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Le Pen: Totgesagte leben länger

30. April 2002

Bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich hat Jean-Marie Le Pen ein überraschendes Comeback geschafft. Dabei war es in den letzten Jahren ruhig um den Rechtsextremen geworden.

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Über den Wahlsieger Le Pen sind viele Franzosen entsetztBild: AP

Le Pen gehört seit vielen Jahren in Frankreich zum politischen Stammpersonal. Sein Triumph über Jospin kam für viele Franzosen überraschend. Galt doch der Rechtsradikale Le Pen seit einiger Zeit als politisch tot.

Kämpfer an Kolonial- und Wahlfront

Le Pen wuchs in armen Verhältnissen auf und besuchte ein Jesuitenkolleg. Danach studierte er in Paris Jura. Bereits in jungen Jahren hatte er einen Drang zur Armee: Obwohl von der Wehrpflicht befreit, meldete er sich 1954 für den Waffendienst.

Als Fallschirmjäger in Indochina erlebte er den Zusammenbruch der französischen Kolonialherrschaft in Südostasien. Ein Jahr später versuchte er sich als politischer Redakteur der Zeitschrift Caravelle und kandidierte 1956 mit Erfolg für einen Sitz in der Nationalversammlung. Noch im selben Jahr verpflichtete er sich zu der Militäraktion gegen die Verstaatlichung des Suez-Kanals in Ägypten.

1957 mischte er als Fallschirmjäger und Offizier im Algerienkrieg mit. Dort diente er in einer Division, der vorgeworfen wurde, an der Folterung und Hinrichtung von 3000 Gefangenen beteiligt gewesen zu sein. Zurück in Frankreich, gelang es Le Pen 1958 abermals, einen Sitz in der Nationalversammlung zu ergattern. Im selben Jahr verlor er bei einer Saalschlacht sein linkes Auge.

Wachsende Wählerschaft

1972 gründete Le Pen den Front National (FN) und ist seitdem sein uneingeschränkter Führer. Zehn Jahre dümpelte die Partei mehr im Schatten als im Licht. Erst seit Anfang der achtziger Jahre versammelte Le Pen eine immer größer werdende Wählerschaft hinter sich.

Hatte er noch 1974 bei der Präsidentschaftswahl nur 190.000 Stimmen erhalten, so schnellte die Zahl bei der Präsidentschaftswahl 1988 auf 4,4 Millionen hoch. Damit hatten sich über 14 Prozent der Wähler für den FN entschieden. Bei der Präsidentschaftswahl 1995 schaffte Le Pen sogar, 15 Prozent der Wähler für sich zu gewinnen.

Vor vier Jahren tastete der langjährige Genosse Bruno Mégret den Herrschaftsanspruch Le Pens an und wurde prompt aus dem FN ausgeschlossen. Mégret verlor den Machtkampf und gründete 1999 seine eigene Partei, den Mouvement National Républicain (MNR). Politisch wurde Le Pen nach der Spaltung des FN für tot erklärt.

200.000 neue Gefängniszellen

Der jetzige Erfolg Le Pens lässt sich damit begründen, dass das Thema Innere Sicherheit im Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielte. Um die Kriminalität in den Griff zu kriegen, will Le Pen 200.000 neue Gefängniszellen bauen lassen, die Todesstrafe wieder einführen und alle illegalen Einwanderer aus Frankreich hinauswerfen.

Darüber hinaus strebt er den Austritt aus der Europäischen Union an und plädiert für die Wiedereinführung des französischen Francs. Gefürchtet wird er von vielen Franzosen ausländischer Herkunft vor allem wegen seiner Fremdenfeindlichkeit. Er macht die Einwanderer sowohl für Kriminalität als auch für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Alter Bekannter vor Gericht

Für seine politischen Ansichten ist Le Pen bei den Richtern ebenso bekannt wie in der politischen Szene. Mehrfach wurde er für ausländerfeindliche Äußerungen verurteilten: Der 73-Jährige glaubt an die "Ungleichheit der Rassen" und hat die Gaskammern der Nazis als "Detail der Geschichte" abgetan.

Nach dem Wahlsieg gegen Jospin besteht jetzt die Gefahr, dass der Rechtsradikale Le Pen auf dem Stuhl des Präsidenten klettert. Dabei hatte Le Pen Anfang des Monats nur mit knapper Not die 500 Unterschriften von Wahlpaten zusammengesammelt, die jeder Bewerber beim Verfassungsrat vorlegen muss. (iw/hh)