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Kampf gegen den Terror

Kersten Knipp13. September 2012

Der Angriff auf das amerikanische Konsulat in Bengasi zeigt, wie schwach der libysche Staat immer noch ist. Und er lässt vermuten, dass ausländische Extremisten dem Land eine islamistische Ideologie aufzwingen wollen.

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Ein brennendes Auto nach dem Anschlag in Bengasi (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Bei den Angriffen auf die Sufi-Heiligtümer würde es nicht bleiben, das war in Libyen allgemein erwartet worden. Die Frage war nicht, ob, sondern wann und wo die Terroristen in größerem Maß zuschlagen würden. Und so schwang in den Worten des libyschen Parlamentspräsidenten Mohamed Magarief womöglich auch die späte - zu späte - Erkenntnis mit, dass man das US-Konsulat in Bengasi wohl besser hätte schützen müssen. "Wir bitten das amerikanische Volk und die ganze Welt um Verzeihung", erklärte Magarief kurz nach dem Anschlag. Und als wollte er die Entschuldigung zusätzlich bekräftigen, verwies er auf den Umstand, dass die Attacke auf die Botschaft genau auf den elften Jahrestag des 11. Septembers 2001 fiel, den Tag der Angriffe auf das Word Trade Center. "Was da passiert ist, fällt mit 9/11 zusammen", erklärte er. "Wir lehnen es in jeder Hinsicht ab, dass unser Territorium für solche Operationen missbraucht wird."

Trauer und Entsetzen

Trauer, Entsetzen und ein Gefühl der Ohnmacht, das sind die vorherrschenden Gefühle in Libyen. Die Online-Zeitung "Al watan al Libia" veröffentlichte ein schwarz umrandetes Porträt des getöteten US-Botschafters Chris Stevens. "Wohin wollen diese Leute Libyen treiben", fragte der Kommentator der Zeitung, um gleich die Antwort zu geben: "In den Abgrund!" Die Terroristen wollten aus Libyen einen Staat nach Art Somalias, Afghanistans oder Libanons machen. "Sie verwandeln unser Land in eine Heimstatt für Abenteurer, korrumpieren unsere Bevölkerung und unser Land. Dies ist ihre Alternative zu unserem Projekt, die wir das Land aufbauen und wachsen lassen sowie Wohlstand für die Bevölkerung erreichen wollen."

Einen anderen Akzent setzten hingegen die libyschen Muslimbrüder. Auch sie verurteilten in ihrer Erklärung den Angriff zwar in aller Entschiedenheit. Sie fügten aber hinzu, dass die westlichen Regierungen und die internationale Gemeinschaft "die volle Verantwortung" dafür trügen. Es reiche nicht, begründeten sie ihre Einschätzung, dass die westlichen Staaten dem Islam in offiziellen Erklärungen Respekt zollten, wenn sie gleichzeitig zu kränkenden Äußerungen schwiegen, die den Hass zwischen den Religionen säten.

Importierter Extremismus

Vieles spricht dafür, dass der Sturm auf die Botschaft in Bengasi von ausländischen Extremisten eingefädelt wurde. Es habe in Libyen in den vergangenen Monaten tödliche Anschläge mit Autobomben gegeben, erklärt der Publizist Mustafa Fetouri im Gespräch mit der Deutschen Welle. Autobomben seien in Libyen bislang aber ein unbekanntes Phänomen gewesen. Nicht einmal während der Revolution gegen Gaddafi hätten sie die sich bekämpfen Gruppen eingesetzt. "Diese Art der Gewalt muss von außen ins Land getragen worden sein. Sie verweist auf fanatische Gruppen, die vermutlich Al-Kaida oder einer anderen terroristischen Vereinigung angehören."

Seit Wochen werden in Libyen alte Sufi-Schreine geschändet oder zerstört. Auch das spricht dafür, dass sich ausländische Extremisten in Libyen aufhalten. Die Täter seien Salafisten, erklärt Michel Cousins, Herausgeber der Anfang 2012 gegründeten Tageszeitung "The Libya Herold". Ihre Ideologie bezögen die Täter aus Saudi-Arabien. "Doch es handelt sich um relativ kleine Gruppen. Im gesamten Land dürfte es nicht mehr als vier- bis fünfhundert geben." Zwar fänden diese Gruppen auch bei einigen Einheimischen Unterstützung, doch auch deren Zahl sei klein. Die Mehrheit der Libyer, erklärt Cousins, seien gemäßigte Muslime. "Sie sind entsetzt über die Gewalt, der das kulturelle Erbe des Landes ausgesetzt ist. Die Angriffe schockieren die Libyer. Sie sind wütend und bestürzt."

Nachdem radikale Kandidaten bei den Parlamentswahlen im Juli von der Bevölkerung eine Absage erhalten hatten, scheint es nun, als wollten sie ihre Ziele mit anderen Mitteln durchsetzen. "Jetzt versuchen sie ihren Einfluss mit Gewalt zu sichern", erklärt Mustafa Fetouri. "Das ist ein sehr ernsthaftes Problem."

Zynisches Kalkül

Der Sturm auf die Botschaft ist die konsequente Fortsetzung einer Strategie, die die libysche Regierung schwächen und ihr Ansehen und ihre Legitimität untergraben will. Der Staat ist in dem dünnbesiedelten und weitflächigen Land nicht überall angemessen vertreten. Libyen umfasst eine Fläche von fast 1,8 Millionen Quadratmetern und kommt auf eine Bevölkerungsdichte von 3,3 Einwohner pro Quadratkilometer. Dieser Umstand spielt den Extremisten in die Hände. Ihr Kalkül ist einfach: Angriffe auf das kulturelle Erbe des Landes wie etwa die Sufi-Schreine, zu denen die meisten Libyer ein starkes emotionales Verhältnis haben, lassen den Staat schwach erscheinen.

Libyer vor einem zerstörten Mausoleum (Foto: AFP)
Ohnmächtige Zivilgesellschaft: Libyer vor einem zerstörten MausoleumBild: Mahmud Turkia/AFP/GettyImages
Eine von Terroristen zerstörte Sufi-Moschee in Tripolis (Foto: Reuters)
Ebenfalls Ziel der Terroristen: eine zerstörte Sufi-Moschee in TripolisBild: REUTERS
Porträt des in Libyen getöteten US-Botschafter J. Christopher Stevens (Foto:U.S. State Department/AP/dapd).
Opfer der Terroristen: US-Botschafter J. Chr. StevensBild: AP

Je öfter solche Angriffe vorkämen, desto stärker zeige sich die Unfähigkeit des Staates, Recht und Gesetz durchzusetzen, erklärt Mustafa Fetouri. "Das wiederum bedeutet, dass das Vertrauen der Bürger in die Regierung schwindet. Darum werden sie eigene Milizen bilden." Ist das Vertrauen der Bürger in ihren Staat erschüttert, könnte sich das auch in den kommenden Wahlen äußern. Der Ruf nach einem starken Mann könnte lauter werden. Und der starke Mann hätte womöglich auch dann gute Chancen, wenn er extremistische Ansichten vertritt. Bis dahin könnte die Flucht der Bürger zur Gewalt die Staatsmacht weiter schwächen.