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Liebe Deine Nächsten!

Marcel Fürstenau15. August 2003

In Deutschland werden zurzeit an verschiedenen Fronten Glaubenskriege geführt. Wie immer im Namen der Gerechtigkeit. Diesmal geht es um das ganz große Thema: die Liebe - und wer wen begehren darf.

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Nein, nein, es geht nicht um die Reform des Arbeitsmarktes, der Rente, des Gesundheitswesens oder gar des Dosenpfands. Diesmal geht es um nichts Geringeres als die Liebe. Ursprünglich ein Thema, das mit Gefühlen zu tun hat, mit Romantik und Poesie. Doch davon ist scheinbar wenig übrig geblieben in unserer extrovertierten Spaßgesellschaft. Wenn sich dann noch die Politik einmischt, verheißt das wenig Gutes, auch wenn es gut gemeint ist.

Von Gesetzen unbeeinflusst

Zum Beispiel die Homo-Ehe, also die legalisierte Beziehung zwischen Männlein und Männlein oder Weiblein und Weiblein. Man mag dazu stehen, wie man will. Fakt ist: auch in Deutschland ist sie mittlerweile möglich. Es wird deshalb künftig nicht mehr und nicht weniger Schwule und Lesben geben als früher. Denn die Neigung der Menschen, ihre so genannte sexuelle Orientierung, ist zum Glück durch Gesetzestexte und Paragraphen nicht zu beeinflussen.

Im öffentlichen Leben sieht die Sache anders aus. Früher gab es Schamgrenzen und Tabuzonen. Heute wird alles öffentlich zelebriert. Mitunter kann das auch ganz hilfreich sein, etwa wenn sich der Bürgermeister einer weltoffenen Metropole wie Berlin zur seiner Homosexualität bekennt. So geschehen vor zwei Jahren, als der Sozialdemokrat Klaus Wowereit kundtat: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so." Ein Outing, das einige Zeit für Aufregung und Schlagzeilen sorgte. Doch dann war Ruhe. Niemand nahm Anstoß daran, wenn Wowereit auf dem Filmfestival Berlinale den schwul-lesbischen Filmpreis "Teddy Award" verlieh, auf der Internationalen Tourismus-Börse den Reiseführer "Gayfriendly Germany" für Homosexuelle präsentierte oder beim "Christopher Street Day" auf einem buntgeschmückten Wagen die Schwulen-Parade anführte.

"Missverstandene Toleranz"

Einem, der früher in der deutschen Hauptstadt Innensenator war und das gleiche Amt jetzt im benachbarten Brandenburg bekleidet, war es nun doch zu viel. Mitten im schwülen deutschen Sommer kritisierte der Christdemokrat Jörg Schönbohm die seines Erachtens demonstrativen Auftritte des Berliner Regierungschefs. Hier würden "missverstandene Toleranz und Akzeptanz ja bald zum Pflichtprogramm", wetterte Schönbohm. Die Homo-Ehe hält er für falsch, "weil sie die Familie als Verantwortungsgemeinschaft von Eltern und ihren Kindern untergräbt". Was das eine mit dem anderen unmittelbar zu tun hat, ließ Schönbohm offen.

Das Echo auf die Anti-Schwulen-Attacke erfolgte prompt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, der das Gesetz für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften mitausgearbeitet hat, fühlte sich an Verlautbarungen aus dem Vatikan erinnert. Vielleicht sollte man sich bei diesem Thema damit trösten, dass es in allen deutschen Parteien bekennende und heimliche homosexuelle Politiker gibt. Deren gesellschaftspolitische Orientierung im Allgemeinen hat – Gott sei Dank – nichts mit ihrer sexuellen Orientierung im Besonderen zu tun.