen. Da sind die Wünsche der Kinder aus der Nachkriegsgeneration, die sich eine Mütze oder Schulhefte wünschen, der Wunsch, dass die Mutter endlich gesund werde oder die Bitte um einen Rock in "Knie umspielender Länge" in den Siebzigern. Nicht alle Briefe sind frei formuliert: Seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es von der Industrie Vordrucke für die Weihnachtswünsche. Dort können zum Beispiel Produkte eines Herstellers einfach angekreuzt werden.

Der jüngste Brief ist gerade mal zwei Jahre alt. Jascha aus Dortmund hat aus Katalogen verschiedene Bildchen mit Preisschildern ausgeschnitten: Hauptsächlich sind es Elektrogeräte. Text gibt es außer der Überschrift keinen, die ist aber in Schönschrift verfasst: "Wunschzettel für Weihnachten". Die Geschenke sind teuer – gemessen am Lebensstandard früherer Jahre jedoch wahrscheinlich nicht wertvoller, meint Isolde Parussel. "Hier kann man nicht einfach nur sagen, dass dieses Kind nur konsumorientiert ist. Hier ist genauso viel Mühe drin wie in einem Wunschzettel, der eben geschrieben ist und mit Holzstiften verziert wurde", sagt Parussel.

Autorin: Sola Hülsewig

Redaktion: Marlis Schaum