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Rating EU

6. Dezember 2011

Die Ratingagentur Standard & Poor´s droht den Staaten der Eurozone mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Wirklich überraschend kommt das nicht, meint Henrik Böhme.

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Bild: DW

"Was ist bloß mit dem Euro los?" Diese Frage stellte unsere Redaktion schon vor elf Jahren. Damals war der Euro noch nicht einmal als Bargeld im Umlauf, sondern nur als sogenanntes Buchgeld auf den Finanzmärkten unterwegs. Und schon damals findet sich dieser Satz in den Archiven: "Die Devisenmärkte spüren sehr genau, ob die Politik den richtigen Weg zur Stärkung einer Währung einschlägt oder nicht." In drei Wochen ist es dann genau zehn Jahre her, dass die Menschen in den Euroländern zum ersten Mal mit dem neuen Geld bezahlen konnten – ein Jubiläum, bei dem bestimmt keine Korken knallen werden.

Deutsches Programm, Wirtschaft Henrik Böhme, Foto: DW-WORLD.DE
Henrik Böhme: Die Warnung von Standard & Poor's kommt genau zum richtigen ZeitpunktBild: DW

Damals wurden die Bedenken der vielen Skeptiker einfach vom Tisch gewischt. Europa sei noch nicht bereit für eine gemeinsame Währung, man mache den zweiten Schritt vor dem ersten, so warnten sie. Denn wer mit einer gemeinsamen Währung leben will, der muss auch eine gemeinsame Haushaltspolitik haben. Das vor allem ist eine Frage, die im Ausland heute immer wieder gestellt wird: Wieso habt ihr Europäer eine gemeinsame Währung, aber 17 Zentralbanken, 17 nationale Haushalte, 17 Finanzminister – zusätzlich zu den europäischen Institutionen? Chinesische Investoren würden liebend gerne Euro-Anleihen kaufen, berichtete dieser Tage ein Anleihe-Händler in Frankfurt. Schuldentitel einzelner Euroländer aber nicht.

Nun also das harsche Wort der Bonitätswächter von Standard & Poor´s. Noch ist es nur eine Drohung, aber sie schlug ein wie eine Bombe. Natürlich ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung bewusst gewählt. Natürlich reagieren Politiker und Verantwortliche mit dem üblichen Abwehrreflex – etwa Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker: Man solle die Ratings nicht so ernst nehmen. Falsch! Diese Warnung von Standard & Poor´s ist keine Überraschung, sie kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, wenige Tage vor dem nächsten europäischen Krisengipfel. Von denen gab es übrigens in den zurückliegenden zwei Jahren 13 Stück – ohne dass sich die Lage wirklich gebessert hätte. Europa muss jetzt endlich seinen Kleinmut überwinden und sich den Tatsachen stellen.

Ob die Herrschaften im Brüsseler Konferenzgebäude, dessen Flure und Hinterzimmer sie aus den vielen Nächten voller Verzweiflung schon bestens kennen, sich wirklich und endlich aufraffen können – ich habe da ernsthafte Zweifel. Man schaue sich nur das selbsternannte europäische Führungsduo Angela Merkel und Nicolas Sarkozy an: Vor den Kameras demonstrative Einigkeit, hinter den Kulissen erbitterter Streit über den richtigen Weg. Das gilt in Sachen Eurobonds und die Frage, ob die Europäische Zentralbank weiter massiv Staatsanleihen von Krisenländern kaufen soll. Hier drückt die Dame aus dem Kanzleramt dem Herrn aus dem Elysee-Palast klar ihr Nein auf. Und wenn es ans Eingemachte geht, etwa die Frage der Souveränität von Nationalstaaten, dann einigt man sich höchstens auf einen faulen Kompromiss: So soll zwar die Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen schlechte Haushaltsführung möglich sein, der EuGH soll aber nationale Haushalte nicht annullieren dürfen.

So wird das nichts mit Europa. Ja, die Ratingagenturen haben in der Vergangenheit Fehler gemacht. Sie sind gescholten worden, weil sie nicht früh genug vor Gefahren gewarnt haben. Jetzt machen sie genau das. Man muss ihnen dafür nicht dankbar sein, aber sie halten den Finger genau an der richtigen Stelle in die Wunde. Wie hieß es damals vor elf Jahren in einem Beitrag dieser Redaktion: "In der Politik, und nur dort, besteht die Chance, den Euro dauerhaft aus seinem Tief zu führen." Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel