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Regierungsstreit

29. September 2010

Während die internationale Gemeinschaft mühsam die Nahost-Friedensgespräche aufrecht erhält, sorgt Israels Außenminister Lieberman mit einem Alleingang bei der UN-Generalversammlung für Unmut, auch in den eigenen Reihen.

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Avigdor Lieberman bei der UN-Generalversammlung (Foto: ap)
Avigdor Lieberman bei der UN-GeneralversammlungBild: picture-alliance/dpa

Eine Rede des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman hat Differenzen in der Regierung bei den Nahost-Friedensverhandlungen offengelegt: Lieberman sagte am Dienstag (28.09.2010) vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York, der Abschluss der Gespräche mit den Palästinensern könne noch "mehrere Jahrzehnte" auf sich warten lassen.

US-Außenministerin Hillary Clinton, Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (links) und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Sharm El-Sheikh am 14. September ( Foto: ap)
Neuer Anlauf zu FriedensgesprächenBild: AP

Zugleich wiederholte er seinen umstrittenen Vorschlag, bei einer Grenzziehung zur Umsetzung der Zweitstaatenlösung Siedlungen arabischstämmiger Israelis im Zweifel einem Palästinenser-Staat zuzuschlagen. Im Gegenzug würden jüdische Siedlungen ins eigene Staatsgebiet überführt. Richtlinie für die Vereinbarung solle nicht "Land für Frieden" sein, so die Forderung des ultra-nationalen Politikers, sondern "ein Austausch von bevölkerten Territorien": "Lassen Sie mich klarstellen", sagt er vor der UN: "Ich spreche nicht davon, Bevölkerungen umziehen zu lassen, sondern die Grenzen zu verschieben, um die demografischen Realitäten besser zu reflektieren."


Kritik von allen Seiten

Palästinensische Delegierte verließen während der Rede Liebermans die Versammlung. "Dieser Mann hat sich völlig von der politischen Realität entfernt", sagte der ständige Beobachter Rijad Mansur der Nachrichtenagentur Reuters. Führende Vertreter der arabischstämmigen Israelis, die 20 Prozent der Bevölkerung Israels ausmachen, werfen Lieberman seit Jahren anti-arabischen Rassismus und Hetze vor.

Regierungschef Benjamin Netanjahu distanzierte sich von den Äußerungen und teilte mit, dass die Formulierungen nicht mit ihm abgesprochen gewesen seien. Netanjahu glaube weiterhin daran, dass es möglich sei, eine Vereinbarung mit den Palästinensern innerhalb eines Jahres zu erreichen, heißt es in einer Mitteilung seines Büros. Darin weist Netanjahu außerdem darauf hin, dass er und nicht Lieberman im Namen Israels verhandle.

Auch in der eigenen Regierung löste Lieberman mit seinen Äußerungen Kritik aus: Der Minister für Minderheiten, Avischai Braverman von der Arbeitspartei, rief Netanjahu auf, seinen Außenminister zu entlassen. Liebermans wahnhafte Rede sei gut geplant gewesen und verfolge die Absicht, die Stimmung aufzuheizen und dem Friedensprozess zu schaden, sagte er. Die oppositionelle Kadima-Partei sagte, Liebermans Äußerungen widersprächen den erklärten Zielen der Regierung. Netanjahu sei aber ein Koalitionsfrieden wichtiger als Frieden in der Region.




Was wird aus den Friedensgesprächen?

Die jüdische Siedlung Beitar Illit in der Näher von Jerusalem (Foto: ap)
Einer der Hauptstreitpunkte bei den Verhandlungen: Erst am Montag hatte Israel den zehnmonatigen Siedlungstopp im Westjordanland auslaufen lassenBild: AP

Netanjahu hatte Anfang des Monats direkte Verhandlungen mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas aufgenommen, um binnen Jahresfrist eine Einigung zu erzielen. Die Gespräche hatte Abbas maßgeblich von einer Verlängerung des Baustopps in den jüdischen Siedlungen im Westjordanland abhängig gemacht. Trotzdem hatte Netanjahu das zehnmonatige Moratorium an diesem Montag (27.06.2010) auslaufen lassen, die Bauarbeiten wurden umgehend wieder aufgenommen.

Netanjahu hatte den Baustopp auch aus innenpolitischen Gründen nicht verlängert: Er muss seine Fünf-Parteien-Koalition mit den Siedlern nahestehenden Parteien zusammenhalten. Ein wichtiger Regierungspartner ist dabei die ultra-nationale Einwandererpartei "Israel Beiteinu" von Avigdor Lieberman.

Am Dienstag nahm Netanjahu eine Einladung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an, kommenden Monat nach Paris zu reisen. Dort soll er neue Gespräche Abbas führen. Laut seinem Büro äußerte der Premier bei Telefonaten mit Sarkozy und US-Außenministerin Hillary Clinton die Hoffnung, "positive Verhandlungen" mit den Palästinensern fortführen zu können. Auch Abbas sagte dem französischen Radiosender "Europe 1", er wolle die Verhandlungen zunächst nicht abbrechen. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen will er aber erst nach Beratungen mit der Arabischen Liga am kommenden Montag (04.10.2010) treffen.

Autorin: Ina Rottscheidt (dpa/afp)
Redaktion: Thomas Laschan