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Kein Baywatch in Sicht

24. Juli 2009

Lifeguards, die "Bademeister" an amerikanischen Stränden, sind oft bemitleidenswerte Helden. Denn in der Wirklichkeit sind sie so ganz anders, als die Zuschauer der Fernsehserie "Baywatch" sie in Erinnerung haben.

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Bild: DW

Es gehört zu den Hauptaufgaben der Lifeguards, "konzentriert auf das Meer zu blicken". So steht es in ihren Richtlinien. Wer das für Kinderkram hält, sollte bei Gelegenheit doch einmal selbst versuchen, nur auf das Meer schauen. Stundenlang. Über Tage, Wochen und Monate. Das kann auf Dauer sehr anstrengend sein. Jede Ablenkung, jeder Seitenblick auf einen vorbeilaufenden wohlgeformten Körper des bevorzugten Geschlechts verletzt die Dienstpflicht.

Miodrag Soric (Foto: DW)
Miodrag SoricBild: DW

In den 90er-Jahren war alles irgendwie leichter. Nicht, dass das Meer damals anders ausgesehen hätte. Doch im Fernsehen lief die amerikanische Serie "Baywatch". Sie wurde in fast alle TV-Sprachen der Welt übersetzt und war besonders in jenen Ländern populär, in denen es gar kein Meer gibt: in der Schweiz, Mali und der Mongolei. "Baywatch" verlieh den amerikanischen Lifeguards ein Ansehen, eine Attraktivität, ein Image, von dem die einsamen Hochsitzer entlang der US-Meeresküsten noch heute zehren. Damals hatte die Popularität der Serie vor allem in Deutschland mit dem sympathischen Wuschelkopf David Hasselhoff zu tun. Und mit dem blonden Urgift namens Pamela Anderson. Welcher Mann würde nicht freiwillig ins Meer stürmen und dort mit Freude ertrinken, um sich von dieser Frau per Mund-zu-Mund-Beatmung zurück ins Leben, ach was: ins Paradies retten zu lassen?

Fernsehen und Wirklichkeit

Wer heute ins Grenzland zwischen Leben und Tod gerät und sich von den real existierenden Lifeguards retten lassen muss, zieht manchmal vielleicht lieber das Jenseits vor. An mehreren Stränden in New Jersey, dort, wo sich im Sommer die New Yorker und Washingtoner Schickeria trifft, hocken Figuren auf den Hochsitzen, von denen sich selbst Ertrinkende nicht anfassen lassen wollten. Denn einige Retter gleichen mehr Bojen als Dreamboys, mehr Bohnenstangen als Traumnixen. Aber vielleicht erwarten wir einfach zu viel. David Hasselhoff und Pamela Anderson können schließlich nicht an jedem Strand Dienst tun.

Es heißt, dass Selbstzweifel am Ego der Lifeguards nagen. Denn in der Regel handelt es sich bei ihnen um Männer mit nicht mehr abtrainierbaren Problemzonen an den Hüften, mit orangefarbenen Badelatschen an den Füßen und weißer Sonnenbrille auf der Nase. Das erinnert dann doch eher an deutsche Bademeister. Immerhin: Die rote Trillerpfeife zwischen den Lippen ist vorhanden. Aber ihr Trillern klingt wie ein letzter Nachhall der einstigen Autorität der Lifeguards.

Buntes Treiben nach Dienstschluss

Übrigens kommt die Pfeife an den Sommerstränden von New Jersey um punkt 18 Uhr zum Einsatz. Die Strandbademeister verkünden so ihren Feierabend, packen die Rettungsringe ein und gehen. Kaum sind sie weg, erblüht der Strand zu neuem Leben. Wer möchte, kann jetzt richtig weit ins Meer raus schwimmen. Mitgebrachte und bislang versteckte Stereoanlagen dürfen zeigen, was in ihnen steckt. Kinder kicken los ohne Rücksicht auf Proteste der Nachbarn. Surfer üben sich neben den Schwimmern im Wellenreiten. Eisverkäufer schreien um die Wette. Sogar die Delphine des Atlantiks gesellen sich dem bunten Treiben hinzu und lassen sich nur wenige Meter vom Strand entfernt blicken.

Wahrscheinlich wissen die Lifeguards, was ihnen entgeht. Gut möglich, dass sie zu Hause das rote Trikot der Rettungsschwimmer ausziehen, um - quasi inkognito - mit einem Jetski im Gepäck an den Strand zu düsen und es dort so richtig krachen zu lassen. Wie bei "Baywatch".

Autor: Miodrag Soric
Redaktion: Christina Bergmann