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Lektionen aus dem Ölstreit zwischen Belarus und Russland

11. Januar 2007

Nach tagelangem Stopp sind die Öllieferungen aus Russland über Belarus wieder in Gang gekommen. Der Ölstreit hat Folgen: Moskau und Minsk sind entzweit. Auch die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind gestört.

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Ausfälle bei russischen EnergielieferungenBild: AP

In der Nacht zum Donnerstag (11.1.) sind die russischen Erdöllieferungen über die Pipeline "Druschba" Richtung Polen, Deutschland, Ukraine, Slowakei, Tschechien und Ungarn wieder aufgenommen worden. Vorangegangen war am Mittwoch (10.1.) ein Telefonat der Präsidenten von Belarus und Russland, Aleksandr Lukaschenko und Wladimir Putin. Sie erörterten dabei den Transit russischen Erdöls durch Belarus sowie andere Fragen der wirtschaftlichen Kooperation. Später erklärte der belarussische Premierminister Sergej Sidorskij, seine Regierung habe die am 1. Januar 2007 eingeführte Transitabgabe in Höhe von 45 Dollar pro Tonne russischen Erdöls wieder zurückgenommen. Der belarussische Regierungschef teilte ferner mit, die Verhandlungen mit Moskau würden nun fortgesetzt. Der russische Wirtschaftsminister German Gref hatte die Fortsetzung der russisch-belarussischen Verhandlungen von einer Zurücknahme der belarussischen Transitabgabe für russisches Erdöl abhängig gemacht.

Drohender Handelskrieg

Der belarussische Wirtschaftsexperte und Leiter des Forschungszentrums "Strategija", Leonid Saiko, bewertete im Gespräch mit der Deutschen Welle das Vorgehen der belarussischen Führung. Er unterstrich: "Das offizielle Minsk hätte gerne in ultimativer Form die weitere Subventionierung von Belarus verlangt." Es sei aber höchst unwahrscheinlich, dass Russland im Energiekonflikt mit Belarus Zugeständnisse machen werde. Im Gegenteil, Saiko hält es sogar für möglich, dass weitere Wirtschaftssanktionen Moskaus gegen Minsk in Vorbereitung waren, so die Einführung von Zöllen auf belarussische Waren, die zu 80 bis 90 Prozent nach Russland exportiert werden.

Um einen Handelskrieg zu gewinnen, würde es Russland ausreichen, nur zwei Maßnahmen gegen Belarus zu ergreifen, so Saiko: "Erstens, ein Einfuhrstopp von Milchprodukten wegen Qualitätsmängeln, und zweitens, die Einschränkung oder den Stopp der Einfuhr von Lastkraftwagen und Traktoren. Das würde zwei große Fließbänder in Minsk stilllegen. Betroffen wären 100.000 bis 150.000 Menschen, alle Familienangehörigen der Arbeiter eingeschlossen. Die Menschen verlören ihre Arbeit. Allein das hätte schon gereicht, zumindest vorerst." Dazu hätte es kommen können, wenn Belarus auf der Transitabgabe auf russisches Erdöl bestanden hätte, meint der Wirtschaftsexperte.

Belarus in der Zwickmühle

Der Führer der vereinigten demokratischen Opposition, Aleksandr Milinkewitsch, hält ebenfalls weitere russische Wirtschaftssanktionen gegen Belarus für realistisch. Ihm zufolge hat Russland im Ölstreit alle Hebel eingesetzt, um Belarus zu zwingen, die Transitabgabe zurückzunehmen.

Was die Beziehungen zum Westen betrifft, so sagte Milinkewitsch der Deutschen Welle: "Die belarussische Diplomatie signalisiert, dass sie gerne in erster Linie mit der Europäischen Union zusammenarbeiten würde. Aber die EU hat sich klar festgelegt und erklärt, sie sei zu einer umfassenden Zusammenarbeit bereit, in der Wirtschaft und in jedem anderen Bereich, aber dafür müsse Belarus Schritte in Richtung Demokratie unternehmen." Eine der Bedingungen der EU sei die Durchführung demokratischer Wahlen in Belarus, so Milinkewitsch. Dem Oppositionspolitiker zufolge kann dies aber zu einem Machtwechsel führen. Deswegen werde die derzeitige Staatsmacht einen solchen Schritt nicht unternehmen.

Leonid Saiko vom Forschungszentrums "Strategija" meint, Russland werde gegenüber Belarus keinen Rückzieher machen. In dieser Situation blieben Präsident Aleksandr Lukaschenko nur zwei Auswege: "Entweder schwenkt er jetzt die weiße Fahne oder er fliegt nach Washington oder Brüssel und vereinbart dort eine strategische Umorientierung von Belarus."

Andrej Alechnowitsch
DW-RADIO/Belarus, 11.1.2007, Fokus Ost-Südost