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Leipzigs große Herausforderung

Hanspeter Detmer 14. April 2003

Fünf deutsche Städte hatten ihr Interesse angekündigt, im Jahr 2012 Gastgeber der Olympischen Sommerspiele sein zu wollen. Leipzig setzte sich zur Überraschung vieler gegen die Konkurrenz durch.

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Jubel in LeipzigBild: AP

Als es am Samstag (12.4.2003) in München darum ging, das Mandat des deutschen Nationalen Olympischen Komitees für den Eintritt in den globalen Wettkampf für Olympia 2012 zu bekommen, setzten die Leipziger in der Schlußphase der Bewerbung auf ihre außerordentliche Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990. Hunderttausende zogen damals friedlich durch die Leipziger Straßen und zwangen mit ihrer gewaltfreien Demonstration die Machthaber der DDR zur Kapitulation.

Friedenswille

Olympia Bewerbung Leipzig
Modell des Dresdener Architekten Peter Kulka fuer den Olympiapark 2012 in LeipzigBild: AP/Leipzig, Freistaat Sachsen und Partnerstädte GmbH, Kulka

Der Leipziger Friedenswille beeindruckt in Deutschland zu recht noch immer. Ob aber in einer extrem schnelllebigen Zeit solche Erinnerungen auch bei einer globalen Bewerbung immer noch positiv wirken, ist fraglich. Da zählen tagesaktuelle Daten mehr. Unter den fünf deutschen Bewerberstädten um Olympia 2012 ist Leipzig mit 490.000 Einwohnern zwar die mit Abstand kleinste Stadt. Aber nirgendwo war die Sympathie der Bevölkerung für ein olympisches Engagement größer. Weit mehr als 93 Prozent aller Leipziger sprechen sich für die Durchführung der Spiele in ihrer Stadt aus. Zum Vergleich: Mitbewerber Düsseldorf, der jetzt schon über fast alle olympischen Sportstätten verfügt, brachte es gerade mal auf etwas mehr als 70 Prozent Zustimmung. Das sind Signale, die bei sehr sensiblen olympischen Entscheidungsträgern sehr genau registriert werden.

Sportlich ist Leipzig engstens mit Fußball verbunden. In Leipzig wurde nicht nur vor mehr als 100 Jahren der Deutsche Fußballbund gegründet. Aus Leipzig kam 1908 auch der erste deutsche Fußball-Meister. Und in der Stadt existierte auch mit einer Kapazität von mehr als 100.000 Zuschauern das größte deutsche Stadion, bis es in marodem Zustand vor einigen Jahren abgerissen wurde. An seiner Stelle entsteht derzeit ein neues Stadion, in dem 2006 nach dem aktuellen Stand der Planung vier Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden werden.

Leipzigs Ruf

Zum sportlichen Ruf Leipzigs hat natürlich auch die Deutsche Hochschule für Körperkultur sehr viel beigetragen. Hier wurden auch viele ausländische Sportpädagogen ausgebildet. Allerdings litt der Ruf der Leipziger Sport-Universität unter dem mit dem Dopingmißbrauch verbundenen Leistungsdiktat der ehemaligen DDR. Inzwischen aber ist die Sportuniversität auf dem besten Wege, sich einen herausragenden Ruf als sportpädagogische Ausbildungststätte zurückzuerobern.

Natürlich bietet Leipzig mehr als nur Sport. Vor allem die Musik spielt in der Stadt eine ganz wichtige Rolle. Nicht umsonst wurde bei der nationalen Bewerberpräsentation Kurt Masur als Fürsprecher Leipzigs aufgeboten. Der ehemalige Chefdirigent des weltberühmten Gewandhausorchesters, des ältesten bürgerlichen Konzertorchesters Europas, ist inzwischen weltweit engagiert. Zu den weltberühmten musikalischen Größen der Stadt gehören Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und der Thomanerchor, der auf eine mehr als 800jährige Historie zurückblickt.

Wirtschaft

Das Wirtschaftsleben der Stadt wird nicht zuletzt durch die Leipziger Messe geprägt. Seit mehr als 500 Jahren ist Leipzig Messeplatz. Die 1996 fertiggestellte neue Leipziger Messe zählt zu den modernsten Europas. Viele der neuen Messehallen sollen in eine olympische Nutzung eingebracht werden. Da innerstädtisch noch viele Freiflächen zur Verfügung stehen, verspricht Leipzig die Anlage olympischer Sportstätten auf engstem Raum, so dass die ganze Stadt ein einziges olympisches Dorf werden soll.

Bis zum potentiellen Segelrevier nach Rostock an der Ostsee sind es von Leipzig aus 350 Autobahnkilometer. Rostock, eine Stadt mit 200.000 Einwohnern, ist schon seit Jahrzehnten eine traditionsreiche Seglerstadt. Die Warnemünder Woche hat ihren festen Termin im Jahresprogramm der besten Segler der Welt. Sie schätzen vor allem die Tatsache, dass die Wege bis zu den einzelnen Segelbahnen ziemlich kurz und die Windbedingungen besonders fair sind.

Ostsee und Bundesliga

Über die Ostsee unterhält Rostock engste kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zu den baltischen Staaten, nach Finnland, aber auch nach Schweden und Dänemark. Von Bedeutung sind die Werften in Rostock. Aber Oberbürgermeister Arno Pöker stellte auch heraus, dass sich die Universität in seiner Stadt immer größerer Beliebtheit erfreut.

Sportlich ist Rostock Woche für Woche in aller Munde. Der Fußball-Club Hansa Rostock ist - neben Energie Cottbus - der einzige Verein aus einem der östlichen Bundesländer, der in der ersten Bundesliga vertreten ist. Bemerkenswert war bei der internen deutschen Olympia-Entscheidung, dass sich Rostock gegenüber den Mitbewerbern gleich im ersten von maximal vier Wahlgängen mit absoluter Mehrheit durchsetzte und damit den haushohen Favoriten Kiel besiegte.

Nun also stehen sie fest, die beiden deutschen Olympiabewerber für 2012. Doch gewonnen ist eigentlich noch nichts. Denn nun beginnt der internationale Wettkampf, der in zwei Etappen abläuft. Zunächst muß jetzt eine von Leipzig und Rostock gemeinsam zu verfassende weltweite Bewerbung ausgearbeitet werden. Nationale Aspekte spielen dabei keine Rolle mehr. In einem Jahr entscheidet eine spezielle Auswahlkommission des Internationalen Olympischen Komitees dann darüber, ob Leipzig und Rostock in die Endausscheidung des IOC eintreten können. Dann bleibt nochmals ein Jahr zur Detailverbesserung, bis dann im Juli 2005 auf einer IOC-Session in Singapur die endgültige Entscheidung darüber fällt, wo die Olympischen Sommerspiele 2012 ausgetragen werden.

Die Leipziger und Rostocker würden gerne - 40 Jahr nach München und Kiel 1972 - wieder die Rolle der olympischen Gastgeber in Deutschland übernehmen.