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Leipzig-Demos in Bangkok?

Patrick Tippelt6. Februar 2006

Wenn eine Groβdemonstration eher einem Volksfest ähnelt als einer Protestveranstaltung, verlieren Thailänder langsam die Geduld mit ihrem Premier. Zurücktreten soll er, fordern sie friedlich - zumindest bisher.

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Gegen 5 Uhr morgens, noch vor der Dämmerung, gibt es nur noch Nudelsuppen aus der Tüte. Hunderte von Menschen sind auf Plakaten eingeschlafen, doch der ältere Herr auf der Bühne hat sich heiser geschrieen. Viele der 50.000 Thais, die auf dem Königlichen Platz dem Redner zuhören, haben tapfer ausgehalten - fast 24 Stunden protestieren sie nun. Der Slogan "Rettet das Land" ist überall zu sehen.

Eine immer gröβere Protestbewegung fand am ersten Februar-Wochenende ihren bisherigen Höhepunkt. Sie versucht, den thailändischen Premierminister Thaksin Shinawatra, seit fünf Jahren im Amt, dazu zu bewegen, abzutreten.

Der nationale Aufhetzer

Initiiert hatte alles Sondhi Limthongkul, eine Medienmagnat und ehemaliger Geschäftspartner Thaksins. Seit seine kritische politische Talkshow von einem regierungsfreundlichen Fernsehsender abgesetzt worden war, hatte Sondhi im gröβten Park Bangkoks jeden Freitag sein Lager aufgeschlagen und die Sendung im Freien abgehalten. Bis Dezember konnte er klare Erfolge verbuchen - mehr als 20.000 Bangkoker, die genug haben vom Premier, versammelten sich im Park, um Sondhis Tiraden zu lauschen.

Ende Dezember ging der Bewegung die Luft aus. Viele Thais gaben Sondhi keine Chance mehr. Die starre Gesellschaftsordnung Thailands gewann wieder Oberhand und resignierend dachte man, dass dem mächtigen Premier eh niemand etwas anhaben kann.

Teurer Ausrutscher

Bis Thaksin in ein immenses Fettnäpfchen trat. Am 23. Januar wurde die familieneigene Aktiengesellschaft Shin Corp an einen Investmentfonds in Singapur verkauft, was dem Shinawatra-Clan umgerechnet stolze 140 Millionen Euro einbrachte, steuerfrei.

Die landesweite Entrüstung gab Sondhi und seinen Anhängern wieder kräftigen Auftrieb. Die Stimmen nach dem Rücktritt Thaksins wurden in den letzten Wochen immer lauter, bis Sondhi die Samtagsdemo einberief.

Gleich neben dem königlichen Domizil kamen die Massen zusammen. Sondhi überreichte dem Privatsekretär des Königs eine Petition, in der dieser gebeten wurde, den starrsinnigen Premier abzuberufen. Denn gelassen hatte Thaksin gemeint, er würde nur auf königlichen Rat hin agieren und abtreten. Er wolle schlieβlich die 19 Millionen Thais, die ihn bei den letzten Wahlen im Amt bestätigt hatten, nicht enttäuschen.

Doch auch von denen beteiligten sich einige an der Groβdemonstration - politisch und menschlich Enttäuschte, Kleinverdiener, Taxifahrer, Lehrer, die sich 150 Millionen Euro nicht einmal vorstellen können. Die wenigsten glauben Meister-Aufhetzer Sondhi alles, was er von sich gibt. Doch bei der Protestbewegung geht es nicht wirklich um Groβpolitik. Es geht um Vertrauen, um Ehrlichkeit, um den Glauben an das Gute, das Menschliche in Politikern.

Der dünne Faden der Geduld

Auf dem Könglichen Platz herrschte 24 Stunden lang Frieden. Die 3000 anwesenden Polizisten - und weitere 10.000, die bereit standen, notfalls einzugreifen - sahen desinteressiert den Vorgängen auf der Bühne zu - manche von ihnen klatschten verstohlen Applaus.

In provisorischen Zelten wurden Suppen für die Demonstrierenden gekocht. Väter hielten ihre Kinder zum Müllsammeln an. Als beliebte Bands auftraten, sangen viele Menschen fröhlich mit. Richtig laut wurde es erst, als verkündet wurde, dass zwei der Partei Thaksins angehörende Minister zurückgetreten wären. Nur weniges deutete tatsächliche Verärgerung an. In einem Zelt durfte man die Tennisbälle auf ein Plakat mit Thaksins Gesicht werfen. Auf einigen Postern war dessen Konterfei mit einem Hitler-Schnauzer verziert.

Thaksin, der sich in seinem Heimatdorf von 300 Anhängern feiern lieβ, hatte nichts als Verachtung für den Protest übrig. "Es gibt nur ein paar Blöde im Land, und die sind mir völlig egal," so seine Meinung zur Demonstration. Wenn er sich da mal nicht irrt. Die nächste Veranstaltung ist fürs kommende Wochenende geplant. Und vielleicht wird sie den Demos ähneln, bei denen "Wir sind das Volk" skandiert wurde.