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Wirtschaftswachstum

Karl Zawadzky14. Januar 2009

Deutschland steckt mittendrin in einer schweren Rezession. Jetzt ist kluges Handeln gefragt, meint Karl Zawadzky in seinem Kommentar.

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Karl Zawadzky, Wirtschaftsredaktion
Karl Zawadzky, WirtschaftsredaktionBild: DW

Eine solche Talfahrt der Konjunktur, wie sie Deutschland seit dem Frühjahr 2008 erlebt, hat es hier zu Lande noch nie gegeben. Der einzige Trost ist, dass im vergangenen Jahr überhaupt noch ein Wirtschaftswachstum erzielt worden ist. Um 1,3 Prozent hat das Bruttoinlandsprodukt zugenommen. Das war nicht viel, aber immerhin. Doch die Durchschnittszahl verdeckt, dass sich die wirtschaftliche Szenerie dramatisch schnell und heftig verändert hat. Der Zuwachs an Wirtschaftsleistung ist ausschließlich im ersten Quartal erzielt worden. Das heißt: Beim Wachstum handelt es sich vor allem um den Überhang aus dem Jahr 2007. Freilich waren auch da schon die wirtschaftlich stärksten Zeiten vorbei. Seinen Höhepunkt hatte der letzte Konjunkturzyklus im Jahr 2006 mit einer wirtschaftlichen Wachstumsrate von drei Prozent.

Tägliche Horrormeldungen

Von da an ging's bergab. Erst hat sich das Wirtschaftswachstum abgeschwächt, dann ist die Wirtschaftsleistung gesunken. Seit dem Herbst befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer Rezession. Fast täglich gehen aus den Unternehmen und Branchen Schreckensmeldungen ein. Zigtausende Arbeitnehmer der Autoindustrie sind von Kurzarbeit betroffen; beim Maschinenbau ist der Auftragseingang um 30 Prozent rückläufig. Selbst positive Nachrichten haben einen negativen Kern. Zum Beispiel melden Lebensmitteldiscounter einen wachsenden Zulauf von Kunden. Das ist zwar für Aldi, Lidl und Co. erfreulich, bedeutet aber, dass immer mehr Menschen sich auf Ebbe im Portemonnaie einstellen – auf Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder den Wegfall gewohnter Zusatzeinnahmen aus Überstunden. Die schon lange anhaltende Stagnation beim privaten Verbrauch wird durch Kaufzurückhaltung und Angstsparen verstärkt. Wenn die wirtschaftliche Zukunft unsicher ist, halten die Menschen ihr Geld zusammen.

Exportweltmeister leidet

Vor allem aber erlebt Deutschland jetzt die Kehrseite des Erfolgs auf den Weltmärkten. Über Jahre und Jahrzehnte hinweg ist der Export von Rekord zu Rekord geeilt. Dabei ist nicht nur die Summe der Ausfuhren gestiegen, sondern auch der deutsche Anteil am Welthandel. Der starke Euro hat dann seinen Teil zum Titel Exportweltmeister beigetragen. Deutschland hat nicht nur die höchsten Ausfuhren weltweit erzielt, sondern auch die höchste Exportquote. Sie liegt deutlich oberhalb von 40 Prozent. Das heißt: Mehr als zwei von fünf Euro werden im Ausland verdient; rund neun Millionen, also knapp ein Viertel der Arbeitsplätze, hängen von der Exportwirtschaft ab. In einzelnen Wirtschaftszweigen, etwa in den Schlüsselbranchen Autoindustrie und Maschinenbau, macht der Exportanteil zwischen 70 und 80 Prozent aus; bei einzelnen Unternehmen, etwa Spezialisten des Maschinenbaus, sogar mehr als 90 Prozent. Das heißt: Wenn die Weltwirtschaft hustet, leiden solche Branchen und Firmen an Lungenentzündung.

Kluges Handeln gefragt

Mit ihren Konjunkturpaketen kann die Bundesregierung den Einbruch beim Export nicht ausgleichen. Auch ist fraglich, ob die beabsichtigte Belebung des inländischen Konsums gelingt. Aber sehr wohl lässt sich durch die Sanierung und den Ausbau der Infrastruktur die Heftigkeit des Abschwungs mildern sowie durch Investitionen in Schulen und Universitäten das wirtschaftliche Fundament des Landes stärken. Denn klar ist: Auf jede Rezession, wie tief sie auch gehen und wie lang sie auch anhalten mag, folgt ein neuer Aufschwung. Deshalb ist es richtig, dass die Unternehmen erst einmal versuchen, Entlassungen zu vermeiden und mit Kurzarbeit über die Krise zu kommen. Deshalb ist es angebracht, dass gerade in den am schwersten betroffenen Branchen die Investitionen in Forschung und Entwicklung verstärkt werden. Denn in der Krise wird die Grundlage für künftige Erfolge gelegt.